Wer zahlt die Vorratsdatenspeicherung?
Mit der Vorlage eines ersten Gesetzesentwurfs rückt die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung immer näher. Während Datenschützer weiterhin vor einem "unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre" warnen, sorgen sich die Telekoms um den Mehraufwand und die Frage, wer dafür bezahlen soll.
Seit Montag liegt der Gesetzesentwurf für eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes vor, mit der die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung [Data-Retention] in nationales Recht umgewandelt werden soll.
In einem ersten Schritt sind davon vorerst nur Telefoniedaten betroffen, die ab Mitte September gespeichert werden sollen. Die Internet-Verbindungsdaten sind dann ab März 2008 fällig.
Nach den Plänen des Bundesministeriums für Verkehr, Infrastruktur und Technologie [BMVIT] soll der Entwurf nach der Begutachtung [bis zum 21. Mai] noch vor dem Sommer ins Parlament gebracht werden.
Stamm-, Verkehrs- und Standortdaten
Laut Entwurf wird sechs Monate lang gespeichert, wer wann mit wem telefoniert hat, auch wenn kein Beteiligter unter Straftatverdacht steht. Bei der Handynutzung wird außerdem der Standort gespeichert. Betroffen sind auch erfolglose Anrufversuche.
Laut Vorblatt zum Gesetzesentwurf betrifft die Speicherverpflichtung ausschließlich Daten, die bereits jetzt zu Verrechnungszwecken gespeichert werden, was aber bei näherer Betrachtung Zweifel aufkommen lässt.
"Keine Fleißaufgaben" nötig
Die Telefonieanbieter sind derzeit noch dabei, den Entwurf und die darin geforderten Daten mit ihren Rechtsabteilungen auszulegen.
"Es muss klar sein, was zu speichern ist", betont Rene Tritscher, Geschäftsführer des Fachverbands der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen in der Wirtschaftskammer. Sechs Monate seien absolut ausreichend, Österreich solle bei der Umsetzung "keine Fleißaufgaben" machen.
Kostenfrage bleibt offen
Wesentlich für die Branche sei aber auch die Frage des Kostenersatzes, der weder in dem Entwurf noch auf EU-Ebene angesprochen werde. "Das ist inakzeptabel", erklärt Tritscher. "Wir wollen nicht die öffentliche Sicherheit gefährden, aber die Sicherung kann nicht zur Gänze von der Wirtschaft bezahlt werden."
Derzeit würden die Kosten für die Betreiber analysiert, dann plane der Verband auch eine Stellungnahme an das BMVIT. Dort heißt es im Vorblatt zum Entwurf, die Höhe der Mehrkosten der verpflichtenden Datenspeicherung sei nicht vorhersehbar.
Teilweise Rückerstattung möglich
Angesprochen auf die Frage des Kostenersatzs, heißt es im BMVIT, dass "in diesem Entwurf keine Kostenbeteiligung des Staates vorgesehen" sei.
Im Rahmen der Kostenersatz-Verordnung des Justizministeriums werde jedoch eine mögliche Erstattung behandelt - allerdings erst, wenn feststehe, wie hoch die materielle Belastung für die Betreiber tatsächlich ausfalle. Auch die Höhe einer möglichen Beteiligung sei noch nicht klar.
Der Bürger zahlt seine eigene Überwachung
Vorfinanzieren müssen die Betreiber also die nötigen Investitionen in die Infrastruktur auf jeden Fall. Und der "normale" Bürger wird wahrscheinlich so oder so zur Kasse gebeten: Ob nun über die Weitergabe der Kosten durch die Betreiber oder die Rückerstattung über die Steuern.
D: Geschätzte 75 Mio. Euro Kosten
Für die verpflichtende Speicherung der Telefon- und Internet-Verbindungsdaten müssen die deutschen Telekoms bis zu 75 Millionen Euro in neue Infrastruktur investieren, wie der Branchenverband BITKOM schätzt. Die Konzerne fordern eine Vergütung, die deutsche Regierung sieht hingegen den Kunden in der Pflicht.
"Unverhältnismäßiger Eingriff in Privatsphäre"
Auf Datenschützer-Seite sorgt der Entwurf einmal mehr für Empörung. Johann Maier [SPÖ], stellvertretender Vorsitzender des Datenschutzrats, warnte im Gespräch mit ORF.at: "Es wird unverhältnismäßig in die Privatsphäre eingegriffen - alle Telefonierenden und Internet-Nutzer geraten unter Generalverdacht."
Die Richtlinie sei keine Lösung gegen Terror und Verbrechen, vor allem, weil die Überwachung durch Kriminelle leicht unterlaufen werden könne.
"Sanfte" Umsetzung erhofft
Auch bei der Datenschutzkommission ist man laut Geschäftsführerin Waltraut Kotschy "nicht begeistert": "Die Frage ist jetzt, wie die Richtlinie umgesetzt wird."
Aus Sicht der Datenschützer geht es nun also um eine möglichst "sanfte" Auslegung der EU-Richtlinie, was im Vergleich zu Deutschland auch der Fall sei.
So sei eine Auskunft laut Maier nur bei schweren Straftaten vorgesehen. In Deutschland fielen unterdessen auch Urheberrechtsverletzungen unter die Auskunftspflicht. Weiters gebe es in Österreich keinen unbeschränkten Herausgabeanspruch, über jeden einzelnen Zugriff entscheide die Justiz.
ARGE-Daten-Obmann Hans Zeger nannte die Richtlinie in einer Aussendung "eine sicherheitspolitische Sackgasse".
Klage vor EuGH läuft
Abgewendet könnte die Umsetzung der Richtlinie nur noch durch den Europäischen Gerichtshof [EuGH]werden: Irland und die Slowakei haben dort Klage gegen die umstrittene Richtlinie erhoben, weil die Entscheidung ihrer Ansicht nach auf Grund einer falschen Rechtsbasis getroffen wurde. Dabei geht es weniger um den Inhalt der Richtlinie als um die Grundsatzfrage der Zuständigkeit.
Wie im Fall der Fluggastdaten könnte also auch die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben werden, was aber im Endeffekt auch eine noch schärfere Regelung nach sich ziehen könnte.
In Österreich läuft bereits eine parlamentarische Anfrage zur praktischen Sinnhaftigkeit der Bürgerüberwachung.
(futurezone | Nayla Haddad)