Pläne für Online-Durchsuchung konkreter
Quellen aus deutschen Sicherheitskreisen zufolge will Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] dem Bundeskriminalamt unter anderem die Möglichkeit geben, Computer von "Gefährdern" bei Gefahr im Verzug auch ohne Gerichtsbeschluss verdeckt über das Netz durchsuchen zu lassen.
Schäubles Pläne zur heimlichen Ausspähung von Computern werden konkreter. Sicherheitskreisen zufolge will er eine Rechtsgrundlage, wonach der Präsident des Bundeskriminalamts [BKA] in Fällen des internationalen Terrorismus die heimliche Durchsuchung der Computer von "Gefährdern" bei Gericht beantragen kann.
Regelung via BKA-Gesetz
Als Voraussetzung gilt, dass die Datenerhebung auf andere Weise "aussichtslos ist oder wesentlich erschwert wäre". Schäuble hatte mehrfach erklärt, die Online-Durchsuchung innerhalb des BKA-Gesetzes regeln zu wollen. Er stößt damit auf Widerstand von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries [SPD].
Im BKA-Gesetz soll ein Paragraf über die "Datenspeicherung für Zwecke künftiger Strafverfahren" zur Online-Durchsuchung erweitert werden. Das ist aus Sicht Schäubles nötig, weil rechtliche Regeln bisher fehlen und der Bundesgerichtshof [BGH] Online-Durchsuchungen auf der Rechtsgrundlage von Hausdurchsuchungen untersagt hat.
Überwachung ohne Gerichtsbeschluss
Die von Schäuble angestrebte Regelung sieht vor, das nur der BKA-Präsident oder dessen Vertreter eine Online-Durchsuchung bei Gericht beantragen kann. Bei Gefahr im Verzug sollen Ausspähungen für maximal drei Tage jedoch auch ohne Gerichtsbeschluss möglich sein.
In der Anordnung sollen Name und Adresse des Betroffen ebenso angegeben werden wie etwa der Computer, auf den zugriffen werden soll. Zudem sollen Art, Umfang und Dauer der Maßnahme dargelegt werden. Eine gerichtliche Durchsuchungsanordnung soll auf maximal drei Monate befristet werden, kann auf Antrag aber jeweils um drei Monate verlängert werden.
Zuständigkeit unklar
Laut der Regelung bleibt allerdings unklar, auf welcher gerichtlichen Ebene über die Art, Dauer und den Umfang einer Computerausspähung entschieden werden soll. Während für die Anordnung einer Hausdurchsuchung etwa ein einfacher Amtsrichter genügt, schreibt die Gesetzgebung bei einem Großen Lauschangriff die Entscheidung einer kompletten Kammer eines Landgerichts vor.
Ebenso bleibt unklar, wie etwa Tagebucheinträge auf dem Computer oder andere intime Daten aus dem "Kernbereich der privaten Lebensführung" von der Ausspähung ausgenommen werden sollen. Deren Schutz hatte das Bundesverfassungsgericht beim Lauschangriff gefordert.
Warten auf Verfassungsrichter
Zypries und die SPD-Fraktion sperren sich bisher dagegen, dem BKA eine Erlaubnis für Online-Durchsuchungen zu geben. Sie wollen abwarten, bis das Bundesverfassungsgericht seine Prüfung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetzes abgeschlossen hat, das Online-Durchsuchungen vorsieht. Das Urteil wird für März 2008 erwartet.
Schäuble ist auf Grund einiger Aussagen, die er in einem Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" [Ausgabe vom 9.7.] getroffen hat, stark in die Kritik deutscher Politiker geraten. Schäuble sprach in dem Interview zahlreiche offene rechtliche Fragen der Terrorabwehr an, darunter auch den Kombattantenstatus von Terroristen und den von ihm so bezeichneten "Extremfall" der gezielten Tötung eines Terroristen.
BKA unterstützt Schäuble
Kurz vor den Spitzengesprächen von Kanzlerin Angela Merkel [CDU] mit Schäuble und Zypries warb Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm für die Einführung der umstrittenen Online-Durchsuchungen im Zuge des BKA-Gesetzes.
Terroristen nutzten das Internet nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern auch zur Radikalisierung und Rekrutierung, sagte er in der Zeitung "Die Welt" [Mittwoch-Ausgabe].
(AFP | Reuters | APA)