Schäuble: EU soll Passagierdaten sammeln
Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble zieht eine Bilanz seiner Tätigkeiten während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und schlägt ein europäisches System zur Passagierdatensammlung nach US-Vorbild vor. Auch die österreichische Regierung stimmt dem Abkommen zu.
Zum Schutz vor Terroranschlägen muss die Europäische Union nach Ansicht Schäubles [CDU] selbst Daten von einreisenden Fluggästen sammeln.
"Wir wollen ein europäisches System", sagte Schäuble am Freitag in Berlin. Weltweit müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, um an die notwendigen Erkenntnisse zu kommen.
19 statt 34 Datenfelder
Schäuble hatte eine Vereinbarung mit US-Heimatschutzminister Michael Chertoff getroffen. Danach sollen die für den Anti-Terror-Kampf zuständigen US-Behörden künftig nur noch 19 statt bisher 34 Datenfelder einsehen können.
Außerdem hätten die USA keinen direkten Zugriff auf die Datensysteme der europäischen Fluglinien mehr. Die Fluglinien übermitteln den Datensatz an die US-Behörden.
Zustimmung aus dem Innenministerium
Michaela Huber, Sprecherin von Innenminister Günther Platter [ÖVP], sagte auf Anfrage von ORF.at, dass die österreichische Regierung der Einigung zwischen der EU und den USA zustimme, da der Datenschutz berücksichtigt wurde.
Passagierdaten: Qualität statt Quantität
Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums sagte auf Anfrage von ORF.at, dass die wesentlichen Flugpassagierinformationen wie Name, Adresse und Kreditkartennummer weiterhin übermittelt werden würden.
Da es viele inhaltliche Überschneidungen in den bisherigen 34 Datenfeldern gegeben habe, handle es sich bei der Reduktion der Datenfelder nicht um eine Verminderung der Informationen, sondern vielmehr um eine Straffung. Der Sprecher habe die Liste mit den 19 Feldern noch nicht in den Händen gehabt, diese würde von der EU-Kommission demnächst veröffentlicht werden.
Es sei im Interesse der Europäer gelegen, die Flugdatenübermittlung mit den USA gemeinsam zu regeln. Die USA hätten ein legitimes Interesse, die Einreise in ihr Land zu überprüfen, und hätten die Maßnahmen nach dem langen Streit über die Art und Weise der Übermittlung auch unilateral umgesetzt. Auf Grund des guten Einvernehmens zwischen Schäuble und Chertoff habe eine gemeinsame Lösung gefunden werden können.
Die von Schäuble angekündigte EU-Version des Flugdatenspeicherprogramms befinde sich noch in der frühen Konzeptionsphase, es gebe diesbezüglich noch nichts Handfestes zu berichten. Die EU-Innenminister wüssten schon über die Pläne Bescheid. Ob die EU-Lösung mit dem Speicherprogramm der USA kompatibel sein werde, sei noch nicht absehbar.
15 Jahre Datenspeicherung
Die USA können die Angaben künftig 15 Jahre speichern statt bisher nur dreieinhalb. Europäische Datenschützer fürchten daher einen schwerwiegenden Eingriff in die Bürgerrechte. Schon jetzt haben die USA Zugriff auf Angaben von der Adresse bis zur Kreditkartennummer. Washington hatte eine Speicherdauer von 40 Jahren verlangt.
Datenverdichtung
Bei dem neuen Abkommen zur Weitergabe von Flugpassagierdaten an die USA hat die Europäische Union nach Angaben eines Diplomaten optisch nachgebessert: Die Datenschutzbilanz sei "leicht geschönt", sagte ein EU-Diplomat am Freitag in Brüssel der Agentur AFP.
Bisher waren unter den 34 Angaben, die an die USA gingen, etwa Adresse, E-Mail-Adresse und Telefonnummer als separate Punkte aufgeführt. Jetzt heißt es unter Punkt sieben nur noch "alle verfügbaren Kontaktinformationen".
Auch die bisher getrennten Angaben zu Reisebüro und Reisebüromitarbeiter sind nun in einem Punkt zusammengefasst. Das Gleiche gilt für Sitznummer und Sitzinformation - die zwei Punkte sind nun einer. Zwei Punkte sind dagegen effektiv gestrichen: Dazu gehört die Angabe, ob es sich um ein Last-Minute-Ticket handelt und ob der Reisende den Flug gekauft, aber nicht angetreten hat.
Der deutsche Innenminister verteidigte auch das umstrittene US-System zur Sammlung von Fluggastdaten. Die Amerikaner hätten gute Gründe, wissen zu wollen, wer in die USA fliegt. Es sei schwierig gewesen, sie zu einem rechtlich verbindlichen Abkommen zur Behandlung der Fluggastdaten zu bringen.
Das sei nicht der Ehrgeiz des deutschen EU-Vorsitzes gewesen, sagte Schäuble in seiner Bilanz zum Ende der Präsidentschaft. Doch hätten andere EU-Staaten gebeten, dass Deutschland dieses Problem lösen möge.
Kritik von Datenschützern
Der deutsche EU-Vorsitz und die EU-Kommission zeigten sich zufrieden mit dem Abkommen. Der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx fürchtet dagegen einen Eingriff in die Bürgerrechte. Er kritisierte Schäuble in einem Brief dafür, dass es "keine Grenze gibt, was US-Behörden mit den Daten tun können". Auch könnten sich EU-Bürger nicht wirksam gegen einen möglichen Missbrauch wehren.
Ein erstes Abkommen zur Fluggastdaten-Übermittlung zwischen den USA und der EU hatte der Europäische Gerichtshof im Mai 2004 nach einer Datenschutz-Klage des Europaparlaments gekippt. Die Luxemburger Richter bemängelten aber lediglich die fehlenden Rechtsgrundlage. Das neue Abkommen ist dem deutschen EU-Vorsitz zufolge umfassend rechtsverbindlich.
Hustinx' Brief
Auf Anfrage von ORF.at kritisierte ein Sprecher des Europäischen Datenschutzbeauftragten am Freitagnachmittag, dass seine Behörde nicht in die Gespräche mit den USA involviert worden sei.
Man habe die Dokumente des Abkommens noch nicht zu Gesicht bekommen. Hustinx habe die Position der Behörde bereits am Mittwoch in einem Brief an Schäuble mitgeteilt, den die Bürgerrechtsorganisation Statewatch mittlerweile auf ihrer Website veröffentlicht hat.
Hustinx kritisiert darin vor allem die Ausweitung der Datenspeicherfrist. Außerdem könnten beliebige US-Behörden auf die Daten zugreifen, ohne dass die EU darüber Kontrolle ausüben könne. Es sei auch keine rechtliche Möglichkeit für EU-Bürger vorgesehen, gegen die unrechtmäßige Verwendung ihrer Daten in den USA Einspruch einzulegen.
In einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung, in der Schäuble über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Bilanz zieht, begrüßt er das neue Abkommen über den Flugdatenaustausch mit den USA, das ab 31. Juli die noch laufende Interimsvereinbarung durch ein dauerhafteres Konstrukt ersetzen wird.
Schäuble zeigte sich auch über den während der deutschen Ratspräsidentschaft gestarteten grenzüberschreitenden Austausch biometrischer Daten und die Entwicklung der EU-Grenzverteidigungsbehörde Frontex zufrieden.
(dpa | AFP | futurezone)