Funkchips: Mehr Absatz, weniger Schwund

11.05.2007

Mit Funkchips soll Ladendiebstahl in Zukunft uninteressant werden: Erst nach Bezahlung werden DVDs und Unterhaltungselektronik an der Kassa aktiviert und damit nutzbar. Rentieren soll sich die Investition unter anderem über mehr Verkauf.

NXP Semiconductors [ehemals Philips, mit Kompetenzzentrum in Graz] und die US-Firma Kestrel Wireless haben eine Lösung auf Basis von Funkchips [RFID-Chips] vorgestellt, die den Handel nicht nur vor Diebstahl schützen, sondern auch die Kosten für Entsorgung und den bisherigen Diebstahlschutz dezimieren soll.

Ohne Aktivierung unbrauchbar

Über einen eingebauten RFID-Chip wird die gewünschte Ware nur im Bedarfsfall aktiviert - bei einer DVD ein in das Medium selbst eingelagerter elektrooptischer Film, der bestimmte "kritische" Bereiche vor dem Auslesen schützen soll.

Dieser Film muss über den Chip eigens aktiviert und damit "durchsichtig" gemacht werden, erklärt der zuständige Marketingbeauftrage von NXP, Kurt Bischof, das System.

Der elektrooptische Film, der von Kestrel Wireless gestellt wird, wird direkt bei der Produktion eingelagert und die DVD damit unbrauchbar gemacht. In diesem Zustand kommt sie in den Handel.

Damit soll für den Handel auch die Logistik vereinfacht werden, da über die Datenbank genau abgefragt werden kann, wie viele CDs noch da sind und ob wieder Bedarf besteht.

Aktivierung bei Bezahlung

Erst bei der Bezahlung an der Kassa kann der RFID-Chip, der direkt mit der Folie verbunden ist, über ein RFA-fähiges [Radio Frequency Activation, ebenfalls von Kestrel] RFID-Gerät aktiviert und die Folie mit einem elektrischen Impuls auf durchsichtig gestellt werden. Damit werden auch die Daten auf der DVD wieder lesbar.

Für die Freischaltung braucht es allerdings das Netzwerk von Kestrel, das den Freischaltcode bereitstellt. Dahinter liegt eine Datenbank, auf der jede DVD [oder jedes Gerät] als rechtmäßig bezahlt und damit nutzbar eingetragen wird.

Gegenüber ORF.at gab Kestrel-Chef Paul Atkinson an, dass in der Datenbank selbst keine Informationen über den Kunden gespeichert, sondern darüber nur die Zugangscodes verteilt werden.

Bereits bei der Produktion erhält jede CD eine eigene Nummer, über die sie mit Hilfe des RFID-Chips auch bis zum endgültigen Verkauf genau verfolgt werden kann.

Kein Einfluss auf Medium selbst

Sony DADC in Anif, Salzburg, zeigte sich auf Anfrage von ORF.at skeptisch, aber zumindest interessiert an dem System. Dietmar Fischerlehner von DADC bezweifelt, das der elektrooptische Film bei Blu-ray-Medien ohne weitereres integrierbar ist.

"Eine zusätzliche Schicht ist auch ein technisches Problem, jede Kunststoffschicht etwa ändert das optische Verhalten einer Disc." Er habe aber noch zu wenige Informationen über das gesamte Projekt.

Dazu meinte Atkinson, dass der Film zwar die optischen Eigenschaften ändere, sich das aber auf Grund seiner "Dicke" von 700 Nanometern in Grenzen halte und somit die Eigenschaften des Mediums nicht nachhaltig verändere.

Zudem werde bei Blu-ray der Film nicht zwischen den Schichten integriert, sondern auf der Oberfläche aufgebracht. Der Film selbst soll so lange halten wie die DVD und auch nicht mehr reaktivierbar sein.

"Keine Unable-Funktion vorgesehen"

Möglichkeiten zur Umgehung der Aktivierung an der Kassa sieht Bischof von Seiten von NXP nicht: "Die gesamte Lösung ist hardwired, eine Unable-Funktion auf dem Chip ist nicht vorgesehen."

Einzig eine einzelne DVD könne von Hackern freigeschaltet werden, wenn sie den nötigen Code dazu finden. Das System sei somit auch kein Kopierschutz im eigentlichen Sinne. Auch Atkinson weist jede Möglichkeit eines Hacks von sich, über den RFID-Chip werde auch die notwendige Sicherheit vor unerwünschten Zugriffen geboten.

Die Sache mit dem Datenschutz

Für den Fall, dass das Netzwerk dahinter ausfällt, wird laut Bischof vorgesorgt: So sollen die Geschäfte die Freischaltcodes im Vorhinein bekommen und auf Lager legen können.

Im Bereich Datenschutz sieht Bischof ebenfalls kein Problem: Kestrel habe rund 100 Patente dafür angemeldet, "sie würden sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn Sie die Datenbanken verknüpfen".

Atkinson betonte, dass sein Unternehmen viel Wert auf Datenschutz lege. An den Hersteller gehe nur die Information, dass das Produkt aktiviert sei, aber nicht, für wen.

Gespräche mit US-Händlern sind im Laufen, im Rahmen der Verhandlungen hätten sich aber auch schon europäische Firmen dafür interessiert, so Bischof. Erste Pilotprojekte sollen Mitte des Jahres in den USA bei kleineren 24-Stunden-Shops starten.

DVDs sind erst der Anfang

Optische Medien sind der erste Anwendungsbereich. Das Konzept eignet sich laut den Entwicklern auch für andere Produkte wie MP3-Player, elektrische Zahnbürsten, Flachbildschirm-Fernseher, Druckerpatronen und Flash-Speicher.

Für den Handel soll die Lösung nicht nur Diebstahl verhindern, sondern auch die Logistik bei der Vernichtung nicht verkaufter Medien erleichtern: Da die DVDs von vornherein unbrauchbar sind, können sie eingestampft werden und müssen nicht den teuren Rückweg zum Erzeuger antreten.

Mehr Absatz durch mehr Angebot

Weiters soll sich das System über gesteigerten Absatz rentieren, denn mit dem RFID-Schutz sollen etwa DVDs auch dort in den Handel kommen können, wo sie sonst üblicherweise nicht auftauchen, und so zusätzliche Impulskäufe ermöglichen.

Die Verbarrikadierung kleinerer Geräte, die auf Grund ihrer Handlichkeit für Diebe besonders interessant sind, soll mit der RFID-Lösung entfallen und so der Verkauf noch einmal angekurbelt werden.

Rentabilität über Einsparungen

Auf diesem Weg hoffen die Anbieter auch, den Handel trotz der anfallenden Kosten überzeugen zu können: Die gesamten Einsparungen würden die Investitionen bei weitem übertreffen, meint NXP, ohne nähere Angaben zu machen.

(futurezone | Nadja Igler)