Vor US-Sammelklage gegen SWIFT
Ein Gericht in Chicago hat die Einsprüche der weltweiten Finanztransferzentrale SWIFT zur Sammelklage wegen der Weitergabe von Finanzdaten an US-Behörden mehrheitlich abgelehnt. US-Anwalt Carl Mayer, einer der drei Klagevertreter, über das weitere Prozedere im Gespräch mit ORF.at.
Während die EU-Datenschutzbeauftragten im Falle SWIFT zwar konstatiert haben, dass die internationale Finanztransferzentrale mit der Weitergabe von Finanztransferdaten gegen EU-Datenschutzrecht verstößt, blieben rechtliche Folgen in Europa bisher aus.
In den USA hingegen wird SWIFT geklagt, und zwar gleich richtig. Die Sammelklage der drei US-Anwälte Steven Schwarz, Carl Mayer und Bruce Afran hat nun eine wichtige Hürde genommen.
In der vergangenen Woche hat ein Bezirksgericht in Chicago die Einsprüche der SWIFT-Anwälte gegen die Eröffnung eines Verfahrens großteils abgelehnt und ist in den entscheidenden Fragen ganz offensichtlich den klagenden Anwälten gefolgt.
Wie viele Konten?
"Wir werden nun so schnell wie möglich mit dem 'discovery' beginnen", sagte Carl Mayer aus New Jersey am Telefon zu ORF.at.
"Discovery" bedeute, dass nun damit begonnen werden könne, bestimmte Dokumente und Stellungnahmen einzufordern, vor allem, was das Ausmaß der von SWIFT weitergegebenen Daten an die US-Behörden betrifft: "Wir müssen genau wissen, wie viele Konten von der Weitergabe betroffen sind."
So viele Daten
Mit "Subpoenas", einstweiligen Verfügungen auf rein administrativer Basis, hatte das US-Finanzministerium die Herausgabe einer Unzahl von Finanzdatensätzen seit September 2001 erzwungen.
SWIFT-Aufsichtsrat Günther Gall hatte kurz nach Auffliegen des Skandals im Juni 2006 gegenüber ORF.at von "weniger als einem Prozent" der gesamten von SWIFT prozessierten Datensätze gesprochen, die übermittelt wurden.
Angesichts der Tatsache, dass SWIFT derzeit 13 Millionen Finanztransaktionen pro Tag prozessiert, wären das - konservativ gerechnet - um die 20 Millionen Datensätze pro Jahr.
So viel NSA und CIA
Die Datenweitergaben wurden im September 2001 begonnen. Dass die Daten bei US-Nachrichtendiensten landen, wird von SWIFT zwar heftig bestritten.
Im Vorstand der mit dem "Auditing" der US-Datensuche betrauten Firma Booz Allen Hamilton saß NSA-Chef Mike McConnell, bis er vor wenigen Monaten zum Geheimdienstkoordinator der Regierung Bush berufen ward.
Ex-CIA-Chef James Woolsey, Autor des legendären Gastkommentars im "Wall Street Journal" mit dem Motto "Ja, Europäer, wir spionieren euch aus", ist noch immer im Vorstand der "externen, unabhängigen Auditing-Firma", die über den datenschutzgemäßen Umgang mit EU-Finanzdaten wacht.
Klage zulässig
SWIFT wurde im Spruch des Chicagoer Gerichts - das Dokument liegt ORF.at vor - anhand eines Präzedenzfalls in einem Punkt Recht gegeben, zwei weitere Angriffspunkte der Kläger bewertete Bezirksrichter James F. Holderman als zulässig.
Die klagenden Parteien könnten nach Korrektur der vom Gericht monierten Formalfehler im vierten und letzten Punkt auch damit antreten, lautet der Entscheid des Gerichts.
"Right to Financial Privacy Act"
Dafür wurde den Klagenden eine Frist bis 29. Juni eingeräumt, sodann wird noch eine Stellungnahme von SWIFT abgewartet.
Die stattgegebenen Klagepunkte betreffen den "Right to Financial Privacy Act" - also ein US-Finanzdatenschutzgesetz - sowie den vierten Zusatz zur US-Verfassung. Der schützt Leib und Eigentum der Bürger gegen unberechtigte Durchsuchungen und Beschlagnahmen und ist damit auch eine Art Datenschutzparagraf.
Ein US-Konsumentenschutzgesetz
Der dritte Klagepunkt, der von ursprünglich vier Punkten übrig geblieben ist, betrifft kein Bundesgesetz, sondern den "Consumer Fraud and Deceptive Business Practices Act" des US-Bundesstaates Illinois, ein Konsumentenschutzgesetz.
SWIFT habe sich nicht an die eigenen Geschäftsbedingungen gehalten und damit die Kläger getäuscht, lautet die Beschuldigung.
An der bisherigen Rechtssprechung seien in vergleichbaren Fällen, in denen Finanzdaten illegal weitergegeben wurden, im Schnitt 100 Dollar pro Vorfall verhängt worden. SWIFT stehe also eine Klage in Milliardenhöhe ins Haus, sagte Mayer zu ORF.at.
Vorlaufzeit zwei bis drei Jahre
"Üblicherweise haben Sammelklagen eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Jahren", so Mayer abschließend, der sich optimistisch zeigte, dass es in diesem Fall schneller gehen könnte.
Ursprünglich eingereicht hatte man im Fall "Ian Walker und Stephen Kruse gegen SWIFT" - Walker und Kruse sind die Privatkläger - vor einem Jahr. Die bis zum 29. Juni zu formulierende, neue Version der Klageschrift ist bereits die dritte, jeweils nach Richterbescheid modifizierte.
Dieselben drei US-Anwälte orchestrieren auch die laufenden "class action suits" [Sammelklagen] gegen den Telekom-Konzern AT&T, der dem Geheimdienst NSA Zugang zu seinen Datencentern gewährt hat.
Und in Europa?
Hier zu Lande haben die EU-Datenschützer am Donnerstag SWIFT mit Stichtag 1. September 2007 aufgetragen, allen angeschlossenen Banken etwas auszurichten, berichtete Associated Press am Donnerstag.
Die Banken müssen ab dann ihre Kunden darüber informieren, dass die Daten ihrer innereuropäischen Transaktionen bei US-Behörden landen könnten.
(futurezone | Erich Moechel)