Deutsche Blogger wollen Geld verdienen
Das neu gegründete Berliner Unternehmen adical will Weblog-Inhalte an die Werbewirtschaft vermarkten. ORF.at hat mit adical-Mitbegründer Sascha Lobo über das Geschäftsmodell des Weblog-Werbenetzwerkes und über das Geldverdienen mit Blogs gesprochen.
Während im angloamerikanischen Raum zahlreiche Weblog-Autoren ihr Hobby bereits zum Beruf gemacht haben und mit Werbung, Sponsoring und Spenden Geld verdienen, sehen die Verdienstmöglichkeiten mit den Mikromedien im deutschsprachigen Raum eher düster aus. Lobo, Autor ["Wir nennen es Arbeit"], Werbefachmann und Blogger [Riesenmaschine], will das ändern.
Gemeinsam mit dem Berliner Blogger Johnny Haeusler [Spreeblick] hat er das Unternehmen adical [eine Wortkombination aus "advertising" und "radical"] gegründet, das Inhalte aus Weblogs gebündelt vermarkten will. Die erste Kampagne soll noch im April starten.
Im adical-Werbenetzwerk sind derzeit 32 deutsche Weblogs verzeichnet. Das Spektrum reicht von Alltagsbeobachtungen[Don Dahlmann] über Netzpolitik [Netzpolitik.org], Netzkultur [Phlow], Musik [Popnutten], Popkultur [Retromedia] und Technologie-Blogs [fscklog] bis hin zu den beiden deutschen Weblog-Schwergewichten Spreeblick und Riesenmaschine.
Laut Lobo verzeichnen die im Netzwerk versammelten Blogs gemeinsam rund eine Million Besucher und zwei bis drei Millionen Seitenaufrufe pro Monat. Werbeeinschaltungen sollen je nach Format mit 20 bis 60 Euro für tausend Kontakte zu Buche schlagen.
ORF.at: Warum sollen Unternehmen in Weblogs werben?
Lobo: Dafür gibt es einen einfachen Grund. Die Zielgruppe ist sehr interessant. Ich glaube auch, dass in Blogs eine Art von Werbung gemacht werden kann, die sonst nirgendwo stattfinden kann. Nämlich genau auf die Zielgruppe zugeschnitten.
ORF.at: Warum haben Sie Ihr Werbenetzwerk jetzt gegründet?
Lobo: Zum einen ist in Deutschland 2006 eine inhaltliche Professionalisierung der Weblogs passiert. Das drückt sich auch dadurch aus, dass etwa Grimme Online Awards [vom deutschen Adolf-Grimme-Institut verliehener Qualitätspreis für Online-Publizistik, Anm.] massiv in die Blog-Welt verliehen werden.
Die Qualität der Blogs hat also stark zugenommen und wir wollen der Qualität folgend Werbeflächen rund um die Inhalte vermarkten.
ORF.at: Im Gegensatz zu Modellen im angloamerikanischen Raum, wo Werbung in Weblogs, abseits vom Google-Adsense-Programm, vor allem bei Nischenmedien funktioniert, sind die Inhalte der im Netzwerk angeführten Weblogs eher allgemeiner Natur. Kann das funktionieren?
Lobo: Da muss ich widersprechen. In unserem Netzwerk haben wir auch Weblogs mit inhaltlichen Schwerpunkten, etwa Netzwelt und Technologie, Musik und Konsum.
Daneben haben wir aber auch Weblogs, die ein breites Interessenspektrum abdecken und sich nicht eingrenzen lassen.
ORF.at: Nach welchen Kritieren wählen Sie die Weblogs für Ihr Werbenetzwerk aus?
Lobo: Wir wollen ein Qualitätsnetzwerk sein. Wir wählen die Blogs auch danach aus, wie verlässlich die Menschen sind, die hinter den Blogs stehen. Planungssicherheit ist uns wichtig.
Die Kommerzialisierung der Weblogs regt aber auch zu Diskussionen an. Deshalb sollten die Blogger in unserem Netzwerk auch eine gewisse Unempfindlichkeit gegenüber diesen Diskussionen haben.
In deutschen Weblogs wird das Werbenetzwerk naturgemäß kontroversiell diskutiert. Der Weblog-Index Technorati verzeichnet bereits mehr als 250 Blog-Einträge zu adical. Neben positiven Stimmen stößt die Vermarktungsinitiative auch auf Skepsis und Kritik. So zweifelt etwa der Autor ["Blogs! 15 Blogger über Text und Form im Internet"] und Blogger [Rebellen ohne Markt] Don Alphonso nicht nur die von adical veröffentlichten Zugriffszahlen der Netzwerk-Blogs an. Einige der im Netzwerk vertretenen Weblogs seien einfach "lausig geschrieben": "So was zu vermarkten ist die Arschlochkarte auch noch im Vergleich zum Gratisblättchen in Obermanchingsdorf", notierte Don Alphonso.
ORF.at: Bisher vermarkten Sie nur deutsche Blogs. Haben Sie auch österreichische Weblogs im Blickfeld?
Lobo: Wir haben auf österreichische und Schweizer Blogger verzichtet. Aus dem Grund, weil Werbemärkte in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich bedient werden. Wir würden uns mit der Vermarktung in mehreren Ländern auch etwas übernehmen.
ORF.at: Gibt es auch Auswahlkriterien für Werbetreibende?
Lobo: Ja, nicht jeder Kunde ist geeignet. Es gibt einige Firmen, die sich wie die Axt im Wald in der Blogosphäre verhalten haben. Denen müsste man absagen. Daneben kommen auch bestimmte Branchen nicht in Frage.
Viele Blogger sehen ihren Weblog als öffentliches Wohnzimmer. Da möchte man nicht jedes Produkt und jede Marke stehen haben. Klingeltonwerbung wird es etwa nicht geben.
ORF.at: Können Blogger die Werbung auch ablehnen?
Lobo: Ja, die Blogger können mitbestimmen. Es wird Black Lists geben, wo etwa vermerkt werden kann, welche Werbung man nicht möchte.
ORF.at: Wie sind die Reaktionen der Werbewirtschaft?
Lobo: Wir stehen in konkreten Verhandlungen mit verschiedenen möglichen Pilotkunden und haben generell sehr interessierte Reaktionen bekommen. Auch weil wir die Ersten in Deutschland sind, die Werbung in Weblogs in so großem Umfang anbieten.
Wir überlegen auch, Mitglied der IVW [Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern, Anm.] zu werden.
ORF.at: Welche Werbeformate sind geplant?
Lobo: Wir bieten klassische Bannerwerbung, Textlinks, aber auch innovative Formate an, etwa kommentierbare Werbung. Das sind Banner mit Link auf eine Kommentarseite, auf der zentral die Kommentare zur Werbung abgebildet werden. Damit werden wir experimentieren, aber auch mit anderen Formaten, die wir mit unseren Kunden gemeinsam konzipieren wollen.
ORF.at: Wie viel Geld bekommen die Blogger?
Lobo: 65 Prozent. Fünf Prozent der Einnahmen kommen in einen Topf, der Weblog-Autoren rechtliche Hilfe bei Abmahnungen bieten soll.
Wenn man davon ausgeht, dass unsere Blogger im Schnitt bei 2.000 Seitenaufrufen pro Tag liegen, können sie auf niedrige vierstellige Beträge im Monat kommen.
In seinem gemeinsam mit Holm Friebe geschriebenen, im vergangenen Oktober veröffentlichten Buch "Wir nennen es Arbeit" skizzierte Lobo, wie sich mit Hilfe neuer Technologien ein selbst bestimmtes Leben jenseits der Festanstellung führen lässt. Die so entstehende digitale Boheme entwickle sich zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor, sagten Lobo und Friebe im Interview mit ORF.at.
(futurezone | Patrick Dax)