Galileo knapp vor Notlandung

07.05.2007

Europas "unverzichtbare" Satellitennavigation Galileo soll nach dem Willen des deutschen Verkehrsministers und EU-Ratspräsidenten Wolfgang Tiefensee nun weitgehend in öffentlicher Regie aufgebaut werden.

In Brüssel legte Tiefensee am Montag seine Pläne für das strauchelnde EU-Projekt Galileo vor: "Wir werden einen Vorschlag machen, der die öffentliche Hand in der Aufbauphase wesentlich stärker zum Zuge bringt."

Derzeit sehe alles nach einem Public-Private-Partnership aus, in dem sich das Engagement der öffentlichen Hand auf den Aufbau und der Anteil der Industrie auf den späteren Betrieb des Systems konzentrieren werde.

Keine Angaben über Kosten

Welche Kosten auf den Steuerzahler genau zukommen, wollte er nicht beziffern. Dabei müssten auch spätere Rückflüsse in öffentliche Kassen in Betracht gezogen werden.

Ursprünglich sollte das Projekt zu einem Drittel durch öffentliche Gelder und zu zwei Dritteln durch ein Firmenkonsortium verwirklicht werden.

Der [nach mehreren Verschiebungen] neue Starttermin im Jahr 2011 gilt ebenfalls nicht mehr als sicher. "Galileo ist in einer tiefen und ernsthaften Krise", warnte Tiefensee. Galileo sei aber "das derzeit wichtigste Hochtechnologieprojekt der EU" und daher "unverzichtbar".

Die EU-Verkehrsminister hatten bereits eine Neuvergabe des Auftrags erwogen, falls das Konsortium nicht bis zum 10. Mai klare Strukturen schaffe.

Ultimatum bis 10. Mai

Die EU-Verkehrsminister hatten dem Galileo-Konsortium ein Ultimatum bis 10. Mai gesetzt, um einen handlungsfähigen Geschäftsführer einzusetzen. Laut Medienberichten wird das Konsortium den Termin verstreichen lassen.

Tiefensee bekräftigte, es gebe auch wegen der Forderungen der Firmen zu Rückflüssen und Risikoverteilung "wenig Hoffnung".

ESA könnte einspringen

Die EU-Verkehrsminister sollen Alternativen zum derzeitigen Modell bei ihrem Treffen im Juni ausloten.

Laut dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Galileo Supervisory Authority [GSA], Ingolf Schädler, könnte auch die Europäische Weltraumagentur [ESA] kurzerhand die Oberaufsicht übernehmen.

"Im Moment ist keine unserer Bedingungen erfüllt worden", sagte der Sprecher von Verkehrskommissar Jacques Barrot. Die Kommission werde bis zum 16. Mai eigene Vorschläge vorlegen, wie es mit Galileo weitergehen soll.

"Nationale Begehrlichkeiten"

Galileo soll als europäisches Vorzeigeprojekt dem US-System GPS [Global Positioning System] Konkurrenz machen. Der Aufbau des Prestigeprojektes kommt jedoch seit Jahren nicht voran.

Vor allem "nationale Begehrlichkeiten", wie Schädler es ausdrückt, haben das Projekt über lange Strecken aufgehalten.

Zu viele "Mitarbeiter"

So kämpften Deutschland, Italien und Frankreich lange Zeit darum, wer den Löwenanteil und damit auch die potenziell Gewinn bringenden [Gegen-]Geschäfte am Galileo-Projekt erhalten soll.

Derzeit werden zwei Kontrollzentren gebaut, eines in Deutschland und eines in Italien. An dem Galileo-Konsortium sind der Flugzeugbau- und Rüstungskonzern EADS, mehrere Satellitenfirmen und die Deutsche Telekom beteiligt.

Technisch, hieß es noch vor einem Jahr aus dem Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, hätten die Europäer das System im Griff.

(futurezone | APA | AFP | Reuters | dpa)