Schöne neue Fernsehwelt
Beim Symposion TVienna sind Anbieter, Praktiker und Wissenschaftler der Frage nachgegangen, was neu am neuen Fernsehen ist, und haben die Möglichkeiten des digitalen, interaktiven und mobilen TV beleuchtet.
Digitales Fernsehen, Handy-TV, IP-TV und Web-based TV bringen Bewegung auf den Fernsehmarkt.
Auf Einladung des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien diskutierten am Dienstag Anbieter, Praktiker und Wissenschaftler über die Chancen und Grenzen der neuen Fernsehwelt.
Künftig solle der Austausch zwischen Fernsehmachern und Fernsehdenkern regelmäßig stattfinden, sagte Hannes Haas, Vorstand des Instituts. Ein Tagungsband zu dem vom Insitut für Publizisitik und Kommunikationswissenschaft gemeinsam mit der Telekom Austria und dem ORF veranstalteten Symposion soll demnächst erscheinen.
Klassisches TV auch weiterhin dominant
Für Alfred Grinschgl von der Regulierungsstelle RTR wird klassisches TV auch weiterhin für den Hauptanteil des TV-Konsums verantwortlich sein. Die Nutzungsformen werden sich nicht dramatisch ändern, sagte Grinschgl zum Auftakt der Veranstaltung.
Die Einführung des digitalen Antennenfernsehens DVB-T befindet sich in Österreich gerade in der Umsetzungsphase. In Vorarlberg und Tirol wurden die Analogsender bereits abgeschaltet. Am 4. Juni ist es in Salzburg und Linz so weit.
"Flottenverband mit Schnellbooten"
Auch ORF-Enterprise-Geschäftsführer Walter Zinggl glaubt nicht, dass die neuen TV-Nutzungsformen das klassische Fernsehen verdrängen werden.
Das alte Fernsehen könne jedoch von den neuen Vertriebskanälen profitieren: "Der Flugzeugträger jedes kommunikativen Flottenverbands ist und bleibt das erfolgreiche Format im Massenmedium", sagte Zinggl. Der werde jedoch "von kleinen, wendigen Schnell- und U-Booten" begleitet werden.
Nächster Schritt mobiles Fernsehen
Nach der Digitalisierung des Fernsehens sei der nächste Schritte die Mobilisierung des Fernsehens, sagte Michael Wagenhofer, Geschäftsführer der ORS [Österreichische Rundfunksender].
Bis 2011 werde mobiles TV weltweit rund 140 Millionen Nutzer haben, zitierte Wagenhofer eine Studie. DVB-H werde sich dabei in Europa als Übertragungsstandard durchsetzen.
Die Einführung von TV auf dem Handy - über den Standard DVB-H - soll in Österreich heuer vorangetrieben werden. Die Plattform Mobile TV austria startete im Februar erste Feldversuche. Bis zur Fußball-EM 2008 sollen TV-Services auf dem Handy in allen Landeshauptstädten verfügbar sein. Ende April wurde eine Reihe von Gesetzesnovellen zum mobilen TV zur Begutachtung ausgeschickt.
Erste Erfahrungen
Reinhard Zuba von der mobilkom berichtete von ersten Erfahrungen der mobilkom-Kunden mit dem Handyfernsehen. Bei Tests seien vor allem bekannte Programme gut angekommen.
Speziell für den kleinen Bildschirm produzierte Programme seien erst in einem nächsten Schritt interessant, sagte Zuba.
Mobil zu Hause
Durchschnittlich wurde mobiles Fernsehen von den Testern 33 Minuten pro Tag genutzt.
Eine hohe Nutzung verzeichnete das Handyfernsehen dabei überraschenderweise im Wohnzimmer. Das traditionelle Familienfernsehen werde zunehmend von persönlicheren und individuelleren Nutzungsformen abgelöst, meinte Zuba.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein zweimonatiger Feldversuch von Nokia und Sonera, der vergangenes Jahr in Stockholm durchgeführt wurde.
Was macht das Publikum?
Man solle die Bereitschaft der Konsumenten zur Nutzung der neuen Fernsehformen nicht überschätzen, riet Manfred Moormann von der Telekom Austria bei der abschließenden Diskussion zur Nutzung der neuen Fernsehformen. Bei der Gestaltung der Angebote sollten sich die Betreiber das Motto "Keep it simple" zu Herzen nehmen.
"Inhalte Schlüssel zum Erfolg"
Für ORF-Online-Direktor Thomas Prantner sind die Inhalte der Schlüssel zum Erfolg des mobilen Fernsehens. "Der Mensch ist ein Konsument", sagte Prantner: "Wir müssen den Leuten bieten, was sie wollen." Chancen sieht Prantner vor allem in den Bereichen Entertainment [Musik, Soaps, Comedy] und Information.
Im Rahmen des österreichischen Pilotprojekts für das mobile digitale Fernsehen DVB-H, "Mobile TV austria", ist am Montag die speziell für das neue Medium produzierte Sitcom "Anna & Du" gestartet.
Fußball als Zugpferd
Eine Einschätzung, die Alexander Koppel vom Mobilfunkbetreiber "3" [Hutchison] bestätigte. In Italien, wo "3" bereits mobiles Fernshen über DVB-H anbietet, sei das Angebot vor allem während der Fußball-WM 2006 gut angenommen worden: "Die Leute wollen das haben", sagte Koppel.
"Ich will so ein Fuzel-Ding nicht haben"
Eine Einschätzung, der sich der Journalist und Historiker Peter Huemer nicht anschließen wollte. Er wolle weder im Park noch in der U-Bahn fernsehen: "Ich will so ein Fuzel-Ding nicht haben", sagte Huemer, die Bildschirme seien schlicht zu klein.
Interaktivität kaum gefragt
Es sei wichtig, gute Inhalte auf möglichst vielen Plattformen zu verbreiten, meinte Markus Breitenecker, Geschäftsführer von SevenOneMedia Austria. Interaktive Möglichkeiten würden von den Kunden nur bedingt angenommen, sagte Breitenecker, diese seien für maximal fünf Prozent der Nutzer ein interessantes Zusatz-Feature.
"Freiheiten eingeschränkt"
Peter Purgathofer vom Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung an der TU Wien kritisierte, dass beim digitalen Fernsehen die Freiheiten der Menschen im Umgang mit dem Medium eingeschränkt würden. So könnten etwa TV-Sendungen am Handy durch Verschlüsselung im Gegensatz zum analogen Fernsehen nicht mitgeschnitten werden.
Neue Mediennutzungsformen, etwa Remixes und die Uminterpretation von Inhalten im Internet, würden durch neue digitale TV-Formen "in die Ecke geschoben", so Purgathofer.
"Realität der Nutzung entscheidend"
Der Kommunikationswissenschaftler Roland Burkhart verwies zuvor darauf, dass die Realität der Nutzung für die weitere Entwicklung des Fernsehens entscheidend sei.
Welche Potenziale des neuen Fernsehens real werden, sagte Burkhart, hänge vor allem davon ab, was Eingang in den Lebensalltag der Menschen findet.
Ab 60 Euro läßt sich jeder neuere Laptop zu einem tragbaren Digital-TV mit Fernbedienung aufrüsten. An die 100 verschiedene DVB-T-Sticks für die USB-Schnittstelle sind bereits zu moderaten Preisen auf dem Markt, auch unter Linux funktioniert's.
(futurezone | Patrick Dax)