Kampf um die Dominanz bei Online-Video
Der Kampf um die Dominanz auf dem Online-Videomarkt wird zusehends härter. Die Software-Anbieter Microsoft und Adobe treten jetzt mit neuen Streaming- und Viewer-Technologien frontal gegeneinander an.
Anlässlich der wichtigen Messe der National Association of Broadcasters [NAB] haben sowohl Microsoft als auch Adobe neue Lösungen für das Online-Videostreaming vorgestellt. Dabei greifen die beiden Unternehmen an der jeweils starken Stelle des Gegners an.
Microsoft will IPTV
Redmond bietet nach eigenen Worten mit der Microsoft TV Internet Protocol Television Edition ein ganzes "Ökosystem" für Online-Videoanbieter an. Dabei handelt es sich allerdings in weiten Teilen um eine Rekombination altbekannter Server- und Encoding-Technologien.
Die Servertechnik kommt von AMD, Intel und Sun, und Pirelli Broadband Solutions bietet eine Set-Top-Box an, die sowohl mit herkömmlichen Fernsehsignalen als auch mit den Videostandards H.264 und VC-1 klarkommen soll.
Silverlight soll Adobe heimleuchten
Für die Endkunden bringt Microsoft mit Silverlight ein Plug-in für Internet Explorer, Firefox und Safari, das Videodateien im WMV-Standard anzeigen kann. Als Technologiepartner sind unter anderem Akamai, Brightcove, Netflix und die US-Baseball-Oberliga mit an Bord. Silverlight soll als Player für Internet-TV, Kiosk-Anwendungen und Video-on-Demand dienen.
Serverseitig kommt nach den Vorstellungen von Microsoft der neue Interactive Media Manager zum Einsatz. Medienfirmen können mit dieser Erweiterung des bekannten SharePoint-Servers ihre Daten verwalten und für die Medienindustrie spezifische Arbeitsabläufe einrichten.
Mit dem VC-1-Encoder SDK stellt Microsoft auch eine neue Lösung zur Aufbereitung von Videodaten fürs Netz vor.
Adobe schlägt zurück
Microsofts Silverlight ist eine klare Kampfansage an Adobes Flash-Technologie. Das wiederum kann der Platzhirsch des Publishing-Sektors nicht auf sich sitzen lassen und kontert mit dem lokal auf dem Rechner installierbaren Adobe Media Player, der Flash-Video auf den Desktop bringen soll. Auf der NAB wird nur eine Vorab-Version des neuen Players gezeigt.
Das Konzept erinnert vage an den freien Videoplayer Democracy aka Miro. So kann der User im Adobe Media Player RSS-Feeds abonnieren und ihn so konfigurieren, dass er periodisch erscheinende Inhalte automatisch herunterlädt.
DRM und User-Tracking
Im Gegensatz zu seinem freien Gegenstück soll der Adobe-Player allerdings integraler Bestandteil eines Gewinn bringenden Mediengeschäftsmodells sein. Anbieter von Inhalten können selbstverständlich ihre Videos mit diversen DRM-Optionen verschlüsseln und sogar das Aussehen des Players im Betrieb modifizieren.
Besonders stolz ist Adobe auf die zahlreichen Optionen zur Verfolgung der Nutzer-Gewohnheiten, auf deren Grundlage es Werbetreibenden dann möglich sein soll, ihre Botschaften gezielt an den Mann zu bringen.
Video spielt eine wichtige Rolle bei der Markteinführung von Adobes Technologieplattform "Apollo", mit der es Web-Entwicklern vereinfacht werden soll, ihre Erfahrungen auch zur Gestaltung von Anwendungen zu nutzen, die lokal und unabhängig vom Internet auf dem Computer laufen.
Auch in Sachen Online-Videobearbeitung ist Adobe aktiv. Gemeinsam mit dem Anbieter BrightCove soll demnächst ein Dienst namens Aftermix ans Netz gehen, der es den Benutzern erlauben soll, ihre Videos im Browser zu schneiden.
Jeder will TV 2.0
Die Bemühungen von Adobe und Microsoft gehen in die Richtung, etablierten Medienhäusern und Content-Produzenten möglichst umfangreiche geschlossene und DRM-geschützte Systeme zum Vertrieb ihrer Inhalte bieten zu können. Hochwertige Codecs sollen auch das bisherige Qualitätsdefizit gegenüber dem traditionellen Fernsehen verringern. Nur die Bandbreiten müssen da noch mitwachsen.
Gleichzeitig wird das Online-TV mit Systemen zur Verfolgung der User-Gewohnheiten aufgerüstet, die das Fernsehen den Werbetreibenden in dieser Präzision nicht bieten kann. Das wiederum rührt an den ökonomischen Grundlagen des werbefinanzierten Fernsehens.
An Microsoft und Adobe vorbei greifen aber auch Start-ups mit neuen Ideen nach der Hoheit auf dem Videomarkt. Die beiden Skype-Gründer Janus Friis und Niklas Zennström können mit ihrem Produkt Joost eine geschlossene Videolösung anbieten, die Bewegtbilder in beeindruckender Qualität auf den Rechner bringt - bei entsprechendem Bandbreitenverbrauch, natürlich.