Streit der Wikipedia-Gründer

"Tief gesunken"
09.05.2007

Die Online-Informationspioniere Jimmy Wales und Larry Sanger liegen sich wegen der Gründungsgeschichte der Online-Enzyklopädie Wikipedia in den Haaren.

Ausgangspunkt für den Disput zwischen Wales und Sanger ist ein Artikel in der von Wired News unterstützten neuen kollaborativen Publikationsplattform Assignment Zero über Sangers Projekt Citizendium. Dort degradiert Wikipedia-Gründer Wales seinen ehemaligen Mitstreiter kurzerhand zum Befehlsempfänger.

"Kritik am Wiki-Prozess"

Sanger, merkte Wales in einer nachträglich eingefügten editorischen Notiz an, sei während des Starts der Wikipedia sein Angestellter gewesen und habe lediglich seine Anweisungen befolgt.

Die Idee, zur Umsetzung des Projekts Wiki-Software zu verwenden, sei nicht - wie gemeinhin angenommen - von Sanger, sondern vom Nupedia-Mitarbeiter Jeremy Rosenfeld gekommen, schrieb Wales. Sanger habe darüber hinaus den offenen Wiki-Prozess wiederholt kritisiert, so Wales.

Sangers Anspruch, die Wikipedia mitbegründet zu haben, bezeichnete Wales gegenüber der australischen Tageszeitung "Sydney Morning Herald" zudem als "absurd".

Sanger arbeitet seit dem vergangenen Jahr an einem eigenen Online-Nachschlagewerk. Citizendium, das bereits in einer Betaversion verfügbar ist, soll im Unterschied zur Wikipedia aus Artikeln bestehen, die von Experten geprüft werden.

Bei einer Präsentation des Projekts im vergangenen Herbst begründete Sanger sein Ausscheiden bei der Wikipedia damit, dass er über die mangelhafte Qualität mancher Artikel enttäuscht sei. Die Wikipedia hält trotz aller Kritik an dem Prinzip der Offenheit fest.

~ Link: Wiki-Mitgründer werkt an Expertenlexikon (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=166102v2) ~

"Falsch und rufschädigend"

Sanger bezeichnete die Äußerungen Wales' auf dem Weblog zum Citizendium-Projekt als falsch und rufschädigend.

Er habe bei der Organisation des Projekts weitgehend freie Hand gehabt. Die Idee, Wiki-Software für die Online-Enzyklopädie zu verwenden, sei nachweislich von ihm gekommen.

Zum Beweis zitierte Sanger ein Posting von Wales auf der Wikimedia-Mailing-Liste, in dem Sanger von Wales als Ideengeber benannt wurde.

"Bewusst zurückgehalten"

Er habe sich mit öffentlicher Kritik an Wales bisher bewusst zurückgehalten. Nun müsse er jedoch seinen Ruf und seine vergangenen Leistungen verteidigen, auch habe er nicht geglaubt, dass Wales "so tief sinken" könne.

Wales dürfe mit seinen nachweislich falschen Behauptungen nicht davonkommen, gab sich Sanger kampfeslustig.

Zumindest im deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag zur Geschichte der Enzyklopädie wird Sanger Genüge getan. Dort heißt es: "Ende 2000/Anfang 2001 wurden sowohl Wales als auch Sanger auf das Wiki-Prinzip aufmerksam gemacht - angestoßen durch Sanger ging daraufhin bereits am 10. Januar ein Wiki innerhalb des Nupedia-Projekts online; nur fünf Tage später, am 15. Januar 2001, war es dann unter der eigenständigen Adresse wikipedia.com erreichbar. Dies gilt als die Geburtsstunde der Wikipedia."

Neben seiner Mitarbeit bei der Wikipedia betreibt Wales heute auch das Unternehmen Wikia, das unter anderem an einer auf User-Meinungen basierten Open-Source-Suchmaschine arbeitet. Vor kurzem erhielt Wikia auch eine Finanzspritze vom weltgrößten Online-Einzelhändler Amazon.