Open-Source-Szene wehrt Microsoft ab
Die Behauptung Microsofts, Linux und andere freie Software verletzten Patente des Software-Herstellers, hat in der Open-Source-Szene für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. IBM und Red Hat wollen notfalls eigene Patente gegen Microsoft einsetzen. Und Tim O'Reilly vergleicht Redmonds Chefanwalt Brad Smith mit dem fragwürdigen Kommunistenjäger Joseph McCarthy.
Befürworter von Open-Source-Software reagierten verärgert auf die Vorwürfe von Microsoft. Der Konzern "sagte nie, welches Patent verletzt wurde", und lege "nie einen Beweis vor", so Larry Augustin, ein Technologieinvestor, der 1999 die Entwickler-Website SourceForge.net gründete.
Aber das sei wohl auch nicht das Interesse von Microsoft, da die Entwickler schnell ihre Programme umschreiben könnten oder ein Gericht feststellen könnte, dass Microsofts Patent ungültig sei.
235 seiner Patente siehtMicrosoft durch freie Software wie das Betriebssystem Linux verletzt. Linux verstoße dabei gegen 42 Patente, erklärten Anwälte des Unternehmens.
Auf den Spuren von SCO ...
Microsoft selbst kündigte am Montag an, statt juristischer Schritte Lizenzabkommen mit den Entwicklern anzustreben.
Damit würde Microsoft in die Fußstapfen der US-Firma SCO treten, sagte der Vorsitze des deutschen Linux-Verbands, Elmar Geese.
SCO versuchte vor einigen Jahren mit einer ähnlichen Masche aus der Angst vor möglichen Rechtsstreitigkeiten rund um Software-Patente Profit zu schlagen, ohne jemals handfeste Beweise für die Anschuldigungen vorzulegen.
Scharfe Entgegnung von Linus Torvalds
Linus Torvalds, Initiator des Linux-Projekts, fand in Statements gegenüber dem US-Magazin InformationWeek harte Worte für Microsoft. Torvalds sagte dem Magazin, dass wahrscheinlich Microsoft mit Windows mehr Patente verletze als Linux. Auch er kritisierte, dass Microsoft sich nach wie vor weigere, die Patente zu benennen, die Linux angeblich verletze.
Die grundlegenden theoretischen Arbeiten an den Konzepten moderner Betriebssysteme seien bereits in den 1960er Jahren erledigt worden und hätten mittlerweile ihren Patentschutz verloren. Microsoft könne wohl mit der Wirkung seiner Verunsicherungstaktik glücklicher werden als mit etwaigen Patentklagen gegen Linux-Nutzer.
"Das ist ein Verzweiflungsakt"
Für die Vertreter des freien Bürosoftware-Pakets OpenOffice ist der Vorstoß Microsofts nicht wirklich nachvollziehbar.
"Ich verstehe die Motivation Microsofts nicht, so viel aufs Spiel zu setzen, indem sie eine Position beziehen, die Firmenkunden wie auch Millionen von Linux-Nutzern nur verunsichern kann", sagte etwa Louis Suarez-Potts gegenüber Infoworld.
OpenOffice soll laut Microsoft-Anwalt Brad Smith 45 Patente verletzen - Smith ging aber wie in allen anderen Vorwürfen nicht näher darauf ein, welche Patente das sein sollen.
"Das ist ein Verzweifelungsakt", so Suarez-Potts, der sich sicher ist, dass dieser nach hinten losgeht. Microsoft ziele mit einer Schrotflinte auf Open Source.
Zuletzt kamen einander Vertreter von OpenOffice und Microsoft rund um Open XML und ODF [Open Document Format] in die Quere.
Rüsten zum Patentkonflikt?
Eine Klage von Microsoft könnte schnell zu einem härteren rechtlichen Schlagabtausch führen.
Die Organisation Open Innovation Network [OIN], hinter der unter anderem IBM und das Linux-Unternehmen Red Hat stehen, hat inzwischen selbst zahlreiche Software-Patente gesammelt.
Sollte Microsoft klagen, dann würde OIN wohl zurückschlagen, sagte OIN-Chef Jerry Rosenthal. "Wird sind uns ziemlich sicher, dass Microsoft einige unserer Patente verletzt."
Ein Microsoft-Sprecher sagte am Montag: "Der letzte Vorschlag der GPLv3 versucht, die Brücke zwischen freier und proprietärer Software, an der Microsoft so lange gebaut hat, niederzureißen."
Microsofts McCarthy
Der einflußreiche Verleger Tim O'Reilly verglich Brad Smiths vage Aussagen am Dienstag in seinem Weblog mit den strategisch eingesetzten Lügen des berüchtigten Senators Joseph McCarthy, der in den 1950er Jahren behauptet hatte, im US-Aussenministerium exakt 206 Kommunisten zu kennen.
"Ich mag Brad Smith", schrieb O'Reilly, "er ist ein schlauer Bursche. Vielleicht wird das alles ein paar Geschäftskunden verunsichern. Aber diese ungeschickte PR-Aktion riecht mir zu sehr nach Verzweiflung."
(futurezone | AP)