Patentflut geht auf Dot.com-Boom zurück
Die umstrittenen Pläne für europäische Softwarepatente und die Vielzahl der Änderungsanträge haben am Dienstag zu einem heftigen Schlagabtausch im Europaparlament in Straßburg geführt.
Dass derzeit im EU-Parlament überhaupt über Änderungen in der geplanten Direktive zu Patenten auf "computerimplementierte Erfindungen" debattiert wird, geht noch auf den Dot.com-Boom der 90er zurück.
Die Vergabepraxis des Europäischen Patentamts, die sich mit vielen nationalen Legislaturen schlug, hatte den Handlungsbedarf ausgelöst.
Softwarepatente bedrohen Innovationen
Bis dato wurde Software nach dem Prinzip des Urheberrechts
behandelt, was eine einigermaßen flexible Regelung ermöglichte.
Falls Software unter das Patentrecht fällt, würde "Innovation am
Softwaresektor gestoppt" werden, wie es Rechtsanwalt Georg Zanger
formulierte.
Überreste der Dot.com-Blase
Die meisten der in den letzten beiden Jahren erteilten Patente, "in denen Anspruch und Wirklichkeit sehr voneinander abgewichen sind" - Trivialpatente auf Webshop-Lösungen, den Fortschrittsbalken etc. - stammten noch aus der Zeit der Dot.com-Blase, sagte Rainer Osterwalder vom Europäischen Patentamt zur fuZo.
Da die Wartezeiten auf die Erteilung eines Patents bis zu dreieinhalb Jahre dauerten, könne man sich ausrechnen, dass die überwiegende Mehrzahl vor der Jahrtausendwende eingereicht wurde.
"Von 1995 bis 2000 gab es sehr viele Anmeldungen aus dem Bereich computerimplementierte Erfindungen", so Osterwalder weiter, dann habe "sich das schlagartig geändert."
Die Zahl der Einreichungen in diesem Bereich sei stark gesunken, dafür haben sich Einsprüche in letzter Zeit gehäuft.
Proteste zeigen Wirkung
Die vehementen Proteste der Wirtschaft und freien Entwickler,
mittelständischer Unternehmen und der "Free Software"- und "Open
Source"-Communitys haben ihre Wirkung in Brüssel nicht verfehlt.
Drei der einflussreichsten EU-Parlamentsauschüsse unterstützen
inzwischen die geforderten Änderungen.
Aktueller Patentierversuch
Der interessanteste Fall unter den wenigen aktuellen Einreichungen sei ein neuer Patentierversuch von Amazon, gegen den ein fristgemäßer Einspruch laufe.
Das oft als Musterbeispiel für den Einsatz von Patenten zur Marktdominanz zitierte Patent Amazons auf "One-Click-Shopping" sei nur in Deutschland, Frankreich und England gültig. Überall anders in Europa sei es möglich, diese Methode im E-Commerce anzuwenden, ohne einer Patentverletzung geziehen zu werden.
Über viele der inkriminierten Patente lasse sich sagen, dass man es heute anders sehe, eine "Änderung der Richtlinien, nach denen entschieden wird", sei in Gang, so Osterwalder abschließend.