EU-Bericht: Die Politik des Marktes
Der 12. Bericht der EU-Kommission zum Markt für elektronische Kommunikation bietet seitenweise Statistiken und erwähnt die bevorstehende Überwachungsmaßnahme "Data-Retention" gerade mit einem einzigen Satz.
Die EU-Kommission hat am Donnerstag in Brüssel den 12. Bericht "Elektronische Kommunikation in Europa - Regulierung und Märkte" vorgestellt, der die wichtigsten Statistiken des EU-IKT-Marktes für das Jahr 2006 präsentiert. Der Bericht berücksichtigt den Regulierungsstand in der Union bis zum 31.12.2006 und die Marktdaten in der Regel bis zum 1.10.2006.
Demnach umfasste der Markt für Informations- und Kommunikationstechnologien in der Europäischen Union im vergangenen Jahr insgesamt 645 Milliarden Euro. Davon entfielen 289 Milliarden auf Festnetz- und Mobilfunktelefonie, Festnetz-Datendienste und Kabeldienste. Der Gesamtumsatz der Branche stieg gegenüber dem Vorjahr um 2,3 Prozent. Von 2004 auf 2005 war er noch um 3,8 bis 4,7 Prozent gewachsen.
Insgesamt investierten die IKT-Unternehmen in der EU 47 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine Steigerung von fünf Prozent.
Die zitierten Daten beziehen sich auf die hier referenzierte "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen" vom 29. März 2007.
Festnetz runter, Breitband rauf
Die Erlöse aus der Festnetztelefonie gingen im untersuchten Zeitraum um 4,5 bis 5,1 Prozent zurück. Der Festnetz-Sprachtelefoniemarkt in der EU hat ein Volumen von geschätzt 83 Milliarden Euro.
Bei den Breitbanddiensten stiegen die Erlöse unterdessen um bis zu 8,5 Prozent. Hier ist der Markt 58,5 Milliarden Euro wert. In der gesamten Union wurden 2006 mehr als 20 Millionen neue Breitbandanschlüsse installiert, das waren 39 Prozent mehr als im Vorjahr. 15,7 Prozent der EU-Bevölkerung hatten bis Ende 2006 einen Breitband-Internet-Zugang. 2005 waren es noch 11,4 Prozent.
Österreich liegt laut dem Bericht mit einer Breitbanddurchdringung von 15,9 Prozent sehr knapp über dem Durchschnitt und nur an elfter Stelle der EU-Staaten.
Österreichische Marktdaten
Zum Bericht veröffentlichte die Kommission auch ein Faktenblatt mit Eckdaten zum österreichischen IKT-Markt. Insgesamt lobt die EU die hiesigen niedrigen Preise auf dem Mobilfunkmarkt. Die Marktdurchdringung in Sachen Mobiltelefonie betrug 108 Prozent, was leicht über dem EU-Durchschnitt von 103 Prozent liegt.
Auf dem österreichischen Breitbandmarkt scheint der Kommission die Konsolidierung des Markts leichte Kopfschmerzen zu bereiten. Implizit erwähnt der Bericht die Übernahme von inode durch UPC. Die Einkünfte im Breitbandgeschäft seien von 2004 auf 2005 [letzte verfügbare Daten] um 21,9 Prozent gewachsen.
Weiterhin mahnt das Datenblatt zu Österreich mehr Tariftransparenz auf dem Mobilfunkmarkt ein. Obwohl die RTR eine Tariftabelle führe, sei der Preisvergleich immer noch schwierig.
"Reifender" Mobilfunkmarkt
Mit Mobilfunkdiensten lukrierten die Anbieter 2006 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. In der EU gibt es rund 478 Millionen Mobilfunknutzer. Der Gesamtmarkt für Mobilfunk hat ein Volumen von geschätzt 133 Milliarden Euro. Die Marktdurchdringung mit Mobiltelefonen überschritt 2006 in der ganzen Union zum ersten Mal die 100-Prozent-Grenze und liegt bei 103 Prozent. Insgesamt schreibt die Kommission daher von einem "reifenden Markt".
3G setzt sich langsam durch
Zehn bis 15 Prozent der Mobilfunkabonnenten in Europa verfügten über ein Handy, mit dem sie auf 3G-Dienste wie UMTS zugreifen könnten.
Die Kommission bekräftigt im vorliegenden Bericht nochmals ihre Kritik an den hohen Roaming-Preisen in Europa. Die EU werde bis zum Sommer 2007 eine Roaming-Verordnung verabschieden.
Den Gesamtwert aller elektronischen Kommunikationsdienste, die das Funkfrequenzspektrum benutzen, schätzt die EU auf mehr als 200 Milliarden Euro.
Internationalisierung
Für europäische Provider wird das internationale Geschäft immer wichtiger. Laut EU-Bericht erzielen die Betreiber mittlerweile im Durchschnitt ein Drittel ihrer Erlöse außerhalb ihres Ursprungslandes.
Die Wertentwicklung der IKT-Anbieter unterliegt in Europa noch starken Schwankungen. Das sei darauf zurückzuführen, dass die "etablierten Anbieter" - meist privatisierte Ex-Monopolisten - noch zu durchschnittlich 60 Prozent ihres EBITDA-Ergebnisses von "herkömmlichen Tätigkeiten" im Sprachtelefonie- und Zugangsmarkt abhängig seien.
Die traditionelle Sprachtelefonie sei aber stark unter Druck, etwa durch VoIP-Anwendungen. Immerhin 19 Prozent aller EU-Haushalte abonnieren einen "gebündelten" Kommunikationsdienst, die meisten darunter eine Kombination aus Breitband-Internet-Zugang und Festnetztelefonie.
Kritik an VoIP-Regelungen
Die Kommission kritisiert in dem Bericht, dass es in den EU-Staaten unterschiedliche Nummernpläne für Voice-over-IP-Dienste gebe. Einige Mitgliedsländer ermöglichten es den VoIP-Unternehmen, nicht geografisch gebundene Nummern anzubieten, andere dagegen bestünden auch weiterhin wie zu Zeiten der alten Telefonie auf der geografischen Bindung von VoIP-Nummern.
Die Kommission ist der Meinung, dass diese Unterschiede die Möglichkeiten der Marktteilnehmer einschränken, und will das Problem im Zug einer Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen lösen.
"Data-Retention": Beredtes Schweigen
Während den EU-Bemühungen um eine Harmonisierung der Notrufnummern mehr als eine Seite im Bericht gewidmet ist, erwähnt die Kommission die von ihr mitverantwortete Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gerade mit einem einzigen Satz: "2006 wurde eine separate Richtlinie über die Speicherung von Verkehrsdaten für Zwecke der Strafverfolgung vereinbart, die die Mitgliedsstaaten 2007 umzusetzen haben", heißt es da auf Seite 18 des Berichts an das Parlament.
Dabei hat die Kommission mit der "Data-Retention" eine gewaltige Belastung von Infrastruktur und Finanzen der europäischen Kommunikationsdienstleister mitzuverantworten. Zahlen wie die von der ISPA geschätzten 700 Millionen Euro, die allein österreichische Provider im Jahr für die Umsetzung dieser Richtlinie tragen müssen, kommen im ansonsten nicht mit Statistiken geizenden Bericht nicht vor.
(futurezone | Günter Hack)