Bundesrat bremst Überwachungspläne
Die deutsche Ländervertretung hat sich gegen eine Ausweitung der Fristen für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Auch die Koppelung des EU-Überwachungsplans mit der heimlichen Online-Durchsuchung von PCs wies die Kammer zurück.
Die von einigen deutschen Bundesländern geforderte zusätzliche Verschärfung der Telefon- und Internet-Überwachung hat in der Länderkammer des deutschen Parlaments, dem Bundesrat, keine Mehrheit gefunden.
Bei der ersten Beratung des Gesetzesentwurfs der Regierung lehnte die Länderkammer am Freitag die meisten Vorschläge ab, für Überwachungsmaßnahmen den Straftatenkatalog noch auszuweiten.
Schlappe für Schäuble
Keine Mehrheit fand auch die Forderung, die Speicherung sämtlicher Telefon- und Internet-Verbindungen [Data-Retention] von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Zurückgewiesen wurde schließlich auch der Vorstoß des deutschen Innenministers Wolfgang Schäuble [CDU], im Zuge dieses Gesetzes die heimliche Online-Durchsuchung von Computern einzuführen.
Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten des deutschen Bundesrates haben der Länderkammer empfohlen, die Speicherfrist für die Data-Retention von sechs Monaten auf ein Jahr auszuweiten. Der Bundesrat ist dieser Empfehlung ebenso wenig gefolgt wie jener des Ausschusses für Innere Angelegenheiten, die verdeckte Online-Untersuchung in die Strafprozessordung aufzunehmen.
Sozialdemokraten auf Schlingerkurs
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Alfred Hartenbach [SPD], sprach angesichts von 56 Änderungswünschen des Bundesrates von einer "wahrhaft stattlichen Zahl". Er verteidigte den Regierungsentwurf als angemessen.
Hartenbach warnte vor einem "Strafverfolgungseifer ohne Augenmaß". Die Forderungen nach weiteren Eingriffsbefugnissen des Staates wies er als unbegründet zurück. Ein Rechtsstaat sei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.
Unionspolitiker für mehr Überwachung
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff [CDU] trat für eine längere Speicherung der Verbindungsdaten ein. "Ich halte eine einjährige Speicherung für vernünftig. Das ist notwendig nach den Madrider und Londoner Anschlägen", sagte er vor Beginn der Sitzung.
Die bayrische Justizministerin Beate Merk [CSU] warb in der Aussprache für eine Verschärfung. Dem vorliegenden Regierungsentwurf könne Bayern nicht zustimmen. Nachdrücklich forderte sie auch, Online-Durchsuchungen bereits mit diesem Gesetz zu regeln.
Umsetzung der EU-Vorgaben
Mit der halbjährigen Speicherung der Telefon- und Internet-Verbindungsdaten setzt die Regierung eine EU-Vorgabe um, bleibt aber bei der Speicherdauer am unteren Rand. Dabei wird erfasst, wer wann mit wem telefoniert hat.
Bei Mobilfunkgesprächen wird zudem der Standort bei Beginn der Verbindung festgehalten. Die Speicherung soll den Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität verbessern. Die neuen Regeln für die Telefonüberwachung sollen den Grundrechtsschutz stärken.
Die Regierung reagiert damit auch auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist eine Überwachung unzulässig, wenn das Gespräch den Kernbereich privater Lebensführung betrifft. Die Telefonüberwachung soll auf schwere Straftaten beschränkt werden.
Speicherung auf Vorrat verfassungswidrig
Der ehemalige Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichts und frühere deutsche Innenminister Ernst Benda sieht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die geplante Vorratsdatenspeicherung in erheblichem Maße betroffen.
"Mit wem ich über das Telefon, das Fax oder auf andere Weise Verbindung aufnehme, sind sehr persönliche Daten. Besonders fragwürdig ist die Speicherung auf Vorrat", sagte Benda dem ARD-Nachrichtenportal Tagesschau.de. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Volkszählungsurteil von 1983 ausdrücklich eine Speicherung auf Vorrat für nicht zulässig erklärt.
(dpa | futurezone)