Das iPhone als zerlegter Fetisch
Marktbeobachter schätzen, dass Apple und AT&T in den ersten Verkaufstagen eine halbe Million iPhones unters Volk gebracht haben. Einige davon haben bereits unter den Händen von Bastlern ein öffentliches Ende gefunden. Denn zu viel Faszination am Gerät kann auch fatal sein.
Wie Apple-Kenner Steven Levy in seinem Buch "The Perfect Thing" schreibt, hat Apple-Chefdesigner Jonathan Ive bei der Gestaltung des Ur-iPods besonders viel Zeit und Energie darauf verwendet, die Elektronik des Musikspielers in eine Hülle einzukapseln, die keine Naht aufweist.
Der iPod verdankt einen guten Teil seines Erfolgs der Tatsache, dass er eine geschlossene Einheit ist, quasi ein Symbol seiner selbst - und einer ganzen Klasse von Geräten. Eigentlich ist der iPod heute schon mehr Symbol als Gerät. Er ist ein Fetisch.
Die endgültige Form
Auch das iPhone soll so ein Fetisch werden und dem vernetzten Taschencomputer seine endgültige Form geben. Schon jetzt erlöst es die US-Mobiltelefonindustrie aus ihrer Zweitklassigkeit. Schätzungen von Marktforschern und Analysten gehen davon aus, dass am ersten Verkaufswochenende von 200.000 [Global Equities Research] bis 500.000 [Piper Jaffray] iPhones abgesetzt wurden.
Ob 200.000 oder eine halbe Million verkauft wurden, ist dabei zunächst egal. Allein zählt die Erbauung im Glauben. Die traditionell Japan und Europa hinterherhinkende US-Mobilfunkindustrie, die in jüngster Zeit auch noch Motorolas Straucheln verkraften musste, ist dank Apple endlich wieder sexy.
Schraubenzieher-Atheismus
Es gibt aber auch professionelle Zweifler, die den Fetisch demontieren und das allzu glatte Gerätchen mit groben Werkzeugen aufbrechen. Die in Apple-Kreisen übliche Bildfolge beim Auspacken einer neuen Maschine verlängern sie bis hin zur Zerstörung.
Die Apple-Blogger von Think Secret stellen dabei fest, dass das iPhone voller Elektronik ist, und machen es kaputt. Der Fetisch wirkt aber auch dann, wenn er zerschmettert vor seinen Jüngern liegt. Um ihn wirklich zu verstehen, müsste man weiter gehen, hinein in die Chips und Algorithmen.
SIM-Wechsel funktioniert doch
Die Bastler der Apple-Site iFixit gehen sorgfältig und analytisch vor. Sie zeigen auch, dass sich die SIM-Karte des iPhone sehr wohl wechseln lässt, ohne dass der User das Gehäuse aufstemmen müsste. Dazu müsse man einfach mit dem Drahtende einer aufgebogenen Büroklammer in ein kleines Loch neben dem SIM-Schacht an der Oberseite des Telefons hineindrücken und die digitale Identität des iPhones käme heraus.
Eine Prozedur, die an frühe Apple-Zeiten erinnert, in denen man auf diese Weise noch feststeckende Disketten aus dem Laufwerk drücken konnte. Standesgemäß wäre wohl ein motorischer Auswurf der SIM gewesen, wobei das iPhone das satte Original-Diskettenauswurfgeräusch eines Alt-Macs abspielen sollte.
Im Reich der Zeichen
Der Rest besteht aus dem eingebauten Akku, der voraussichtlich ungefähr so lange halten wird wie der zweijährige Vertrag seines Nutzers mit dem Mobilfunkanbieter, sowie diversen Platinen und Chips für Bluetooth, Sound, Speicher und WLAN. Immerhin zeigt Apple, dass man diese öden Komponenten auch zu einer ansprechenden Gesamtheit zusammenbauen kann.
Bleibt nur noch die Frage, wie sich das iPhone in der subtilen Zeichenhierarchie der Geschäftswelt durchsetzen können wird. Gibt es noch einen Platz in oder über der althergebrachten Abstufung "normales Telefon" [Nobodys alias "Human Resources"], "BlackBerry" [Trostgerät für mittlere Manager, die noch selbst arbeiten müssen und denen man die Sekretärin wegrationalisiert hat] und "Assistent mit BlackBerry" [echter Chef]?
Burberry, Chanel - Apple?
Das iPhone steht wahrscheinlich neben dieser Ordnung. Es funktioniert beispielsweise als Insignum halbwegs erfolgreicher Einzelunternehmer im atomisierten Kreativbereich, einer Stammklientel von Apple. Und wehe dem Beckham, der es wagt, ohne iPhone am Ohr erwischt zu werden.
Womit Apple durch das iPhone auch schon dort angelangt wäre, wo es, wie vorher schon Burberry und Chanel, bestimmt nicht hinwollte: im Reich der Fußballspieler-Accessoires und stolpernden Vollprominenz. Fetisch oder nicht, die Paris Hilton der IT-Publizistik ist das iPhone jedenfalls schon heute.
(futurezone | Günter Hack | dpa | Reuters)