EU: Harte Strafen für "Produktpiraten"
Das EU-Parlament hat am Mittwoch der umstrittenen Richtlinie zur strafrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte [IPRED2] zugestimmt. Nach Meinung von Kritikern könnte die EU-Richtlinie jedoch Innovationen behindern und zur Kriminalisierung von Konsumenten führen.
Die Richtlinie, die vom EU-Parlament mit 379 zu 270 Stimmen angenommen wurde, sieht harte Strafen für die gewerbsmäßige Verletzung geistiger Eigentumsrechte vor. Bei schweren Delikten wurde der Strafrahmen auf mindestens vier Jahre Freiheitsstrafe festgelegt. Für weniger schwere Delikte sind Geldbußen von bis zu 100.000 Euro vorgesehen.
Die drakonischen Strafen sollen dabei helfen, die stark wachsende Produktpiraterie in Europa in den Griff zu bekommen.
Patente wurden von der EU-Richtlinie wie erwartet ausgenommen. Neben dem Urheberrecht und dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten sind auch der Schutz von Markenrechten, Schutzrechte sui generis der Hersteller von Datenbanken, Schutzrechte der Schöpfer der Topografien von Halbleitererzeugnissen, Schutzrechte an Geschmacksmustern und Gebrauchsmusterrechte von der EU-Richtlinie erfasst.
Kritik im Vorfeld
Bereits im Vorfeld wurde die Richtlinie von europäischen Bürgerrechts- und Konsumentenschutzorganisationen scharf kritisiert. Der Begriff "gewerbsmäßiger Umfang" sollte nach Meinung von Kritikern klar definiert werden, um sicherzustellen, dass Konsumenten von den strafrechtlichen Konsequenzen nicht betroffen sind.
Bürgerrechtsgruppen verlangten auch die Streichung der Tatbestände der Beihilfe, Anstiftung und Begünstigung. Dadurch würden gesellschaftlich sinnvolle Anwendungen von Technologien kriminalisiert, hieß es.
Eine entsprechende Petition der Electronic Frontier Foundation [EFF] wurde von mehr als 8.000 Europäern unterstützt.
"Gewerbsmäßiger Umfang" abgeschwächt
Der Definition des "gewerbsmäßigen Umfangs" wurde in der Richtlinie abgeschwächt. Nun heißt es: "Die Verletzung im gewerbsmäßigen Umfang ist jede Verletzung eines geistigen Eigentums, mit der wirtschaftliche Vorteile erzielt werden sollen. Handlungen privater Nutzer für persönliche und nicht gewinnorientierte Zwecke sind hierin nicht enthalten."
"Die Enduser sind damit zwar nominell ausgenommen, aber nicht im sicheren Bereich", meinte die EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger von den Grünen gegenüber ORF.at: Die Judikatur über die Gewinnabsicht sei leicht umgehbar.
Die Unklarheit in den Formulierungen trotz Aufnahme einer Änderung lasse alle Interpretationsmöglichkeiten offen, warnte auch der deutsche Grüne Malte Spitz in einer Aussendung: Private Tauschbörsennutzer, die in keiner Weise kommerziell handeln, könnten bald nicht mehr wie bisher nur zivilrechtlich, sondern möglicherweise auch strafrechtlich verfolgt werden.
Umstrittene Tatbestände bleiben
Den umstrittenen Tatbeständen der Beihilfe, Anstiftung und Begünstigung stimmte das EU-Parlament zu.
Kritiker sehen dadurch auch Software-Entwickler und Internet-Dienste bedroht. Die subsidiäre Haftung sei eine der Hauptbedrohungen von Software-Firmen und der Internet-Industrie, hieß es in einem abgelehnten Änderungsantrag der Grünen: "Fehlverhalten von Benutzern des Internets könnte zur Haftung von Software-Firmen und Anbietern von Internet-Diensten führen."
"Privatisierung der Justiz"
Mit knapper Mehrheit wurde auch eine Bestimmung angenommen, die Rechteinhabern die Mitwirkung an der Strafverfolgung ermöglicht. "Das heißt letztlich, dass die unterbesetzte Polizei hochkompetente juristische und polizeiliche Stäbe von großen Unternehmen gestellt bekommt", kritisierte Lichtenberger. Dadurch werde die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigt.
~ Link: Aussendung der Grünen im EU-Parlament (mailto:http://www.greens-efa.org/cms/pressreleases/dok/180/180604.geistiges_eigentum@de.htm) ~
Vor Behandlung im EU-Rat
Bürgerrechtsgruppen und Konsumentenschützer hoffen nun auf Änderungen der Richtlinie im EU-Rat. Laut EFF und der Foundation for a Free Information Infrastructure [FFFI] haben einige EU-Staaten, darunter Großbritannien und die Niederlande, bereits Widerstand gegen die Richtlinie angekündigt.