"Schockwellen in der Musikindustrie"

03.04.2007

Der Entscheidung des Musikkonzerns EMI, seine Musik künftig auch ohne Kopierschutz zu verkaufen, werden nach Meinung von Branchenbeobachtern auch Universal Music & Co. folgen. Unter Online-Musikanbietern herrscht Aufbruchsstimmung. Auch Konsumentenschützer begrüßen den Schritt.

Der am Montag verkündete Vorstoß von EMI, seine Musik künftig auch ohne Kopierschutz online zu verkaufen, habe "Schockwellen durch die Musikindustrie" gesandt, sagte Mark Mulligan, Branchenanalyst beim Marktforschungsunternehmen Jupiter Research, gegenüber der "New York Times".

Wichtige Grundlage

Mulligan sieht im Verkauf DRM-freier Tracks durch EMI die Grundlage dafür, dass Musik-Downloads breitere Publikumsschichten ansprechen können.

Das sollte die erste Phase einer progressiven Strategie der Musikkonzerne sein, die letztlich dazu führen werde, dass Konsumenten mit ihren digitalen Musikkäufen dasselbe machen können wie mit einer gekauften CD, schrieb er in seinem Weblog.

Am Montag gab EMI bekannt, künftig seinen gesamten Katalog auch zum "Premium Download" in höherer Soundqualität und ohne Kopierschutz anbieten zu wollen. Allerdings zu einem höheren Preis. Im iTunes Music Store sollen die "Premium"-Tracks, die auf allen gängigen Musik-Playern abgespielt werden können, zuerst erhältlich sein.

Warten auf Universal & Co.

Mulligan rechnet damit, dass auch die EMI-Konkurrenten Universal, Warner Music und Sony BMG schon bald Musik ohne Kopierschutz im Online-Musikhandel anbieten werden.

Auch für andere Branchenbeobachter ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Universal & Co. auf den DRM-frei-Zug aufpsringen werden.

James McQuivey vom Marktforschungsinstitut Forrester Research rechnet eher mit einem zögerlichen Vorgehen der Majors. Diese werden erst einmal abwarten, ob die Nachfrage tatsächlich steigt, sagt er gegenüber dem Technologieportal CNet.

ITunes-Konkurrenz begrüßt den Schritt

Die iTunes-Konkurrenten im Online-Musikgeschäft zeigten sich über den EMI-Vorstoß erfreut. Nun könne auch Musik, die in anderen Online-Musik-Shops gekauft wurde, problemlos auf dem iPod abgespielt werden, sagte RealNetworks-Chef Rob Glaser gegenüber Digital Music News.

Sein Online-Musik-Shop Rhapsody wird ebenso wie zahlreiche Anbieter schon bald auch DRM-freie EMI-Musik verkaufen.

Mit DRM, wie es auch in die im iTunes Music Store von Apple angebotenen Titel eingebaut ist, versucht die Musikindustrie das Kopieren ihrer Produkte zu beschränken. Da FairPlay, das DRM-System von Apple, nur mit iPods und iTunes kompatibel ist, konnten Apple-Kunden bisher gekaufte Musik nur innerhalb des Apple-Systems abspielen. Bei den geschlossenen Systemen von Sony und Microsoft verhielt es sich nicht anders.

Auch Microsoft überlegt

Auch Microsoft, das im vergangenen Herbst in den USA den Zune Market Place gestartet hat, könnte schon bald Musik ohne Kopierschutzbeschränkungen verkaufen, berichtet das Weblog Engadget.

In einer Aussendung wies der Software-Riese und DRM-Anbieter aus Redmond jedoch auch auf die Bedeutung von DRM-Technologien im Online-Musikgeschäft hin. Musik-Abo-Angebote wären ohne Kopierschutztechnologien nicht möglich, hieß es.

Konsumentenschützer optimistisch

"Dies ist ein wichtiger Teilschritt zur Erfüllung unserer Forderungen. Nun müssen die anderen Musikkonzerne nachziehen", kommentierte Patrick von Braunmühl vom Bundesverband der deutschen Verbraucherzentralen [vzbv] den Verkauf DRM-freier Musik durch EMI.

Die deutschen Konsumentenschützer forderten gemeinsam mit Verbraucherorganisationen aus Frankreich, Finnland und Norwegen mehr Kundenorientierung beim Angebot digitaler Inhalte. Online-Musik-Shops wurden wegen proprietärer Kopierschutztechnologien von den Konsumentenschützern scharf kritisiert.

"Teilschritt in die richtige Richtung"

Auch Harald Glatz, Leiter der Abteilung Konsumentenschutz in der Arbeiterkammer [AK], sprach von einem "Teilschritt in die richtige Richtung", der sich sicherlich auch befruchtend auf den Online-Musikmarkt auswirken werde. Jetzt müsse noch sichergestellt werden, dass die Interoperabilität im Online-Musikhandel auch tatsächlich gegeben sei, sagte Glatz gegenüber ORF.at.

Als ein weiteres Problem im Online-Musikhandel bezeichnete Glatz die regionale Begrenzung von Angeboten, die zur Folge hat, dass etwa europäische Kunden in US-Online-Musik-Shops nicht einkaufen können: "Da spricht man überall von Globalisierung, aber für die Konsumenten gilt das offenbar nicht."

Eine im Oktober vergangenen Jahres durchgeführte Erhebung der AK Wien stellt den von Österreich aus zugänglichen Musik-Download-Angeboten ein vernichtendes Zeugnis aus: "Die allgemeinen Geschäftsbedingungen [AGB] sind intransparent, kundenfeindlich und unklar."