Die MP3-Bibliothek der Musikindustrie
In einem richtungweisenden Prozess, den der US-Musikindustrieverband gegen eine Musiktauschbörsen-Nutzerin führt, stehen jetzt auch die Beweisführungsmethoden der Branche auf dem Prüfstand.
Die Beklagte soll rund 1.000 Lieder zum Tausch angeboten haben, behauptet aber die entsprechenden MP3-Files von selbst erworbenen CDs hergestellt zu haben.
Die RIAA [Recording Industry Association of America] behauptet dagegen, dass die fraglichen Dateien aus Online-Quellen stammen müssen, unter anderem aus dem Angebot der längst eingestellten Tauschbörse Napster.
Und das soll mittels "digitaler Fingerabdrücke" und anhand versteckter Zusatzdaten auch eindeutig nachgewiesen werden können.
Die Musikindustrie hat erst im August mit ihrer Drohung ernst gemacht, auch einzelne User von Tauschnetzwerken ins Visier zu nehmen. Das aktuelle Verfahren wird gegen eine Frau, die nur als "nycfashiongirl" bekannt ist, geführt.
Musikindustrie bereitet 871 Klagen vorMP3-Archive aus dem Jahr 2000
Die RIAA behauptet, mit einer Bibliothek digitaler Fingerabdrücke ["hashes"] von MP3-Files, die seit Mai 2000 aufgebaut wurde, die Herkunft der Dateien auf dem Rechner der Beklagten klar nachweisen können. Demnach stammen einige der MP3s noch von Napster.
Weitere Belege will die RIAA durch den Abgleich versteckter Zusatzdaten [Metadaten], die in vielen MP3-Files enthalten sind, erhalten haben. Auch diese sind offensichtlich in der MP3-Bibliothek der RIAA vermerkt und sollen die Herkunft bestimmter Dateien aus dem Netz nachweisen:
"Die Quelle der Musikstücke auf 'nycfashiongirls' Rechner sind eindeutig nicht ihre eigenen CDs", schreiben die RIAA-Anwälte in ihrer Argumentation.
"Nycfashiongirl" ist Kundin des US-Provider Verizon, der nach einem Rechtsstreit von der RIAA dazu gezwungen wurde, die Daten bestimmter Kunden offen zu legen.
Verizon verliert wieder gegen RIAAAlles offen
Neben der Frage, ob das Gericht der RIAA-Beweisführung mittels der MP3-Bibliothek folgt, hängt der weitere Prozessverlauf auch noch davon ab, wie das Gericht den Download von Musikdateien aus dem Netz beurteilt, wenn die entsprechenden CDs vorher legal erworben wurden.
Und neben den juristischen Fragen dürfte auch die derzeitige Überprüfung, ob die Kampagne der RIAA möglicherweise Datenschutzrechte verletzt, die auf Initiative des republikanischen Senators Norm Coleman erfolgt, eine Rolle spielen:
Der Senator fordert unter anderem eine genau Klärung, wie die RIAA an die User-Daten gekommen ist, auf denen jetzt die Anklagen aufbauen.
Inzwischen lebt eine ganze Branche allein von der Jagd nach den Piraten: Mit teils ausgeklügelten Techniken versuchen diese Cyberdetektive im Auftrag der Unterhaltungsindustrie den Tauschbörsen-Gaunern das Handwerk zu legen und werden von der Industrie dafür entlohnt.
Gute Geschäfte für Piratenjäger