Breitbandausbau in Eigeninitiative
Die ARGE Glasfaser Waldviertel versorgt Bewohner rund um die Orte St. Martin, Großschönau und Bad Großpertholz mit schnellem Internet. Die Gemeinden stellen die Infrastruktur, Dienste werden zugeliefert. Das Projekt hatte aber manche Hürde zu überwinden.
World Wide Web fürs Waldviertel
2003 wurde in den Waldviertler Gemeinden Großschönau und St. Martin von den zuständigen Bürgermeistern die Idee geboren, dass auch ihre Orte ins World Wide Web sollten.
Zu diesem Zeitpunkt waren ISDN-Leitungen von der Telekom Austria die einzige und vor allem vergleichsweise langsame Möglichkeit, ins Internet einzusteigen.
500 Haushalte sind erschlossen
Also wurde beschlossen, im Zuge des ohnedies anstehenden Kanalbaus in den interessierten Gemeinden auch gleich die notwendigen Verrohrungen für die so genannte letzte Meile [Fiber to the home - FTTH] mit einzugraben - die ARGE Glasfaser Waldviertel war geboren.
Rund zwei Jahre nach dem Start ziehen die Bürgermeister Peter Höbarth [St. Martin] und Martin Bruckner [Großschönau] im Gespräch mit ORF.at eine positive Bilanz: Rund 500 Haushalte seien angeschlossen, die 1.000er-Marke in Sicht.
"Investition muss sich selber tragen"
"Das Glasfaser-Netz selbst zu legen und dann zu vermieten war von Anfang an geplant", so Höbarth über die Beweggründe des ambitionierten Projekts.
"Die Investition muss sich selber tragen", erklärt Bruckner weiter. "Ab einer Nutzung von 50 Prozent rentiert es sich".
Zu den Gemeinden gehören auch noch eine Reihe kleinerer Orte, die im Zuge der Verlegung ebenfalls angeschlossen werden.
Finanzierung über Leitungsmieten
Die Projektkosten von insgesamt einer Million Euro, der Löwenanteil davon entfällt auf die kostspieligen Grabarbeiten, tragen die Gemeinden selbst.
Refinanziert wird über die Leitungsmieten, die der vorläufig einzige Internet-Anbieter WVNET aus Zwettl gemäß der RTR-Bestimmungen für offene Netzwerke pro Nutzer und Monat an die Gemeinden zahlen muss [10,45 Euro für Internet, für VoIP 50 Prozent extra].
Der Kunde zahlt bei WVNET für 512 KBit/s Downloadgeschwindigkeit [256 KBit/s Upload - EDSL Easy] mit 500 MB Datenvolumen und VoIP-Anschluss [Gesprächsgebühren extra] 29,90 Euro. Der Anschluss kostet einmalig 300 Euro, bestellt wird direkt im Gemeindeamt.
Laut WVNET finden die meisten Nutzer mit den Paketen EDSL easy und EDSL Privat [1.280 KBit/s Down, zwei GB Datenvolumen, VoIP kostet sechs Euro extra] ihr Auskommen. Fast 90 Prozent der Kunden nutzen zudem Internet-Telefonie.
Geplant: Intranet und Video-Verleih
Doch der Internet-Zugang alleine reicht den Bürgermeistern nicht. Derzeit wird ein eigenes Intranet, etwa für die neuesten Fotos vom letzten Ball, geplant, erste Schulungen für die Benutzung der Software und der Datenbank gab es bereits.
Die jüngeren Gemeindemitglieder wissen schon etwas mit dem Netz anzufangen. "Die katholische Jugend veranstaltet regelmäßig LAN-Partys", erzählt Höbarth.
Engpass Backbone
In Verhandlungen sind die Gemeinden auch mit einem Anbieter für TV über Glasfaser, wobei sich das Angebot nicht auf Fernsehen beschränken soll: "Video-on-Demand oder Time-Shift sind technisch kein Problem", so Höbarth, der hofft, dass sich dadurch neue Nutzer für einen Glasfaser-Anschluss begeistern können. Durch das offene Netz sei die Möglichkeit für weitere Angebote [theoretisch] unbegrenzt.
Bisher müssen sich die Nutzer allerdings noch einen eher unterdimensionierten Backbone mit zwei MBit von der Telekom Austria teilen, demnächst soll ein acht MBit-Backbone von der nökom folgen. Dann kann auch der eigene Glasfaserswitch fallen.
Selbst ein eigenes Gemeinde-TV sei vorstellbar, so Höbarth, die Infrastruktur dafür ist vorhanden: Intern ist das Netzwerk auf 100 MBit/s ausgelegt.
~ Link: Fernsehen zum Selbermachen (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=145406v2) ~
"Leicht war es nicht"
Auf die Frage, wie denn die Unterstützung von Seiten des Landes bzw. der anderen Anbieter war, geben sich die Bürgermeister eher zugeknöpft: "Leicht war es nicht." Es habe durchaus Widerstände gegeben, erzählen die Bürgermeister, ohne ins Detail gehen zu wollen.
Der Zuspruch der Gemeindebewohner zeige aber, dass sich die Mühen gelohnt haben, ergänzt Bruckner.
NÖ-Breitband mit 384 KBit/s
Parallel zur ARGE Breitband Waldviertel startete das Land Niederösterreich die Ausschreibung für seine Version von Breitband-Internet mit einer vorgeschriebenen Mindestgeschwindigkeit von 384 KBit/s, die schließlich von der EVN-Tochter nökom unter dem Titel Wavenet mittels WLAN realisiert wurde.
Die im Rahmen der NÖ-Breitband-Initiative des Landes, die vor allem auf Klein- und Mittelbetriebe abzielte und Ende 2006 auslief, bereit gestellten Fördergelder von 14,5 Mio. Euro erhielt Wavenet.
Die EVN gehört zu 50 Prozent dem Land Niederösterreich, wobei die nökom wiederum eine 50-Prozent-Tochter der EVN ist.
Keine Pläne für Niederösterreich
Für die Zukunft hat die ARGE Glasfaser Waldviertel noch viel vor: "Wir sind mit unserem Glasfasernetz für die Zukunft gerüstet", zeigen sich die Bürgermeister optimistisch. Nun komme es darauf an, wie schnell auch die Anbindung an das "echte" Internet passiere.
Dazu gibt es im Land Niederösterreich laut dem zuständigen IT-Infrastruktur-Ansprechpartner Christoph Westhauser vorerst allerdings keine Pläne: "Der erste Schritt ist geschafft, ganz Niederösterreich ist über Wavenet mit Breitband versorgt."
"Eine politische Frage"
"Derzeit warten wir ab, was weiter passiert", so Westhauser gegenüber ORF.at. Infrastruktur sei eigentlich Sache des Bundes, das Land sei hier nur eingesprungen, damit Breitband-Internet so rasch wie möglich realisiert werde. "Der Rest ist eine politische Frage" - für deren Beantwortung er als Beamter allerdings nicht zuständig sei.
Die Bürgermeister der ARGE Glasfaser Waldviertel haben zumindest diese Frage für ihre Gemeinden bereits gelöst.
Laut Website der niederösterreichischen Landesregierung haben derzeit 92 Prozent der Wohnbevölkerung und über 95 Prozent der Wirtschaftsbetriebe die Möglichkeit, einen Anschluss nach den Breitband-Kriterien des Landes zu nutzen.
(futurezone | Nadja Igler)