Siemens-Affäre als "Fass ohne Boden"
Im Schmiergeldskandal beim deutschen Technologiekonzern Siemens werden neue Vorwürfe laut. Insgesamt stehen Zahlungen von bis zu einer Milliarde Euro auf dem Prüfstand.
Der Siemens-Aufsichtsrat befürchtet weitere Enthüllungen in der Schmiergeldaffäre. Die ganze Dimension des Skandals ist immer noch nicht abzusehen", sagte IG-Metall-Vize und Siemens-Kontrolleur Berthold Huber gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" [F.A.S.]: "Ich habe den Eindruck, dass wir in ein Fass ohne Boden schauen."
Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" zufolge seien mittlerweile weit höhere Summen als die bisher angegebenen 420 Millionen Euro korruptionsverdächtig. Insidern zufolge seien problematische Zahlungen von bis zu einer Milliarde Euro auf dem Prüfstand.
SEC: "Schlimmster Schmiergeldfall"
Die "F.A.S." schreibt weiter, die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) halte Siemens für den "schlimmsten Schmiergeld-Fall" ihrer Geschichte. So eindeutig hätten sich SEC-Vertreter gegenüber Siemens-Aufsichtsräten geäußert, berichtet das Blatt.
Ende April musste Siemens-Chef Klaus Kleinfeld das Handtuch werfen. Er scheidet Ende September aus dem Konzern aus. Nach einem Nachfolger Kleinfelds, der nach Angaben des Unternehmens in die Schmiergeldaffäre nicht verwickelt ist, wird noch gesucht. Wenige Tage davor trat Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer zurück. Seine Nachfolge trat Gerhard Cromme an.
Werben um Investoren-Vertrauen
In dieser Woche will Cromme in London um das Vertrauen der Investoren für den skandalgeschüttelten Konzern werben und zwei Tage Investoren Rede und Antwort stehen. Begleitet werde er von Finanzvorstand Joe Kaeser, der noch amtierende Vorstandschef Klaus Kleinfeld werde nicht dabei sein.
Vorwürfe gegen Aufsichtsratschef Cromme
Laut "Spiegel" muss sich unterdessen auch Cromme zur Wehr setzen. In einem Bericht vom Dezember 2006 an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates wird laut "Spiegel" der Eindruck erweckt, das Gremium sei seit Jahren über das Schmiergeldsystem in der Kommunikationssparte informiert gewesen. Cromme, der das Gremium leitet, wies dies im "Spiegel" zurück.
"Selbst ein bösgläubiger Mensch hätte hinter der Art der Darstellung nicht den Skandal vermuten können, vor dem Siemens heute steht", sagte er. Ein Arbeitnehmervertreter in dem Ausschuss erklärte, das Gremium sei offenbar bewusst hinters Licht geführt worden.
Einem Zeitungsbericht zufolge sind von der Schmiergeldaffäre bei Siemens sieben von zehn Konzernsparten betroffen. Wirtschaftlich steht der Konzern unterdessen glänzend da. Die zuletzt vom scheidenden Konzernchef Kleinfeld präsentierte Quartalsbilanz wies eine Gewinn nach Steuern von 1,259 Milliarden Euro aus.
(APA | dpa)