D: Geheimdienst nutzt Trojaner seit 2005

25.04.2007

Die umstrittenen "Online-Durchsuchungen" von Computern mit Trojanern sind bei deutschen Nachrichtendiensten offenbar bereits seit Jahren gängige Praxis. Eine Dienstvorschrift aus Zeiten der rot-grünen Koalition macht es möglich.

Mit einer von der rot-grünen deutschen Bundesregierung abgezeichneten Dienstvorschrift werden seit 2005 heimliche Durchsuchungen vorgenommen, wie FDP, Linksfraktion und Union am Mittwoch nach einer Sitzung des Innenausschusses mitteilten.

"Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst praktizieren seit Jahren heimliche Online-Durchsuchungen von Computern", erklärten die Innenexperten der Linksfraktion, Ulla Jelpke und Jan Korte.

"Völlig haltlose Rechtsgrundlage"

Die Nachrichtendienste gingen dabei von einer "völlig haltlosen Rechtsgrundlage" aus. "Mit einer simplen Dienstvorschrift zum Bundesverfassungsschutzgesetz glauben sie, das Recht zu Computerdurchsuchungen zu haben."

Auch die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz sagte in Berlin: "Eine Dienstanweisung ist eine unter keinem Gesichtspunkt geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Grundrechte der Bürger." Die entsprechenden Haushaltsmittel müssten unverzüglich gesperrt werden, forderte Piltz.

Der deutsche Bundesgerichtshof erklärt heimliche Online-Durchsuchungen durch die Polizei für unzulässig. Eine parlamentarische Anfrage in Deutschland hat jedoch ergeben, dass der Verfassungsschutz Trojaner einsetzen darf.

Von SPD erarbeitet

Auch die Unionsfraktion verwies darauf, dass der Verfassungsschutz derzeit auf der Grundlage des von Rot-Grün beschlossenen Verfassungsschutzgesetzes und einer Dienstvorschrift arbeite, die unter dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily [SPD] erarbeitet worden sei.

Schäuble setzt sich ein

Die Online-Durchsuchungen müssten aber "auf verfassungsrechtlich tragfähiger Grundlage durchgeführt werden", erklärten die Innenexperten Hans-Peter Uhl [CSU] und Ralf Göbel [CDU]. Es sei "völlig unverständlich, dass die SPD heute den Eindruck erweckt, sie sei gegen Online-Durchsuchungen. Sie selber hat diese Ermittlungsmethode eingeführt."

Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] strebt an, dem Bundeskriminalamt die Online-Durchsuchungen von Computern zur Gefahrenabwehr zu ermöglichen. Das ist auch bei Datenschützern auf Kritik gestoßen.

Das Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Bürgers vor Terror und Kriminalität und dem Schutz seiner Freiheit droht zu kippen, sagen die Kritiker.

Datenschützer will eingreifen

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar will den Einsatz nun überprüfen. "Ich werde das nicht auf die lange Bank schieben", sagte Schaar nach einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages am Mittwoch in Berlin.

Er hob hervor, dass die Online-Durchsuchungen seiner Ansicht nach verfassungswidrig seien. "Ich habe im Innenausschuss erklärt, dass es dafür keine verfassungsrechtlich tragfähige Grundlage gibt." Zur Begründung verwies Schaar auf die Verletzung von Grundrechten - das informationelle Selbstbestimmungsrecht, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Fernmeldegeheimnis.

Schaar betonte, dass für solche Eingriffe eine "klare gesetzliche Grundlage erforderlich" sei. Das gelte auch für Geheimdienste, auch in Fällen von Gefahrenabwehr zur Terrorbekämpfung. "Auch Geheimdienste sind im Rechtsstaat an Gesetz und Verfassung gebunden." Wenn es um wesentliche Eingriffe in die Grundrechte gehe, dann sei eine gesetzliche Regelung nötig. Nur eine Dienstvorschrift reiche dafür nicht aus.

(AFP)