Es gärt im Siemens-Betriebsrat
In der Affäre um angebliche Schmiergeldzahlungen an Arbeitnehmervertreter bei der deutschen Siemens hält der Betriebsrat auch schwarze Schafe aus den Reihen der IG Metall für möglich.
"Wir gehen davon aus, dass auch in unseren Reihen Fälle hochkommen werden", sagte Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann einer deutschen Wirtschaftszeitung. "Ich möchte nicht für alle der mehr als hundert IG-Metall-Betriebsratsvorsitzenden bei Siemens die Hand ins Feuer legen." Heckmann ist zugleich Aufsichtsratsvize bei der deutschen Siemens. Laut einem "Spiegel"-Bericht wollen mehrere Siemens-Aufsichtsräte den Chef des Kontrollgremiums, Heinrich von Pierer, zum Rücktritt drängen.
Gewerkschaft der Unternehmer
Im Mittelpunkt der Affäre steht der Ex-Chef der Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte [AUB], Wilhelm Schelsky. Er soll von Siemens 15,5 Millionen Euro ohne Gegenleistung erhalten haben. Heckmann rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Staatsanwaltschaft bald auch das Büro des Gesamtbetriebsrats durchsuchen wird. "Wenn es schwarze Schafe gibt, dann werden sie bei der AUB und bei der IG Metall auffliegen." Die Gewerkschaft hatte am Montag Strafanzeige gegen die AUB gestellt. Sie vermutet, dass die als arbeitgebernah geltende AUB von Siemens finanziert wurde, gewissermaßen als Gegengewicht zur IG Metall.
Die AUB distanzierte sich inzwischen von ihrem Gründer und ehemaligen Chef Schelsky, der zurzeit in Untersuchungshaft sitzt. Die AUB-Vize Ingrid Brand-Hückstädt warf Schelsky vor, der Organisation erheblichen Schaden zugefügt zu haben. Der Vorstand habe von seinen Machenschaften nichts gewusst. "Die AUB übt keinen Druck auf ihre Mitglieder aus, weder direkt noch indirekt", betonte sie. "Bei uns wird keiner bestochen oder nach Brasilien geschickt." Die alternative Betriebsräteorganisation habe niemals Geld oder andere Leistungen von Siemens erhalten. Die AUB kündigte die Wahl eines neuen Vorstands an.
Von Pierer soll zurücktreten
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vorab berichtete, wollen in diesem Zusammenhang inzwischen mehrere Kapital- und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ihren Vorsitzenden von Pierer zum Rücktritt bewegen. Damit solle dem von Affären geplagten Konzern ein personeller Neuanfang ermöglicht werden. Schließlich fielen die möglichen Schmiergeldzahlungen und heimlichen Zuwendungen an die AUB großteils in die Zeit, als von Pierer Siemens-Chef war.
Der freigestellte Siemens-Zentralvorstand Josef Feldmayer, der im Zusammenhang mit der Bestechungsaffäre am 23. März verhaftet worden war, befindet sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß, der Vollzug seiner Untersuchungshaft ist vorübergehend ausgesetzt.
(AFP)