EMI sprengt Kopierschutz-Ketten
Der britische Musikkonzern EMI veröffentlicht seinen gesamten Katalog künftig auch zum "Premium-Download" in höherer Soundqualität und ohne Kopierschutz, allerdings zu einem höheren Preis. Im iTunes Music Store sollen die "Premium"-Tracks, die auf allen gängigen Musik-Playern abgespielt werden können, ab Mai erhältlich sein.
Montagnachmittag trat EMI-Chef Eric Nicoli in London vor die Presse, um, wie er sagte, eine "wichtige Ankündigung" zu machen. EMI werde ab sofort "Premium-Downloads" seines gesamten Repertoires - von Robbie Williams bis Kylie Minogue - im Online-Musikhandel anbieten, verkündete Nicoli.
Bessere Qualität, kein DRM
Diese sollen mit einer Enkodierung von 256 kBit/s nicht nur eine höhere Sound-Qualität aufweisen als herkömmliche Musikfiles [128 kBit/s], sondern auch ohne Digital-Rights-Management-System [DRM] wahlweise in den Formaten AAC, WMA oder MP3 [aber auch in jedem anderen kopierschutzfreien Musikformat] ausgeliefert werden. Damit können die Songs auf allen gängigen Musikplayern abgespielt und beliebig oft auf CD gebrannt werden.
EMI verabschiedet sich damit als erster der großen Musikonzerne [Universal Music, Warner Music, Sony BMG] von Kopierschutzbeschränkungen im Online-Musikhandel.
Höherer Preis
Qualität habe jedoch auch ihren Preis, sagte Nicoli. Als Einzel-Downloads sollen die DRM-freien EMI-Songs künftig mit 1,29 Euro um 30 Cent mehr kosten als kopiergeschützte Songs in schlechterer Sound-Qualität.
DRM-freie Alben sollen hingegen ohne Aufpreis erhältlich sein, kündigte Nicoli an. Damit wolle man den Kauf kompletter Alben fördern, sagte der EMI-Chef.
EMI wolle seinen Kunden das bestmögliche digitale Musikerlebnis bieten, argumentierte Nicoli. Zahlreiche Umfragen und Tests mit DRM-freien Tracks hätten gezeigt, dass für Online-Musikkäufer die Interoperabilität der verschiedenen Musikformate und hohe Sound-Qualität wichtig seien. Dafür seien sie auch bereit tiefer in die Tasche zu greifen, meinte Nicoli.
Ab Mai im iTunes Music Store
Als Stargast in London trat Apple-Chef Steve Jobs auf. Er kündigte an, dass das EMI-Repertoire ab Mai im iTunes Music Store im Musikformat AAC ohne Kopierschutz erhältlich sein werde. Daneben soll es künftig auch allen anderen Labels freigestellt werden, ihre Musik ohne Kopierschutz zu verkaufen.
Kunden, die bereits gekaufte Songs in kopierschutzfreie Versionen in höherer Qualität "upgraden" wollen, könnten das für 30 Cent pro Song machen, kündigte Jobs an.
Bis Jahresende, so Jobs, würden im iTunes Store mehr als 2,5 Millionen Songs ohne Kopierschutzbeschränkungen erhältlich sein.
IPods großteils mit CD-Songs befüllt
Dass DRM-freie Songs dem Umsatz mit Apples Musik-Player iPod schaden, glaubt Jobs nicht. Auch schon bisher sei der Großteil der auf dem iPod abgespielten Musik nicht aus dem iTunes Music Store gekommen, sondern von CDs gerippt worden.
Online-Musikkäufer hätten künftig die Wahl zwischen kopiergeschützter Musik in schlechterer Qualität zu einem billigeren Preis und höherwertigen Downloads ohne Kopierschutz, sagte Jobs.
Jobs hatte vor kurzem eine Kopierschutzdiskussion losgetreten: In einem Aufsehen erregenden Text sprach er sich dafür aus, Musik im Internet künftig ohne jeden Kopierschutz zu verkaufen. "DRM-Systeme haben nie funktioniert und werden die Musikpiraterie niemals aufhalten", schrieb Jobs.
Keine Beatles-Downloads
Im Vorfeld der EMI-Pressekonferenz war auch darüber spekuliert worden, dass EMI auch den Verkauf von Beatles-Musik über das Netz ankündigen werde. Daraus wurde jedoch nichts. Statt Beatles-Songs war ein kurzes Live-Set der neuen Band des Blur-Sängers Damon Albarn, The Good, the Bad and the Queen, zu hören.
Deren jüngste Single "Kingdom of Doom" kann als erster EMI-"Premium-Download" ab sofort von der Website der Band heruntergeladen werden.
"Vertriebskanal für Musiker schwierig"
Peter Rantasa, Direktor des mica [music information center austria], begrüßte den Schritt gegenüber ORF.at: "Unter der mangelnden Interoperabilität der verschiedenen Kopierschutzformate hatten nicht nur die Konsumenten zu leiden. Auch für viele kleinere Labels und unabhängige Musiker wurde der Vertriebskanal dadurch schwierig", sagte Rantasa: "Im mica-Download-Shop Manymusics.org hat dieses Feature auch niemand genutzt, obwohl es die Interessenverbände zuvor gefordert hatten."
Schritt in Richtung Erwachsenwerden
Der Verkauf von Musik ohne Kopierschutzbeschränkungen in höherer Soundqualität sei ein erster Schritt in Richtung Erwachsenwerden des Online-Musikmarktes, meinte Rantasa. Flexible Preisgestaltung und differenzierte Angebote seien auch im Sinne einer musikalischen Vielfalt wichtig.
Offene Fragen
Für ihn blieben jedoch auch einige Fragen offen. So sei etwa die Frage nach der Investitionssicherheit für Musiksammler zu stellen. Kunden, die etwa im iTunes Music Store Downloads in einer niedrigeren Auflösung gekauft hätten, müssten nun für eine bessere Sound-Qualität aufzahlen, obwohl ihnen Downloads in CD-Qualität, aber vor allem auch zu CD-Preisen verkauft wurden.
Auch habe ihnen damals niemand gesagt, dass man wegen der schlechteren Tonqualität, die auch ein Tribut an die mangelnden Bandbreiten war, weniger bezahle, kritisierte Rantasa.
Es wäre auch interessant zu erfahren, wie viel von den 30 Cent, die für die bessere Sound-Qualität zu bezahlen sind, den Musikschaffenden und Künstlern zugute käme, in deren Namen ja DRM auch immer legitimiert wurde, so Rantasa.
Rantasa schrieb vor kurzem für Ö1 eine Netz-Kolumne zum Thema DRM:
(futurezone | Patrick Dax)