Galileo frisst doch mehr EU-Gelder

10.05.2007

Die EU-Kommission ist mit den Plänen des Betreiberkonsortiums für das krisengeschüttelte Satelliten-Navigationsprojekt Galileo unzufrieden und bezeichnet die Verhandlungen als "gescheitert". Bis zu drei Milliarden Euro werden nun aus dem EU-Budget gebraucht, berichtet das "Handelsblatt".

Die Verhandlungen mit der europäischen Raumfahrtindustrie über den Aufbau des Satelliten-Navigationssystems Galileo sind gescheitert. Die EU-Kommission hat die bisher vorliegenden Pläne des privaten Betreiberkonsortiums zum Bau des europäischen Satelliten-Navigationssystems als unzureichend kritisiert.

Das Konsortium um den deutsch-französischen Konzern EADS habe ultimative Forderungen der EU nicht erfüllt, sagte der Sprecher von Verkehrskommissar Jacques Barrot am Donnerstag in Brüssel. "Die Reaktion ist definitiv nicht ausreichend", sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel.

Rettungsplan am Mittwoch

Die Kommission werde nächsten Mittwoch einen Vorschlag zur Rettung des Projekts vorlegen. Am wahrscheinlichsten sei der Aufbau in öffentlicher Regie und der Betrieb durch die Privatwirtschaft.

"Der Steuerzahler ist dann am Anfang mehr gefragt, aber über die Gesamtlaufzeit gesehen rechnet es sich." Galileo könnte nach den Angaben schon 2010 an den Start gehen, ein Jahr eher als geplant.

In dem Streit geht es darum, wer die Risiken tragen soll. Beteiligt an dem Konsortium sind insgesamt acht Unternehmen, darunter der Flugzeug- und Rüstungskonzern EADS, mehrere Satellitenfirmen und die Deutsche Telekom.

Trennung zwischen Aufbau und Betrieb

Die wahrscheinlichste Variante sei eine Trennung zwischen Aufbauphase und Betriebsphase. Letztere könnte dem Privatsektor anvertraut werden. Angesprochen auf zusätzliche Kosten meinte Kommissionssprecher Michele Cercone, "es geht nicht darum, dass der Steuerzahler mehr aufbringen muss. Es geht um denselben betragsspezifischen Gegenwert".

Er bestätigte von Verkehrskommissar Jacques Barrot genannte Gesamtkosten von zwei bis drei Mrd. Euro. Bisher seien 1,2 bis 1,4 Mrd. Euro aufgewendet worden.

GPS-Konkurrenz

Das Satellitenortungssystem ist eines der ehrgeizigsten Weltraumprojekte weltweit: Das System soll ab 2012 metergenaue Ortsbestimmungen für Autos, Schiffe und Flugzeuge ermöglichen. Damit soll es Konkurrent des bereits bestehenden US-Systems GPS werden.

Steurbelastung höher als erwartet

Aus dem EU-Budget sollten zwei bis drei Milliarden Euro in das System fließen, sagte EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot dem "Handelsblatt" vom Donnerstag.

Bisher war von bis zu zwei Milliarden Euro die Rede. Zudem solle die EU die Risiken bei Bau und Stationierung von 30 Satelliten übernehmen. Die Industrie hatte es abgelehnt, Kosten und Risiken in privater Regie zu tragen.

Am Donnerstag läuft ein Ultimatum an das Galileo-Konsortium aus.

Zuständigkeiten weiter ungeklärt

Das Betreiberkonsortium und der Generalunternehmer drängen auf klare Zuständigkeiten bei dem Projekt: "Wenn Deutschland als größter EU-Beitragszahler eine Führungsrolle übernimmt, wäre das hilfreich", sagte Jürgen Ackermann, der Chef des Galileo-Generalunternehmers ESNIS, dem "Handelsblatt".

Das Gemeinschaftsunternehmen der europäischen Satellitenhersteller baut derzeit Testsysteme. Ackermann warnte vor einer stärkeren Einflussnahme der Europäischen Weltraumagentur [ESA]. "Sollte die Struktur verändert werden, drohen erhebliche Verzögerungen."

EADS pocht auf öffentliche Finanzierung

EADS-Co-Chef Thomas Enders hält eine öffentliche Finanzierung des Satelliten-Navigation-Projekts Galileo für geboten. Zugleich machte Enders am Donnerstag in Berlin als Präsident des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie [BDLI] die Politik dafür verantwortlich, dass sich das Konsortium aus privaten Firmen nicht auf ein gemeinsames Konzept beim Aufbau des Milliardenvorhabens habe einigen können.

"Ich sehe das als kein Armutszeichen an", sagte Enders, dessen Unternehmen Mitglied des Industriekonsortiums ist. "Ich habe noch kein Projekt erlebt, das so stark politisch geprägt war wie dieses." Schließlich sei es die Politik gewesen, die das Konsortium zusammengezwungen habe. Wenn es dann zu einem Hauen und Stechen komme, sei das kein Wunder.

"Nicht alles kann privatisiert werden"

An dem spektakulären und ehrgeizigen europäischen Projekt zeige sich, dass nicht alles privatisiert werden könne, sagte Enders. Auf der Anwenderseite fehle noch die Basis, um das Vorhaben für die Privatindustrie kalkulierbar zu machen.

Auch in vergleichbaren Bereichen in anderen Ländern gelte im übrigen: "Die Infrastruktur muss von der öffentlichen Hand, wie auch immer, dargestellt werden." Stehe diese Infrastruktur dann und gehe es um seinen Betrieb, könne man darüber sprechen, ob man das dann privatwirtschaftlich ausschreibe.

Zudem forderte Enders, in Berlin sollten künftig auch sicherheitspolitische und militärische Nutzungen von Galileo ins Auge fassen.

(AFP | dpa | Reuters)