Chipdesigner dringend gesucht

22.05.2007

Der steirischen Chipindustrie fehlt es an Designern für analoge Chipkomponenten. Geräte wie Handys, MP3-Player, Computertomographen und Wegfahrsperren bestehen auch aus analoger Elektronik, über die der Technikernachwuchs derzeit zu wenig lernt.

"Wir wachsen in Gratkorn pro Monat um acht bis zehn Mitarbeiter", sagt Ingo Spörk, Personalchef bei NXP Semiconductors, zu ORF.at, "für 2007 haben wir noch 100 Vakanzen, die zu besetzen sind, da wir laufend hoch qualifizierte Mitarbeiter brauchen."

Am Standort Gratkorn bei Graz, wo das weltweite Entwicklungszentrum des niederländischen Halbleiterkonzerns NXP angesiedelt ist, wird der Belegschaftsstand um 50 Prozent binnen eines Jahres auf über 300 Mitarbeiter [Ende 2007] anwachsen.

Darunter ist sehr viel ausländisches Personal, da die Anforderungen für analoge Chipdesigner sehr speziellen Charakter haben.

63 Prozent mehr Nachfrage ...

Dieser Trend wird auch in den nächsten Jahren anhalten, denn der Markt für "kontaktlose Smart Cards", also Kurzdistanz-Funkchips ["Proximity RFIDs"] auf Karten und Ausweisen von Reisepass bis Kreditkarte wächst mit noch höheren Raten als die Jobs.

Im Moment sind es 63 Prozent pro Jahr. Konkurrent Infineon [ebenfalls Graz] suche ebenso Spezialisten, um mit der Auftragslage zurechtzukommen, und zwar "händeringend", sagt Stefan Rohringer, Leiter des Funkchip-Entwicklungszentrums von Infineon in Graz.

... für Spezialchips

Unter den vielen Jobs im Bereich Spezialchips aber sind auffällig viele, die analoge Bauelemente aufweisen.

Auch austriamicrosystems [ams], ein Unternehmen, das mit seinem seit 25 Jahren in Unterpremstätten bei Graz angesiedelten Entwicklungszentrum für Analogchips die Pionerarbeit für den Chipstandort Graz geleistet hat, plagen Nachwuchssorgen.

In den vergangen Monaten ist die Nachfrage nach Funk- und anderen Spezialchips rasant gestiegen.

Drei der bedeutendsten Player auf dem Weltmarkt - NXP, Infineon und ams - haben ihre Entwicklungszentren in und um Graz. Wie die drei Hersteller im Detail positioniert sind, ist im ersten Teil der Serie nachzulesen.

Mensch, stockanaloges Wesen

Elektromagnetische Strahlung beziehungsweise Magnetinduktion oder Schallwellen sind eben keine digitalisierten, sondern analoge Übertragungsmittel, wie auch der Mensch ein stockanaloges Wesen ist.

Überall an den Schnittstellen der digital-elektronischen Sphäre mit der Lebenswelt - Mikrofone, Lautsprecher und Ausgänge verschiedenster Art - sind analoge Bauteile am Werken, die digital errechnete 0/1-Kombinationen wieder in Schwingungen oder Ströme usw. verwandeln.

Analogbauteile

Diese Analogbauteile, deren Qualität letztlich ausschlaggebend ist, ob das komplette Gerät zufrieden stellend funktioniert, sind deutlich schwieriger zu designen als digitale Chips.

Was dort bereits hochautomatisiert gemacht wird, muss im Analogbereich im Wesentlichen "manuell gemacht" werden. Während der digitale Teil jeder Mikrochip-Kombination jeweils nur die Zustände "ein" oder "aus" kennt, arbeitet der analoge Teil mittels variabler Ströme und Spannungen, um etwa niederfrequente Schallwellen von Handymikrofonen zu verarbeiten.

Blick auf den Schwingkreis

Im Anschluss werden die Schwingungen über einen Analog-digital-Konverter digitalisiert, wie umgekehrt auch die Funkchips in den Reisepässen analoge Komponenten aufweisen.

Ein Blick auf die Spirale der Antenne/Spule um den digitalen Chipbereich genügt, um zu sehen, dass es sich hier um einen analogen Schwingkreis handelt, dessen Länge und Gestalt ihn in ein bestimmtes "harmonisches" Verhältnis zur benutzten Sendefrequenz setzt.

Im Fall der "kontaktlosen Smart Cards" etwa im Reisepass schwingen Lesegerät und Chip gemeinsam auf 13,56 MHz, was einer Wellenlänge von etwa 22 Metern entspricht.

Derartige Schwingkreise so anzusteuern, dass auf ihnen digitale 0/1-Reihen transportiert werden können, erfordert erheblich andere Kenntnisse, als etwa einen Verschlüsselungschip mit vergleichsweise weit höherer Rechenleistung zu entwerfen oder einen digitalen Speicherchip, die ebenfalls in den neuen Pässen enthalten sind.

Transistor, Diode, Widerstand

Gesucht sind also Skills im guten, alten Elektronikbereich mit seinen Transistoren, Dioden und anderen Halbleitern, mit Widerständen, Kondensatoren, Spulen - alles analog, aber möglichst minaturisiert, Strom sparend und intelligent angeordent . Und der entscheidet letztlich, ob der Funkchip auch funkt oder der MP3-Player Musik an den Kopfhörerausgang liefert.

Rare Kombinationen

Designer mit diesen Fähigkeiten müssen daher über profundes Physik- und Elektronikwissen verfügen und gute Mathematiker sein.

Diese Kombination von Wissen ist in den letzten Jahren schon deshalb rar geworden, da der einschlägig interessierte Techniknachwuchs zum IT-Sektor, speziell zu den Netzwerkern, aber auch zu den Programmierern abwanderte, alles Bereiche, in denen Wissen um analoge Elektronik nicht erforderlich ist.

Bruchteil des Ladenpreises

"Das Interesse am Wissen um die analoge Elektronik war zu Zeiten unserer Jugend noch recht verbreitet bei jungen - praktisch ausschließlich männlichen - Leuten", sagt Peter Franck, der als Computer-Forensiker und Datenretter auch sehr viel mit Elektronik zu tun hat.

"Hobbys wie Radiobasteln und Amateurfunk waren vor 25 Jahren schon deshalb so beliebt, weil die Kombination aus Pioniergefühl und der Möglichkeit, elektronische Geräte zu einem Bruchteil des Ladenpreises selbst zu bauen, schier unwiderstehlich war."

China hat alles schon fertig

"Das Interesse der nachfolgenden Generationen nahm nicht zuletzt deshalb ab, weil man heute jedes denkbare elektronische Spielzeug zu einem Bruchteil der hiesigen Materialkosten aus China auf den österreichischen Ladentisch geliefert bekommt."

"Mir sind außer dem Wiener Metalab und dem Chaos Computer Club keine Einrichtungen bekannt, in denen das Wissen und das Interesse an allen Arten der Elektronik spielerisch gefördert wird. Ein Studium der Elektrotechnik scheint auf viele junge Leute jedenfalls eher abschreckend zu wirken, weil es einfach viel zu wenig von den coolen Sachen abdeckt, die man gerne machen würde", so Franck.

Electronics Evangelist

Auch im Bereich der Computer-Forensik mache sich dieser Mangel bemerkbar, sagt Franck: "Auch wir suchen Mitarbeiter, auf die dieses Anforderungsprofil passt, zusätzlich ist noch feinmechanisches Geschick erforderlich, was das Auffinden geeigneter Bewerber nicht eben erleichtert."

Franck verbringt einen Gutteil seiner freien Zeit damit, als "Electronics Evangelist" Hackern die Geheimnisse der Elektronik und des sonstigen analogen, technischen Lebens nahe zu bringen. Die praktische Palette von Francks täglicher, analoger Praxis reicht von selbst gebauten Helikopterdrohnen bis zu Kettensägen der feinen Marke Stihl.

Im nächsten Teil der Serie kommt ein Designer von Analog-Chips zu Wort, der diese seit 1984 entwirft.

(futurezone | JUK04 FH Joanneum)