Microsoft als Linux-Distributor
Seit dem Patentschutzabkommen mit Novell ist Microsoft ein Linux-Distributor. Das zumindest glauben die Anwälte der Free Software Foundation. ORF.at sprach mit FSF-Vertreter Ciaran O'Riordan darüber, wie die freie Software mit der neuen Lizenz GPLv3 aus dem Klammergriff kommerzieller Anbieter befreit werden soll.
Autoren und Anwender freier und offener Software geraten zusehends unter Druck. Unternehmen wie der US-Anbieter von digitalen Videorecordern TiVo eignen sich freien Code an und modifizieren ihn so, dass er nicht mehr von den Nutzern verändert werden kann.
Strategie der Patentabkommen
Gleichzeitig umarmt Microsoft zahlreiche Linux-Distributoren wie Novell oder Linspire und nimmt sie zart in den Schwitzkasten seiner Patentabkommen. Wer nicht unterzeichnet, so die Drohung, könnte wegen Patentverletzung geklagt werden.
Die GNU General Public License Version 3 [GPLv3] soll freie Software gegen die Kompromittierung durch Digital Rights Management [DRM] und andere Versuche der Aneignung schützen. Sie wurde am 29. Juni von der Free Software Foundation freigegeben.
ORF.at hat zu diesem Thema ein Interview mit Ciaran O'Riordan, dem Sprecher der Free Software Foundation Europe [FSFE] geführt.
Der Programmierer Ciaran O'Riordan hat 2004 den irischen Ableger der Free Software Foundation gegründet. Seit 2005 arbeitet er in Brüssel als Lobbyist für die Free Software Foundation Europe.
ORF.at: Welche Aspekte der GPLv3 halten Sie für besonders wichtig?
Ciaran O'Riordan: Verglichen mit der Version zwei ist die GPLv3 internationaler. Sie bietet besseren Schutz vor Patentierungsversuchen und sie stellt sicher, dass User auch veränderte Versionen der Software installieren können.
Die Internationalisierung ist in den Medien nicht so stark beachtet worden, weil sie nicht so kontrovers diskutiert worden ist wie die anderen Aspekte. Sie ist dennoch wichtig, weil der Text der GPLv3 in jeder Sprache dieselbe Bedeutung haben sollte. Dazu war es notwendig, Rechtsanwälte in vielen verschiedenen Ländern zu konsultieren.
Was die Softwarepatente angeht, so besteht die wichtigste Verbesserung darin, dass die GPLv3 verhindert, dass Distributoren Nutzer verklagen können.
Und die dritte wichtige Veränderung ist, dass Firmen nicht mehr Computer oder andere Geräte ausliefern können, deren Software nur von ihnen aktualisiert werden kann, wie es TiVo getan hat, ohne dass sie den Nutzern selbst die Möglichkeit geben, die Software umzuschreiben. Eine kleine, aber wachsende Anzahl von Firmen hat das getan, die GPLv3 wird diesem Trend ein Ende setzen.
Wie sollen die freie Software und ihre Nutzer gegen einzelne Patentabkommen wie jenes zwischen Novell und Microsoft geschützt werden?
In der GPLv3 sind dazu zwei Vorkehrungen getroffen.
Erstens schreibt sie vor, dass ein Distributor allen Nutzern Schutz vor Patentklagen geben muss, sobald er einem seiner Nutzer diesen Schutz gewährt.
Da Microsoft gemeinsam mit Novell zum GNU/Linux-Distributor geworden ist, wird das Patentschutzabkommen, das die beiden Unternehmen geschlossen haben, sich automatisch auf alle Nutzer von GNU/Linux ausweiten.
Zweitens verbietet die GPLv3 den Distributoren, Abkommen abzuschließen, die zur Folge haben, dass bestimmte Nutzergruppen diskriminiert werden. Dieser Passus würde Novell bereits daran hindern, Software auszuliefern, die unter der GPLv3 steht, aber wir haben für Novell eine Ausnahme gemacht.
Microsoft hat in seinem Abkommen mit Novell einige Fehler gemacht und es sieht so aus, als ob diese Fehler der Gemeinde der Entwickler freier Software nutzen könnten.
Microsoft hat kürzlich geschrieben, dass die GPLv3 sich nicht auf sein Abkommen mit Novell und anderen Distributoren auswirken wird.
Microsoft hat sich von Novell das Versprechen geben lassen, dass Novell jedem eine Kopie von GNU/Linux geben wird, der von Microsoft einen entsprechenden Gutschein erworben hat. Laut diesem Abkommen entspricht jeder Gutschein einer Kopie von GNU/Linux. Microsoft hat diese Gutscheine vertrieben.
Laut dem Team von Anwälten, das die GPLv3 betreut, wird Microsoft dadurch selbst zum Distributor von Software, die unter der GPL steht. Dazu wiederum bräuchten sie die Erlaubnis der Copyright-Halter. Microsofts Tätigkeit als Distributor verletzt also entweder das Copyright, oder sie geht mit den Regeln der GPL konform.
Linus Torvalds hat die FSF dafür kritisiert, dass sie über die GPLv3 den Einsatz freier Software gemeinsam mit DRM- und ähnlichen Systemen ausschließen möchte. Wird Linux damit wirklich für kommerzielle Anwender weniger attraktiv, etwa für die Hersteller von digitalen Videorecordern oder anderen Gadgets mit "Embedded Systems"?
Die GPLv3 stellt zuallererst sicher, dass die Nutzergemeinschaft an der Weiterentwicklung der von ihr verwendeten Software teilnehmen kann. Wo es viele Entwickler gibt, wird auch schneller Fortschritt stattfinden. Also sollte die GPLv3 auch dafür sorgen, dass freie Software für die Verwendung in eingebetteten Systemen attraktiver wird.
Abgesehen von den technischen Vorteilen sollten wir aber auch im Auge behalten, warum wir wollen, dass freie Software attraktiv bleibt.
Das TiVo-Gerät sammelt Daten über das Fernsehverhalten seiner Nutzer und überträgt sie an die Firmenzentrale. TiVo hat eine Methode erfunden, die wir "Tivoisierung" nennen, um die Nutzer daran zu hindern, eine modifizierte Version der von ihnen genutzten freien Software auf seine Geräte zu spielen und sie so daran zu hindern, ihre Spyware zu entfernen.
Das ist genau das Gegenteil davon, was die Bewegung rund um freie Software will. Sie will der Gesellschaft die Kontrolle über die Software geben, die sie verwendet. Das schließt auch ein, der Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, Spyware zu entfernen.
(futurezone | Günter Hack)