Gesichtserkennung floppt im Praxistest

kontrolle
11.07.2007

Nach dem weltweit ersten Feldversuch von Gesichtserkennungssystemen zeigt sich das deutsche Bundeskriminalamt von den schwachen Leistungen der Testgeräte enttäuscht.

Das Versprechen klingt für die Fahnder verlockend: Kleine Kameras, angebracht etwa am Eingang eines Hauptbahnhofs, entdecken in einer Menschenmasse automatisch und sekundenschnell einen gesuchten Terrorverdächtigen.

Trefferquote bei 30 Prozent

Doch in der Praxis erwies sich die Idee nun als schöne Illusion: Bei einem viermonatigen Test von Systemen zur Gesichtserkennung lag die Trefferquote im Schnitt lediglich bei 30 Prozent. Zu wenig für den praktischen Einsatz, befand am Mittwoch das Bundeskriminalamt [BKA].

Im Oktober vergangenen Jahres startete der nach den Worten von BKA-Präsident Jörg Ziercke "weltweit erste Feldversuch dieser Art" am Mainzer Hauptbahnhof. 200 Menschen, vor allem Pendler, meldeten sich freiwillig zur Teilnahme.

Drei verschiedene Testsysteme

Von ihnen nahmen die BKA-Experten Fotos auf und speicherten sie in einer Datenbank. Im Durchschnitt wurden 144 Teilnehmer pro Tag von den Kameras erfasst. Betraten die Probanden den überwachten Bereich am Bahnhof, sollten die dort installierten Kameras von drei Herstellern sie automatisch erkennen.

Doch die Technik erwies sich noch als zu unausgereift, um das Interesse der obersten Polizeibehörde zu wecken. Lediglich bei besten Lichtverhältnissen am Tag lag die Wahrscheinlichkeit, dass die Systeme einen Teilnehmer erkannten, bei mehr als 60 Prozent.

Ohne Licht keine Aufklärung

Am Abend und in der Nacht sank die Quote sogar auf zehn bis 20 Prozent. Und selbst wenn die besten Werte zu jeder Tages- und Nachtzeit erreicht würden, reiche das nach Ansicht von Ziercke nicht für einen praktischen Einsatz aus: Dafür müssten sie "nahezu 100 Prozent" erreichen, befand der BKA-Chef.

"Weiterführende Maßnahmen"

Selbst dann müsste immer noch ein Mensch die letzte Entscheidung treffen, heißt es im Abschlussbericht des Projekts. Denn auch eine Verwechslungs- oder Fehlerrate von nur 0,1 Prozent hätte bedeutet, dass in Mainz "täglich cirka 23 Bürger auf Grund von Verwechslungen mit weiterführenden Maßnahmen belastet worden" wären.

Zierckes Fazit war daher eindeutig: Er werde dem Bundesinnenministerium die Einführung der Fotofahndung nicht empfehlen. Es gebe zwar deutliche technische Fortschritte, aber die seien nicht ausreichend. Vorstellen kann sich der BKA-Chef den Einsatz der modernen Technik nur in eng begrenzten Zugangs- und Kontrollbereichen.

Einsatz in der Zugangskontrolle

Denn dort herrschen Verhältnisse, die für eine erfolgreiche Erkennung anhand typischer Gesichtsmerkmale wie Kieferknochen oder Mund notwendig sind. Die Lichtverhältnisse sind besser, die Menschen blicken direkt in die Kamera und stehen zudem einzeln davor, statt in einer riesigen Menschenmenge zu verschwinden.

Als eine weitere Möglichkeit nannte Ziercke 3-D-Kameras. Sie könnten dem polizeilichen Erkennungsdienst Aufnahmen liefern, die es dem Computer erlaubten, sie mit alten Karteifotos zu vergleichen.

Datenschützer vs. Überwachungswirtschaft

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, steht dem Einsatz solcher Systeme auch bei einem weiteren technischen Fortschritt skeptisch gegenüber. Selbst wenn die technischen Mängel künftig beseitigt werden könnten und eine sichere Identifizierung möglich sein sollte, dürfe der Einsatz keinesfalls zu einer "Totalüberwachung" führen, warnte Schaar.

BITKOM: "Test erfolgreich"

Der deutsche Fachverband Sicherheitssysteme sieht die Technologie dagegen als einsatztauglich an. Bei der Suche nach Personen in Menschenmassen sei das System effektiver als ein menschliches Gehirn, sagte dessen Sprecher Michael von Foerster. "Es arbeitet ermüdungsfrei 24 Stunden."

Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien [BITKOM] sprach von einem erfolgreichen Test. Der BITKOM hatte unlängst die zögerliche Beschaffung von Überwachungssystemen durch die öffentliche Hand beklagt und Großbritannien als Vorbild in Sachen Videoüberwachung gefeiert.

Nach Angaben des BITKOM wird sich der deutsche Markt für Biometrie in den nächsten Jahren mehr als verdoppeln und bis 2010 ein Volumen von 300 Millionen Euro erreichen. Wichtigste Technologie bleibe die Erkennung von Fingerabdrücken, doch die Gesichtserkennung gewinne an Bedeutung.

(AFP | dpa | futurezone)