Siemens-Chef Kleinfeld wirft das Handtuch
Klaus Kleinfeld, Vorstandschef des Elektronikkonzerns Siemens, wird seinen Vertrag nicht verlängern. Nach einem Nachfolger wird gesucht. Gerhard Cromme folgt unterdessen Heinrich von Pierer als Aufsichtsratschef nach.
Kleinfeld stehe für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung, teilte der Konzern am Mittwoch in München mit. Der Vertrag des 49-Jährigen laufe zum 30. September 2007 aus.
Kleinfeld, ein "Ziehsohn" des langjährigen Siemens-Chefs von Pierer, stand seit Jänner 2005 an der Siemens-Spitze.
Cromme folgt von Pierer
Der Siemens-Aufsichtsrat hatte am Mittwoch über die Zukunft Kleinfelds beraten. Dabei soll es auch zu einem erbitterten Streit über den Verbleib des Vorstandsvorsitzenden an der Spitze des Konzerns gekommen sein.
Als Nachfolger des scheidenden Aufsichtsratschefs von Pierer wurde Gerhard Cromme gewählt.
Siemens wird seit Herbst 2006 von einer Reihe von Krisen im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen erschüttert.
Kleinfeld-Nachfolger wird gesucht
Einen Nachfolger für Kleinfeld hat der Aufsichtsrat noch nicht bestellt. Kreisen zufolge haben sich Cromme und sein Aufsichtsratskollege Josef Ackermann aber bereits im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung auf die Suche nach einem Kandidaten gemacht. Als mögliche Kleinfeld-Erben sind der ehemalige Volkswagen-Manager Wolfgang Bernhard und Linde-Chef Wolfgang Reitzle im Gespräch.
Der Industriegasekonzerns ließ am Mittwoch Reitzles Ambitionen entgegen anders lautenden Medienberichten erneut dementieren. "Gehen Sie davon aus, dass Reitzle weiterhin Vorstandschef bei Linde bleiben wird", sagte ein Firmensprecher.
Enttäuschung an der Börse
An der Börse wurde Kleinfelds Rückzug mit Enttäuschung aufgenommen. Die Siemens-Aktie schloss im elektronischen Handel in Frankfurt gut ein Prozent schwächer.
An der noch geöffneten New Yorker Börse sackten die Papiere um rund fünf Prozent ab. Viele Börsianer hatten sich im Vorfeld für eine weitere Amtszeit Kleinfelds ausgesprochen.
Sorge um Zukunft des Konzerns
Im Strudel der Schmiergeldaffäre scheint niemand verlässlich sagen zu können, mit wem Siemens wohin steuert. "Das weiß keiner im Moment", erklärte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zum zukünftigen Kurs von Siemens. Sie forderte von Siemens, dass "ganz, ganz schnell" ein Nachfolger für Kleinfeld gefunden wird.
Die Anleger sorgen sich, dass die Einarbeitungszeit eines neuen Siemens-Chefs dem Konzern schlechtere Zahlen beschert. Siemens könnte sogar zum Übernahmekandidaten werden. "Ein Unternehmen, das angeschlagen ist, ist immer gefährdeter als ein Unternehmen, das auch in personeller Hinsicht stark geführt wird", warnte Aktionärsschützerin Bergdolt.
Dabei steht der Konzern derzeit sehr gut da und Kleinfeld feierte große geschäftliche Erfolge. 38 Prozent mehr Gewinn konnte er bei der zurückliegenden Geschäftsjahresbilanz vorlegen. Und auch die neuen Quartalszahlen, die Kleinfeld mitten in der Debatte über seine Zukunft zwei Tage früher als geplant veröffentlichen ließ, übertrafen die Erwartungen der Analysten.
Kein "gutes Jahr"
"2007 wird ein gutes Jahr für Siemens", hatte Kleinfeld Ende vergangenen Jahres prophezeit. Zumindest für das Spitzenpersonal des Konzerns kam es anders. Es brachte die Siemens-Galionsfigur von Pierer und den erfolgsverwöhnten Hoffnungsträger Kleinfeld zu Fall und einige Manager zeitweise ins Gefängnis.
Am vergangenen Freitag hatte von Pierer wegen der Skandalserie bei Siemens seinen Posten zur Verfügung gestellt. Danach waren Rufe auch nach einem Ende der Amtszeit Kleinfelds laut geworden, um einen kompletten Neuanfang bei Siemens zu ermöglichen.
Radikaler Konzernumbau
Den Geschäften des Konzerns hat der Schmiergeldskandal bisher nicht geschadet. Auch der von Kleinfeld vorangetriebene radikale Konzernumbau zahlte sich für Siemens aus. Verlustbringer abstoßen und Erfolgssparten mit Zukäufen stärken, lautet das Motto des 49-jährigen Managers.
Die Kommunikationssparte etwa - lange Zeit Sorgenkind des Konzerns - zerschlug Kleinfeld. Das Handygeschäft verscherbelte er an die taiwanische Firma BenQ, das Netzwerkgeschäft gliederte er in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Nokia aus.
Nicht nur Freunde
Schon Kleinfelds Vorgänger von Pierer schloss Fabriken, entließ Mitarbeiter, schickte Geschäftsbereiche an die Börse, kaufte zu, bündelte Bereiche, setzte Renditeziele.
Sein von ihm selbst geförderter Nachfolger Kleinfeld setzte diesen Kurs ab 2005 noch radikaler fort und machte sich damit nicht nur Freunde.
(AFP | APA | Reuters)