"USA bedrohen Internet-Freiheit"
Im Vorfeld des UN-Informationsgipfel hat der Chaos-Computer-Club die amerikanische Urheberrechtspraxis scharf kritisiert.
Diese und die Anti-Terrormaßnahmen der USA bedrohten die Freiheit im Internet mehr als die Zensur der chinesischen Regierung, sagte der Sprecher des Computer-Clubs, Andy Müller-Maguhn, am Dienstag gegenüber "tagesschau.de".
"Die chinesische Regierung versucht, Informationen, die ihr nicht gefallen, zu unterdrücken, und in den USA ist die Transparenz unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung im Internet dramatisch eingeschränkt worden", klagte Müller-Maguhn, der auch als Vertreter im Direktorium des Internet-Kontrollgremiums ICANN [Internet Corporation for Assigned Names and Numbers] sitzt.
Der neue amerikanische Urheberrechtsschutz sei "alles andere als liberal". Die Verfügbarkeit von Daten werde dadurch eingeschränkt, dass genau geregelt ist, wer auf welche Daten zugreifen kann und wer nicht.
"Das ist eine viel größere Bedrohung für das Internet als nationalen Empfindlichkeiten politischer Natur, wie zum Beispiel in China", kritisierte Müller-Maguhn.
Weltinfogipfel gegen "digitalen Graben"Amnesty kritisiert China, Vietnam und Tunesien
Angesichts des Gipfels zur Informationsgesellschaft hat auch amnesty international [ai] die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung übers Internet in vielen Ländern kritisiert.
Auch in einigen der Länder, die auf dem Genfer Gipfel eine Prinzipienerklärung unterzeichnen wollen, würden Internet-Nutzer behindert, Journalisten verfolgt und Oppositionelle eingesperrt, kritisierte ai am Dienstag in Genf.
Als Beispiele nannte die Organisation China, Vietnam und Tunesien. Die Lage in dem nordafrikanischen Land sei "besonders Besorgnis erregend", weil die Medienfreiheit dort "systematisch verhöhnt" werde. In Tunesien soll 2005 die Folgekonferenz des Genfer Gipfels stattfinden.
Bei dem Treffen in Genf soll ab Mittwoch unter anderem die Kluft zwischen Entwicklungs- und Industrieländern beim Zugang zu modernen Kommunikationsmitteln erörtert werden. Auf dem dreitägigen Gipfel wollen Staats- und Regierungschefs aus etwa 50 Staaten unter anderem einen Aktionsplan verabschieden, wie diese Informationskluft verringert werden soll.
World Summit on the Information SocietyNiedrige Erwartungen
Hohe Erwartungen dürfen unterdessen an den UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft wohl nicht gerichtet werden: "Es wäre eine Illusion zu sagen, dass sich nach Genf alles ändern wird", sagte der Schweizer Delegierte Marc Furrer, der im November Vorgespräche zu dem Treffen leitete.
"Aber es ist ein wichtiger Schritt, denn die Diskussion über die Kontrolle [des Internets] wird erstmals angestoßen."
Die in Genf erwarteten Staats- und Regierungschefs stammen vor allem aus Entwicklungsländern. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte seine Teilnahme in letzter Minute ab.
Die USA wollten eine Delegation auf niedriger Ebene entsenden. Der kubanische Staatschef Fidel Castro entschied sich ebenfalls gegen eine Teilnahme, wie die diplomatische Vertretung Kubas in Genf am Montag mitteilte. Der simbabwesische Präsident Robert Mugabe hingegen kann trotz einer Einreisesperre an dem Gipfel teilnehmen. Die Schweiz erteilte Mugabe eine Ausnahmebewilligung.
Vor allem Entwicklungsländer sprachen sich in den vergangenen Wochen dafür aus, den Vereinten Nationen die Regulierung des Internets zu übertragen. Bisher liegt die Aufsicht über die Verwaltung von Internet-Adressen bei der ICANN. Diese geriet in den vergangenen Jahren wegen ihrer privatwirtschaftlichen und amerikanischen Wurzeln verstärkt in die Kritik.
Netzverwaltung soll unter UNO-Kontrolle