EU: Roaming-Obergrenze bei 40 Cent
Das EU-Parlament hat am Donnerstag für deutliche Preissenkungen bei Handytelefonaten im Ausland gestimmt - aktive Gespräche sollen künftig nicht mehr als 40 Cent, passive nicht mehr als 15 Cent plus Mehrwertsteuer kosten. Die heimischen Mobilfunker geben sich eher abwartend, nur Hutchison begrüßt die Initiative.
Das Europaparlament hat die Weichen für eine starke Senkung der Handygebühren bei Auslandsgesprächen in der EU gestellt. Mit großer Mehrheit stimmte der federführende Industrieausschuss am Donnerstag in Brüssel für einen entsprechenden Vorschlag.
Per EU-Verordnung sollen demnach die Roaming-Gebühren im EU-Ausland für abgehende Gespräche auf höchstens 40 Cent pro Minute und bei ankommenden Gesprächen auf 15 Cent begrenzt werden.
"Opt-out" statt "Opt-in"
Der Tarif soll grundsätzlich für alle Handykunden gelten, die sich nicht ausdrücklich dagegen entscheiden, weil sie etwa ein Pauschalangebot nutzen wollen.
Der Berichterstatter, der ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig, der sich für die freie Wahl der Handykunden ausgesprochen hatte, warnte neuerlich vor den Auswirkungen der "Zwangstarife" auf die Telekom-Firmen und die Kunden. Rund zehn Millionen Kunden, die bisher von verschiedenen individuellen Tarifmodellen profitiert hätten, würden diesen Vorteil möglicherweise vorübergehend verlieren.
Abstimmung im Plenum am 9. Mai
Die Abstimmung im Plenum ist für den 9. Mai vorgesehen. Bis zur Sommerpause wollen die Parlamentarier einen Kompromiss mit den zuständigen Fachministern der 27 EU-Länder finden. Der Ministerrat hat bereits prinzipiell grünes Licht gegeben.
Während die Mobilfunker Umsatzeinbußen fürchten, erläuterte die Kommission jüngst in einer Studie, dass viele Europäer mehr Services nutzen würden, wenn die Gebühren gesenkt werden.
Strenger als EU-Ratspräsidentschaft
Mit diesen Vorschlägen gingen die Abgeordneten noch über die Pläne der EU-Regierungen hinaus. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte Obergrenzen von 50 Cent für abgehende Gespräche und 25 Cent für ankommende Gespräche vorgeschlagen.
Rübig sprach nach dem Votum von einem "starken Signal" des EU-Parlaments für die Konsumenten und die Telekom-Industrie und einer guten Verhandlungsbasis mit dem Rat.
Damit wäre es möglich, das Versprechen, die günstigeren Roaming-Tarife noch in dieser Urlaubssaison umzusetzen, einzuhalten, eine genaue Zeitangabe sei aber nicht möglich.
Baldiges In-Kraft-Treten?
Nach den Vorstellungen des Parlaments sollen die im Schnitt um 70 Prozent niedrigeren Tarife für Auslandsgespräche einen Monat nach Veröffentlichung des Beschlusses in Kraft treten, die neuen Obergrenzen für Großhandelstarife von rund 23 Cent sofort.
Die Mobilfunkkunden müssten zudem per SMS über die Auslandstarife für Gespräche, aber auch Datentransfer und SMS informiert werden, wenn sie ein Land verlassen.
Ausschussvorsitzende Angelika Niebel [CSU] erwartet dagegen erst im Herbst bzw. Ende des Jahres die tatsächliche Umsetzung.
Mobilfunker noch abwartend
Bei den heimischen Mobilfunkern gibt man sich vorerst eher abwartend, was die Senkung der Roaming-Gebühren angeht.
"Wenn diese Entscheidung in einer Verordnung mündet, werden wir diese natürlich befolgen", so One-Sprecherin Petra Jakob zu ORF.at. Derzeit gebe es aber noch keine detaillierten Informationen für die Betroffenen - also die Mobilfunkbetreiber. Sie würden alles nur über die Medien erfahren.
Generell stelle die Umsetzung aber eine große Herausforderung für die Betreiber dar, weil sehr komplexe IT-Systeme im Hintergrund angepasst und Roaming-Verträge mit europäischen Partnern neu ausverhandelt werden müssten. "Je mehr Zeit wir dafür haben, desto besser", so Jakob.
T-Mobile pocht auf Wahlmöglichkeit
Auch T-Mobile-Sprecherin Andrea Karner zeigt sich kooperationsbereit: "Wenn das beschlossen wird, halten wir uns daran." T-Mobile habe jedoch gehofft, dass der Wettbewerb die Preise auch im Ausland selber regulieren würde. Eine solche Umstellung bedeute einen großen technischen Aufwand, T-Mobile habe aber mit seiner internationalen Roaming-Initiative im Vorjahr bereits vorgearbeitet.
Im vergangenen Sommer angebotene Urlaubstarife für 33 Cent lägen bereits unter den nunmehrigen Forderungen des EU-Parlaments. Auch für den kommenden Sommer seien wieder entsprechende Tarifmodelle geplant.
Dass der "Euro"-Tarif automatisch für alle Kunden gelten soll, sieht Karner als nicht zielführend: "Unsere Kunden sind es gewohnt, selber zu wählen." Die Roaming-Einnahmen betrügen derzeit bei T-Mobile Austria rund zehn bis 15 Prozent vom Gesamtumsatz.
Im Interview mit ORF.at erklärte Paul Rübig vor kurzem seinen Roaming-Bericht und zeigte sich optimistisch, dass dieser noch vor dem Sommer in erster Lesung abgesegnet wird.
Hutchison begrüßt EU-Verordnung
Hutchison-Austria-Chef Berthold Thoma begrüßt den EU-Vorstoß: "Wir sind der EU mehr als dankbar, dass sie eingreift, weil die Großen ihre Marktposition ausnützen." Enttäuscht zeigte er sich aber darüber, dass Datendienste vorerst aus der Regelung ausgenommen werden.
Durchaus vorbildhaft ist der Hutchison-Vorstoß, Roaming-Gebühren innerhalb seiner Schwesternetze aufzuheben. In Ländern ohne eigenes Netz sei man aber weiter abhängig von Vodafone, T-Mobile, Telefonica und Co.
Inlandstarife nicht in Gefahr
Die Argumentation der Mitbewerber, dass durch die Regelung die Inlandspreise gefährdet seien, bezeichnet Thoma schlichtweg als Witz. "Wir erhöhen unsere Tarife sicher nicht, freuen uns aber natürlich über Mitbewerber, die das tun wollen", so Thoma zu ORF.at.
Thoma setzt sich weiters für die Opt-out-Regelung ein, also dafür, dass die neuen Tarife automatisch bei allen Kunden zur Anwendung kommen.
(Reuters | dpa | Nayla Haddad)