20.12.2003

USA

Musikindustrie verliert Drohpotenzial

Nach dem überraschenden Urteil vom Freitag, laut dem die US-Musikindustrie bei ihrem Kampf gegen Raubkopien nicht ohne Gerichtsbeschluss die Herausgabe von Kundendaten der Internet-Provider verlangen darf, sind Klagen gegen Tauschbörsennutzer zwar weiterhin möglich, die Verfahren werden aber deutlich aufwendiger und teurer, als das bisher der Fall war.

Der US-Musikverband RIAA [Recording Industry Association of America] kann laut Rechtsexperten zwar mit Anzeigen gegen Unbekannt [in den USA als Klagen gegen "John Doe" bezeichnet] die jetzt geforderten gerichtlichen Verfügungen erwirken, um an die Nutzerdaten Providern zu gelangen.

Dadurch werden die Verfahren aber sehr viel komplizierter und die Personen, auf die die Klagen abzielen, haben wesentlich mehr Möglichkeiten sich juristisch zur Wehr zu setzen.

Image-Problem

Die RIAA hat die bisher gelieferten Providerdaten außerdem dazu verwendet, die Klagen möglichst gründlich vorzubereiten - was in Zukunft in möglichen Verfahren gegen "John Doe" schwieriger wird.

Aber schon bislang sind der Musiklobby bei ihren Klagen eine Reihe von Fehlern unterlaufen, die den Ruf der Industrie in Mitleidenschaft gezogen haben: Zuletzt wurde beispielsweise ein Pensionist geklagt, der recht glaubhaft versicherte, nicht einmal einen PC zu besitzen.

Sollten sich zukünftig solche Pannen wegen der jetzt eingeschränkten Möglichkeiten zur Klagsvorbereitung häufen, droht die juristische Kampagne der RIAA gegen Tauschbörsennutzer zu einem PR-Debakel zu werden - und die Branche ist noch stärker als andere auf ihren Ruf angewiesen.

Drohungen laufen ins Leere

Der größte Rückschlag für die US-Musikindustrie ist aber wahrscheinlich, dass sie der Möglichkeit beraubt wurde, ohne Klageerhebung Nutzer abzumahnen.

Diese Strategie hat die RIAAA eingeschlagen, nachdem die ersten Klagewellen im Sommer teilweise schon ein negatives Medienecho ausgelöst hatten - etwa der Fall einer Zwölfjährigen, der offensichtlich die Illegalität ihres Treibens nicht einmal bewusst war.

Die RIAA hat daraufhin Nutzer zuerst abgemahnt, um sich möglicht gütlich mit ihnen zu einigen. Dieses Procedere hat vor allem den Vorteil, dass es unter Ausschluss der Öffentlichkeit von statten geht.