Belgischer Provider muss Inhalte filtern

05.07.2007

Nach einem Urteil eines belgischen Gerichts muss der Internet-Anbieter Scarlet Extended [früher Tiscali] künftig urheberrechtlich geschützte, nicht lizenzierte Inhalte in seinem Netzwerk filtern und blockieren. Die Tonträgerindustrie reagiert erfreut. Heimische Provider glauben nicht, dass das Urteil hält.

In einem am 29. Juni ergangenen und am Mittwoch bekannt gewordenen Urteil verpflichtete ein belgisches Gericht in erster Instanz den Internet-Service-Provider [ISP] Scarlet Extended dazu, mit Hilfe automatisierter Filtermechanismen dafür zu sorgen, dass seine Kunden künftig keine urheberrechtlich geschützten, nicht lizenzierten Werke über Filesharing-Netzwerke anbieten und herunterladen können.

Der Internet-Anbieter war von der belgischen Vereinigung der Autoren und Komponisten [SABAM] bereits vor drei Jahren wegen Urheberrechtsverletzungen seiner Nutzer geklagt worden, hatte jedoch darauf verwiesen, dass das Ausfiltern und Blockieren von Inhalten technisch nicht möglich sei.

Expertenstudie listet Möglichkeiten auf

In der Urteilsbegründung beriefen sich die Richter auf eine von ihnen in Auftrag gegebene Studie, in der ein Experte elf technische Lösungen auflistete, mit deren Hilfe sich urheberrechtliche geschützte Inhalte blockieren oder filtern lassen.

Sieben davon seien auf das Tiscali-Netzwerk anwendbar, hieß es in einer SABAM-Aussendung.

Unter den von dem Experten vorgeschlagenen Filtertechnologien befindet sich auch eine Lösung von Audible Magic, die etwa bei der Social-Networking-Site MySpace zur Anwendung kommt. Die Technologie arbeitet mit Datenbanken, in denen kopiergeschützte Inhalte verzeichnet sind, die mit den in den Netzwerken kursierenden Files abgeglichen werden.

Sechs Monate Zeit

Der Provider hat nun sechs Monate Zeit, der Aufforderung des Gerichts nachzukommen. Bei Verzögerungen drohen dem Internet-Anbieter Strafzahlungen in der Höhe von 2.500 Euro pro Tag.

"Technische Instrumente"

Der Einwand des Internet-Anbieters, dass die Überwachung der Peer-to-Peer-Aktivitäten im Widerspruch zu den Grundrechten seiner Nutzer stehe, wies das Gericht zurück.

Bei den in der Expertenstudie vorgeschlagenen Lösungen handle es sich lediglich um "technische Instrumente", die sich auf das Filtern und Blockieren von Inhalten beschränken, persönliche Daten seien davon nicht betroffen, hieß es.

Auch lasse sich aus dem Urteil nicht die Verpflichtung ableiten, dass Tiscali die Aktivitäten seiner Nutzer kontrollieren müsse, stellte das Gericht klar.

Das Argument des Providers, er sei nur der Durchleiter der Inhalte, ließ das Gericht nicht gelten.

Mitte Juni kündigte der Internet-Anbieter AT&T an, künftig im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen enger mit der Unterhaltungsindustrie zusammenarbeiten zu wollen. Auch dabei soll mit Hilfe von Filtertechnologien die Verbreitung urheberrechtlich geschützter, nicht lizenzierter Inhalte über das AT&T-Netz verhindert werden.

Tonträgerindustrie jubelt

Der internationale Verband der Tonträgerindustrie [IFPI] zeigte sich in einer ersten Reaktion über das Urteil erfreut. Das Urteil sei das erste seiner Art in Europa und für die Branche "extrem bedeutend", teilte IFPI-Chef John Kennedy in einer Aussendung mit.

Damit sei klargestellt, dass ISPs Verantwortung für die Kontrolle von Urheberrechtsverletzungen in ihren Netzwerken hätten, so Kennedy. Er hoffe, dass das Urteil auch für andere europäische Länder Vorbildwirkung habe.

Die IFPI versucht bereits seit längerem, Internet-Anbieter in den Kampf gegen den illegitimen Tausch von Inhalten einzubeziehen.

"Glaube nicht, dass das Urteil hält"

"Ich glaube nicht, dass das Urteil hält", sagte Kurt Einzinger, Generalsekretär des Verbandes der österreichischen Internet-Service-Provider [ISPA]. Der Provider sei nur der Durchleiter und dürfe auf Inhalte keinen Einfluss nehmen. "Genauso wenig kann die Briefpost dafür verantwortlich gemacht werden, dass Briefbomben verschickt werden."

Das Problem sei, dass viele Richter die fälschliche Grundeinstellung haben, die Provider hätten mit Inhalten etwas zu tun, so Einzinger.

"Rechtlicher Hintergrund nicht feststellbar"

Darüber hinaus könne nur durch eine Filtertechnologie der rechtliche Hintergrund der Inhalte nicht festgestellt werden, so Einzinger: "Ich kann mir auch ein Musik-File, das ich gekauft habe, vom Büro nach Hause schicken, dass das File mir gehört, kann etwa von einer Filtertechnologie nicht erkannt werden", argumentierte der ISPA-Generalsekretär.

Ähnliche Lösungen werden darüber hinaus seit Jahren diskutiert, so Einzinger: "Man will wegen einer Urheberrechtsverletzung viele Grundrechte erschlagen und richtet so großen Schaden an."

(futurezone | Patrick Dax)