Mein Vista-Express-Upgrade
Redakteur H. wachte eines Morgens auf und fühlte sich verwandelt. Das lange erwartete Vista-Express-Upgrade war eingetroffen. Ein hässliches kleines Bürokratenmärchen mit Happy End.
Wir erinnern uns: Um das Weihnachtsgeschäft der PC-Hersteller nicht durch den auf Jänner verschobenen Verkaufsstart der neuen Windows-Version zu verderben, stellte Microsoft gemeinsam mit einigen Herstellern im Herbst ein Programm namens Vista Express Upgrade auf die Beine.
Ein unwiderstehliches Angebot
Wer zwischen dem 26. Oktober 2006 und dem 15. März 2007 bei den teilnehmenden Herstellern einen Rechner mit vorinstalliertem Windows XP kaufen würde, sollte gratis oder für eine Bearbeitungsgebühr nachträglich eine Version von Windows Vista beziehen können.
Durch das bedauernswerte Ableben des eigenen Privatrechners im Herbst 2006 kam der Autor dieser Zeilen in die Verlegenheit, das Express-Upgrade-Verfahren im selbstverständlich vollkommen subjektiven und nicht zu verallgemeinernden Selbstversuch testen zu dürfen.
Ich, der Bug
Schließlich verschafft die optimierte Servicegesellschaft des 21. Jahrhunderts ihren Subjekten nur selten ein derartiges, mehrere Kontinente umspannendes bürokratisches Vergnügen, in dessen Ablauf sich der Konsument so fühlen darf wie eine sechsbeinige Figur von Franz Kafka, die im Materiallager eines von Terry "Brazil" Gilliam ausgestatteten Ministeriums für Effizienz einen Radiergummi bestellt.
Unser Proband, nennen wir ihn "H.", erwirbt also Ende November 2006 in einem kleinen Wiener Systemhaus ein unspektakuläres Business-Notebook eines großen Markenherstellers. Dieser Hersteller, dessen konnte sich Herr H. auf dessen Website mit einem Blick versichern, nimmt am Express-Upgrade-Programm teil. Es gibt sogar auf der Startseite des Herstellers einen Link, der den Käufer direkt zu den entsprechenden Informationen und Formularen führt.
Ohne Coupon
Als Herr H. zu Hause seinen Rechner aus den üblichen Styropor-Tetristeilen schält, irritiert ihn das Fehlen des auf der Packliste versprochenen Express-Upgrade-Coupons nur kurz. Und da sich der Computer problemlos in Betrieb nehmen lässt, wird Herr H. erst am 17. Jänner 2007 wieder gesehen, als er sich auf die Suche nach der Bestellmöglichkeit für das Express Upgrade macht.
Zuerst stellt er fest, dass auf der Website des Markenherstellers der Link zum Express Upgrade mittlerweile leider verschwunden ist. Auch die Suchfunktion der Website findet nur Servicedokumente in Juristenprosa, nicht aber die Bestell-Subsite selbst. Vielleicht wäre die entsprechende Adresse auf dem fehlenden Coupon gestanden, jedoch taucht dieser auch nach mehrmaligem Feiern dunkler Büro-Voodoo-Riten, in deren Verlauf Baron Samedi, dem Herrn der Datenfriedhöfe, das portugiesische, das chinesische und das ungarische End User License Agreement geopfert wurden, immer noch nicht auf.
Ein graues Formular
Immerhin unterhält Microsoft selbst noch eine Website zum Upgrade, auf der auch ein Link zum Bestellverfahren des Markenherstellers zu finden ist. Herr H. klickt auf die Verbindung, um sich kurz danach auf der Website der Microsoft-Tochterfirma Moduslink wieder zu finden, die das Upgrade-Programm abwickeln soll. Moduslink präsentiert sich dem Antragsteller wie ein als Webformular reinkarnierter Mitarbeiter der nordkoreanischen Zollbehörden, Abteilung Runkelrüben-Import.
Herr H. nimmt einen Fingerhut Baldriantropfen zu sich und erzählt dem grauen Formular seine Lebensgeschichte, die vom Kauf des neuen Computers mitsamt gültiger Windows-Lizenz gekrönt wird. Das Formular bedankt sich und weist ihn darauf hin, doch bitte auch noch den Kaufbeleg per Fax, Brief oder Mail einzuschicken.
20 Euro, bitte
Herr H. lächelt dozil, legt die Rechnung auf den Scanner, schrumpelt das Abbild in der Bildbearbeitung zurecht und schickt es, unter Angabe der Auftragsnummer, an das ferne System. Das ferne System will für das Upgrade rund 20 Euro haben. Herr H. findet das teuer, zahlt aber trotzdem. Das ferne System schweigt. Es schickt nicht einmal eine Mail, mit der es die Bestellung bestätigen würde.
Nach zwei, drei Wochen sieht Herr H. auf der Website von Moduslink nach. Er gibt seine Auftragsnummer ein, um den Status der Bestellung zu prüfen. Das System gibt an, das "Certificate of Authenticity" zu prüfen, also ob die eingegebene Nummer der Windows-Lizenz korrekt sei. Das bleibt dann auch ein paar Tage lang so. Bis das System schließlich anzeigt, dass es auf den "Proof of Purchase" warte, also auf die Rechnungskopie.
Der stille Bestellstatus
Herr H. stutzt. Hatte er doch in Pflichtübererfüllung seine Mail mit dem Rechnungs-Attachment noch am Tag der Bestellung abgeschickt. Sollte er die Rechnung nochmals schicken? Per Fax? Per Mail? Wieder wartet Herr H. einige Wochen lang. Sein Chitinpanzer knistert. Das System meldet sich nicht. Am Bestellstatus ändert sich nichts.
Am 23. März schließlich, Herr H. hatte die Erinnerungen an Moduslink und Vista schon erfolgreich zu einem spaßigen kleinen Gesichtsmuskel-Tick sublimiert, meldet sich der Microsoft-Logistikpartner per Mail und gibt an, das Upgrade erfolgreich versandt zu haben. Würde es im Lauf der folgenden drei Wochen nicht eintreffen, solle man sich an die angegebenen Moduslink-Kontakte wenden.
Ein verspäteter Datenträger
Der schmale Umschlag mit einer Vista-Business- und einer Treiber-DVD sowie den üblichen juristischen Texten trifft schließlich, liebevoll verpackt von der ungarischen Moduslink-Niederlassung, am 26. April bei Herrn H. ein. Herr H. freut sich über die erfolgreich abgewickelte Transaktion, tackert die DVDs als Souvenirs zu den Urlaubspostkarten an die Pinwand und installiert in spontaner Freude ein in Express-Geschwindigkeit heruntergeladenes Ubuntu Linux.
(futurezone | Günter Hack)