Streit über Richtlinie zu Produktpiraterie

24.04.2007

Im EU-Parlament wird die EU-Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte [IPRED2] heftig diskutiert. EU-Kommissar Günter Verheugen will, dass die geplanten strafrechtlichen Maßnahmen auch für Patente zur Anwendung kommen.

Eigentlich soll die EU-Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte dazu beitragen, die gewerbsmäßige Produktpiraterie in Europa einzudämmen. Berichterstatter Nicola Zingaretti berichtete am Montagabend im EU-Parlament von beunruhigenden Wachstumsraten von mehr als 1.500 Prozent bei Produktfälschungen.

Darüber, dass gegen gewerbliche Produktpiraterie vorgegangen werden muss, waren sich die EU-Parlamentarier bei der Lesung der Richtlinie auch einig.

Uneinigkeit über Definitionen

Uneinigkeit herrschte jedoch über eine klare Definition darüber, wer sich wodurch strafbar macht. So wurde etwa darüber gestritten, ob es mit Hilfe der EU-Richtlinie auch möglich sein soll, Konsumenten und Enduser strafrechtlich zu belangen.

Die im Entwurf festgeschriebene Definition des "gewerblichen Umfangs" ["Commercial Scale"] lässt diese Interpretation durchaus zu. Damit könnten auch im privaten Rahmen begangene Urheberrechtsverletzungen strafrechtlich verfolgt werden, da eine Absicht zur Gewinnerzielung für die strafrechtliche Verfolgung nicht nachgewiesen werden muss.

Die EU-Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sieht für gewerbsmäßige Urheberrechts-, Marken- und Patentverletzungen Geldstrafen in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro sowie Haftstrafen vor.

Kriminialisierung Tausender Europäer

Dadurch könnten aus Tausenden europäischen Bürgern plötzlich Kriminelle werden, warnte etwa die Electronic Frontier Foundation [EFF] vergangene Woche in einer Aussendung.

Eine Koalition aus Konsumentenschützern und Bürgerrechtsgruppen hat vergangene Woche eine Petition gegen die umstrittene EU-Richtlinie gestartet:

Umstrittene Tatbestände

Auch die in der EU-Richtlinie angeführten Tatbestände der "Beihilfe", "Anstiftung" und "Begünstigung" könnten zahlreiche europäische Unternehmen in die Bredouille bringen, kritisierten Beobachter bereits im Vorfeld.

Der vorliegende Entwurf kriminalisiere viele gesellschaftlich sinnvolle und legitime Anwendungen von Technologien, warnte etwa die Free Software Foundation Europe [FSFE] vergangene Woche in einem offenen Brief an die Mitglieder des EU-Parlaments: Die geplante Richtlinie erzeuge "Bürokratie, Rechtsunsicherheit und Furcht , wodurch die Fähigkeit der europäischen Bürger und Unternehmen, an der Informationsgesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt würde".

Die FSFE forderte die EU-Parlamentarier auf, die Richtlinie entsprechend abzuändern.

Zwist über Patente

Weitgehend Einigkeit herrschte unter den EU-Parlamentariern am Montag darüber, dass Patente aus der Richtlinie herausgenommen werden sollen. EU-Kommissar Verheugen will jedoch auf die Gültigkeit der Strafrechtsvorschriften für Patente nicht verzichten.

Kleine und mittlere Unternehmen würden dadurch vor großen Ausgaben stehen, kritisierte die EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger von den Grünen: "Klagen sind schnell erhoben, einstweilige Verfügungen schnell eingebracht."

"Amerikanisierung des Patentrechts"

Klein- und Mittelunternehmen könnten von der notwendigen strafrechtlichen Absicherung schlicht überfordert werden, nicht jedes Unternehmen könne sich eine Rechtsabteilung leisten, meinte Lichtenberger gegenüber ORF.at: "Das ist eine gewollte Politik, die von Großunternehmen betrieben wird und die letztlich zu einer Amerikanisierung des Patentrechts führen soll."

Kompromissvorschlag angekündigt

Berichterstatter Zingaretti will Dienstagnachmittag einen Kompromissvorschlag vorlegen. Am Mittwoch soll schließlich im EU-Parlament über die EU-Richtlinie abgestimmt werden.