High-Tech-Gruseln mit Klaus Knopper

31.05.2007

Zum Auftakt der Linuxtage in der Wiener Urania hat der österreichische Open-Source-Befürworter Klaus Knopper sein Publikum mit einer dystopischen Vision der voll kontrollierten digitalen Konsumentengesellschaft schockiert.

"In zehn Jahren wird es nicht mehr möglich sein, eine Datei auf einem Computer dauerhaft zu speichern", begann Knopper, einer der Stars der Linuxszene, seinen Vortrag über "die nächsten hundert Jahre von GNU/Linux" zur Eröffnung der Linuxwochen Wien 2007.

Die schleichende Abschaffung der Privatkopie an sich sei in den vergangenen zehn Jahren weltweit systematisch durch Gesetzesänderungen - Stichwort: "Schutz geistigen Eigentums" - eingeleitet worden.

Mieten statt besitzen

Dazu käme "Digital Restrictions Management" [DRM], also "Kopierschutzmaßnahmen" seitens der Content-und Software-Industrie, sowie deren Geschäftsmodell, das Miete statt Kauf von Software, Filmen und Musik vorsehe. In zehn Jahren werde diese Entwicklung abgeschlossen sein, "Kopien gibt es dann nicht mehr", sprach der Begründer der beliebten Knoppix-Distribution.

Das aber mache nichts, denn in 20 Jahren werde es ohnehin keine Software mehr geben, wie wir sie jetzt kennen, sondern nur noch einzelne Firmen, die sämtliche Coyprights und Patente auf alle nur denkbaren Software-Anwendungen halten.

Vom Tod des PC

Hier ging ein hörbares Gruseln durch den überfüllten Dachsaal der Wiener Sternwarte Urania, in der am ersten Tag auffällig viele sehr junge Programmierer beiderlei Geschlechts zugegen waren. "Ich werde mir dann wohl auch einen anderen Job suchen müssen", sagte Knopper, denn herkömmliche Software werde ohnehin nicht mehr gebraucht - mangels herkömmlicher PCs.

"In 30 Jahren gibt es nämlich keine PCs mehr, sondern nur noch Personal XXL Entertainment Media Centers, die billiger als Universalcomputer sind und völlig unter Kontrolle der Entertainment-Industrie stehen." Der Computer, wie wir ihn heute kennen, werde aussterben, so Knopper vergnügt weiter, der die zunehmende Irritation des Publikums sichtlich genoss.

Spaß mit High-Tech-Provokationen

Logischerweise werde in 50 Jahren niemand mehr einen Computer bedienen können, aber "auch das ist nicht so schlimm, weil es in 100 Jahren sowieso keine Menschen mehr gibt", sagte Knopper seiner verblüfften Zuhörerschaft.

Durch einen "Freak-Accident", also irgendeinen echt blöden Zufall, ausgelöst durch einen Fehler im Programm, werde sich die Menschheit selbst vernichten, die Maschinen aber würden sicher noch lange weiterlaufen.

Pinguine aus dem Weltraum

Dann hatte der Linux-Evangelist doch ein Einsehen und setzte fort: "Und dann werden die Aliens landen und die Welt durch freie Software retten." Derlei Nachtgedanken überkämen einen halt typischerweise nach drei durchprogrammierten Nächten - Gelächter, Applaus.

Knoppix

Knopper ist mit seiner Live-Distribution Knoppix ein Pionier der bedienungsfreundlichen Linux-Varianten, die, von Ubuntu bis zur Wiener Magistratsversion Wienux, auf Debian Linux basieren.

Knoppix barrierefrei

Knopper, der übrigens österreichischer Staatsbürger ist, kam selbstverständlich nicht nur nach Wien, um Nachtgedanken eines Linux-Programmierers zum Besten zu geben.

Am Samstag wird er seine neue Distribution "Knoppix Adriane" vorstellen, ein einfaches Linux, das für die Sprachausgabe optimiert ist und mit einem Braille-Printer kombiniert werden kann. Ein Linux für Sehbehinderte also, das Knopper am Samstag zusammen mit seiner Gattin Adriane präsentieren wird.

Barrierefreies Computing ist einer der Schwerpunkte der diesjährigen Linuxwochen.

(futurezone | Erich Moechel)