Vom Bildtelefon zur Videokonferenz

matrix
06.05.2007

Obwohl die Technik so billig ist wie noch nie, sind Videokonferenzen vom westlichen Konsumenten-Mainstream nie wirklich angenommen worden. In Asien erlebt die Bewegtbildkommunikation jetzt einen zweiten Frühling.

Anfang der 70er Jahre stellte AT&T sein erstes kommerzielles "Bildtelefon" vor. Der Konzern gab sich damals zuversichtlich, dass "Videotelefonie" spätestens 1980 die Massen begeistern würde. Es kam anders.

1992 entwickelten Studenten der Cornell-Universität CU-SeeMe. Die Software war gratis und das "Auge" des Computers kostete auch nicht allzu viel. Einfache Webcams kosteten in den 90er Jahren an die 2.000 Schilling, heute sind sie ab 20 Euro zu haben. Trotzdem sind Videokonferenzen noch immer eine Seltenheit.

Der Videokonferenz-Knigge

Angeboten werden Videokonferenzsysteme in unterschiedlicher Qualität. In der Luxusausführung setzen die Ausstatter auf hochauflösende Kameras. Für diese Telekonferenzen werden eigene Übertragungsräume eingerichtet. Man legt Wert auf Details. Der Tisch, an dem die Mitarbeiter in London sitzen, muss exakt so aussehen wie der, an dem die Kollegen in Peking Platz nehmen.

Denn nur so stört es die Teilnehmer nicht, dass im Grunde der Tisch zweigeteilt wird: An einer Hälfte nehmen die Menschen aus Fleisch und Blut Platz, an der zweiten, virtuellen Hälfte die zugeschalteten Gesprächspartner. Stimmt das Bild nicht überein, fällt es den Anwesenden schwer, sich auf das Gesprochene zu konzentrieren.

Hoffnung Telemedizin

Spiele und Animationsfirmen diskutieren mit Hilfe von Videokonferenzsystemen im Intranet mit ihren Entwicklern über Story-Boards. Krankenhäuser, so die Anbieter derartiger Systeme, würde man sich als Großkunden wünschen. Irgendwann sollte die Telemedizin quasi als Fortsetzung der Videokonferenz Realität werden. Ohne eine verlässliche Anbindung an das Netz und hochauflösende Bilder, die auch kleinste Details zeigen, wird sich jedoch kein Arzt dafür hergeben, virtuell am offenen Herzen zu operieren.

Denn sobald etwas schief geht, werden die Hinterbliebenen nicht nur um ihren Angehörigen trauern, sondern auch Ärzten und Providern die Haftungsfrage stellen. Auf Letztere hat noch niemand eine Antwort. Man weiß nur, dass sich in so einem Fall niemand mit Ausreden über Aussetzer und unscharfe Bilder zufrieden geben wird. Schon bei einfachen Anwendungen stören Bildfehler und schlechte Tonqualität.

Aber am meisten, so Psychologen, störe es, wenn bei Videokonferenzen die Synchronisation zwischen Bild und Ton nicht übereinstimme. In so einem Fall sei keine Rede mehr davon, so Marc Schmidt von der Firma Avaya, wie toll es sei, dass man jemanden zu sehen bekomme, der auf der anderen Hälfte der Erdkugel sitze.

Video für den Osten, Audio für den Westen

In Indien zählt Video-Conferencing in den ländlichen Gebieten zu den beliebtesten Diensten. Bewohner von Dörfern mit Internet-Anschluss können auf diese Weise mit ihrem Bezirksvorsteher in der Provinzhauptstadt diskutieren.

Auch Gespräche mit weit entfernten Ärzten sind über die Videokonferenzsysteme möglich. Die Provider setzen dabei auf einfache Technik und erschwingliche Preise. In der westlichen Welt haben die Menschen zwar Spaß an YouTube, aber sie zeigen sich noch wenig euphorisch bezüglich Video-Conferencing.

Das Geschäft läuft wieder an

In den vergangenen Wochen kam jedoch Bewegung in diese Branche. Die Medien berichteten über Firmenaufkäufe und neue Allianzen: Cisco stieg in den Videomarkt ein und kaufte WebEx, ein Unternehmen, das Videokonferenzsysteme für Firmen anbietet. In China treibt man Videomobiltelefonie voran, und auch Ericsson fischt auf seiner Einkaufstour in diesen Gewässern.

Allein deswegen sehen manche Analysten die Zukunft von Videokonferenzsystemen recht rosig: Ungeachtet, ob die Konferenzschaltung über ein Web-Interface oder über das Handy abgewickelt wird; egal ob die Kommunikation zwischen Einzelpersonen oder Gruppen stattfindet - die Erwartungen sind hoch.

Heute Abend: "matrix"

Mehr darüber, welche neuen Anwendungen für Videokonferenzsysteme sich die Industrie ausgedacht hat, gibt es heute Abend um 22.30 Uhr in Ö1 in "matrix" zu hören.

(matrix | Mariann Unterluggauer)