Der lange Weg zum semantischen Web
Eine Konferenz in Wien widmet sich dieser Tage dem semantischen Web und wie es kommerziell genutzt werden kann. Ora Lassila vom Nokia Research Center sieht in einem solchen "intelligenten" Web mehr Freiheit für den Nutzer und einen wichtigen Grundstein für die Vision vom omnipräsenten Computer.
Am Donnerstag fiel in Wien der Startschuss für die erste Europäische Konferenz für Semantische Technologien [ESTC], die sich als Ziel gesetzt hat, "die Industrie mit semantischen Technologien zu befruchten".
Entsprechende Veranstaltungen verfolgten bisher meist einen akademischen Ansatz, in Wien soll sich nun alles um Business-Modelle und kommerzielle Aspekte drehen, wie es bei der Pressekonferenz zur Eröffnung hieß.
"Laut Studien wird sich der Markt für semantische Technologien bis 2010 auf 40 Mrd. US-Dollar vervielfachen", erklärte John Davies von der British Telecom. In Europa zeige sich die Bedeutung der Technologie nicht nur am Engagement der Branchenriesen, sondern auch an der Vielzahl von Start-ups, die in diesen Bereich drängen.
Ein Web, das Inhalte "versteht"
Internet-Pionier Tim Berners-Lee erklärt das Semantic Web in einem Artikel im "Scientific American" als eine Erweiterung des herkömmlichen Webs, in der Informationen mit eindeutigen Bedeutungen versehen werden, um die Arbeit zwischen Mensch und Maschine zu erleichtern.
Konkret versucht man dabei, die Bedeutung von Daten in einer maschinenlesbaren Form zu speichern. Ora Lassila vom Nokia Research Center in Cambridge war maßgeblich an der Entwicklung des Resource Description Frameworks [RDF], einem Grundstein des semantischen Internets, beteiligt.
Bei der Veranstaltung präsentieren bis Freitag internationale Konzerne wie Audi, British Telecom, SAP, Siemens und Vodafone sowie Forschungsinstitute und Universitäten beispielsweise aus Cambridge, Darmstadt und Innsbruck ihre Pläne im Bereich semantische Technologien.
Kein Science-Fiction mehr
Bei seiner Keynote in Wien erörterte Lassila den Status quo des Semantic Web und welche Hürden noch genommen werden müssen. "2001 war das Semantic Web noch Science-Fiction", so Lassila.
Mittlerweile nähere man sich aber seinem Ziel, nämlich dasselbe für Daten zu machen, was das originale Web für lesbare Information geschafft habe. Es seien zwar noch viele Technologien nötig, wie bei einem Puzzle seien aber bereits einige Einzelteile fertig.
Daten als Gefangene
Generell sieht Lassila im semantischen Web mehr Nutzerfreundlichkeit und Interoperabilität: "Derzeit halten Anwendungen Daten oft 'gefangen'", erklärte er, "ich finde das beleidigend". Die Freiheit der Nutzer solle maximiert werden.
Im Moment müssten sich Computernutzer noch viel zu sehr mit bedeutungslosen Details herumschlagen. "Wir machen fast die ganze Arbeit. Die Technologie macht es uns nur wenig leichter", so Lassilas Meinung. Wir seien gefangen in alten Ansichten von der PC-Nutzung und müssten uns für etwas Neues öffnen. Die Systeme sollen künftig "verstehen" was der Nutzer macht.
Das Konzept des Semantic Web ist zwar in aller Munde, die Verwirklichung lässt aber noch auf sich warten. Auf der Konferenz "Semantics 2006" in Wien wurde vergangenen Herbst die Vision einer neuen Wikipedia vorgestellt, die Inhalte nicht nur präsentieren, sondern auch "verstehen" wird.
Nokia entwickelt semantisches Handy
Am Nokia Research Center [NRC] in Cambridge, das eng mit dem MIT zusammenarbeitet, werde derzeit das Projekt "Connecting Me" realisiert, das semantische Technologien auf das Mobiltelefon bringen soll. Dabei sollen soziale Netzwerke im Informationsmanagement genutzt werden.
Ziel sei es, dass das Handy eine anrufende Person nicht nur namentlich einordnet, sondern sie auch die Beziehung zum Nutzer erklärt, auch wenn dieser den Anrufer gar nicht kennt. Das Management und die Präsentation von Daten müssten dafür aber überdacht werden.
Auf dem Weg zum "Überall-Computer"
Im Endeffekt ziele das Semantic Web darauf ab, Personal Computing einfacher zu gestalten. Lassila sieht darin auch eine Möglichkeit, dem Informationsüberfluss Herr zu werden: "Wir sind durstig nach Informationen und ertrinken in Daten."
Das semantische Web sei aber auch ein wichtiger Bestandteil für die Realisition der lange gehegten Vision vom Ubiquituous Computing. Dies sei aber nach wie vor ein "Interoperabilitätsalbtraum".
Lassila beschäftigt sich seit 1996 mit der Idee des semantischen Webs, ist Autor des Semantic-Web-Toolkits "Wilbur" und arbeitet derzeit an einem Browser für RDF-Daten unter dem Titel "OINK".
(futurezone | Nayla Haddad)