Merkel stärkt Schäuble den Rücken

11.07.2007

Der deutsche Konflikt um Online-Untersuchung und andere Terrorbekämpfungspläne geht weiter. Während sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel [CDU] hinter Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] stellt, kritisiert Justizministerin Brigitte Zypries [SPD] die Vorstöße ihres Kabinettskollegen.

Zypries wies die Vorstellungen von Schäuble zum Anti-Terror-Kampf scharf zurück. Mit Forderungen nach mehr Freiheiten des Staates verkehre der Innenminister den Freiheitsbegriff des Grundgesetzes, sagte Zypries der Wochenzeitung "Die Zeit".

"Denkverbote helfen nicht weiter"

Merkel gab ihrem Innenminister Rückendeckung. Im Fernsehsender RTL verwies sie auf neue Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus und fügte hinzu: "Ich will einen Innenminister, der sich mit diesen neuen Bedrohungen auseinander setzt. Denkverbote helfen nicht weiter."

Merkel ging nicht im Detail auf Schäubles neueste Überlegungen - zum Beispiel die gezielte Tötung von Terroristen und ein Internet- und Handyverbot für "Gefährder" - ein. Sie betonte, natürlich müsse eine "Balance zwischen Sicherheit und Freiheit" gefunden werden. "Aber die Menschen erwarten mit Sicherheit vom Staat auch, dass er sie schützt."

Zypries gegen zu lautes Denken

Zypries nannte als "rote Linie", die nicht überschritten werden dürfe, die Menschenwürde, das Folterverbot und das Recht auf Leben sowie die Gewaltenteilung, wozu auch der Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht gehöre.

Es bedeute "einen gewaltigen Unterschied, ob ich als Verfassungsminister etwas für mich im stillen Kämmerlein denke oder ob ich mit vagen Vorschlägen und Formulierungen an die Öffentlichkeit gehe und damit die Debatte unnötig anheize", sagte Zypries an die Adresse ihres Kabinettskollegen.

Entschieden lehnte sie eine von Schäuble ins Gespräch gebrachte gezielte Tötung von Terroristen ab. Auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein [CSU] sagte im RBB-Inforadio: "Die gezielte Tötung von Terroristen, die verdächtig sind, die halte ich nicht für möglich und zulässig."

Gereizte Profilierungen

Zypries warf Schäuble vor, mit seinen Vorstößen die CDU als Partei der inneren Sicherheit profilieren zu wollen. "Falls irgendwann ein Anschlag in Deutschland erfolgen sollte - was niemand hofft -, wird er uns und anderen den Schwarzen Peter zuschieben, frei nach dem Motto: Seht her, das Unglück wäre nicht passiert, hättet ihr meine Wunschliste erfüllt."

Mit Verweis auf die anstehende Novellierung des BKA-Gesetzes hielt Zypries Schäuble vor, öffentlich Forderungen nach neuen Gesetzen zu stellen, aber vereinbarte Gesetzesvorhaben in seinem Ministerium nicht voranzutreiben.

"Höchstpersönliche Bereiche auf der Festplatte"

Das deutsche Bundeskriminalamt [BKA] soll nach Absprachen zur Föderalismusreform Kompetenzen in der Terrorabwehr erhalten. Die Änderung des BKA-Gesetzes kam bisher nicht voran, weil Schäuble damit zugleich heimliche Online-Durchsuchungen von Computern auf eine Rechtsgrundlage stellen willen.

In den Reihen der SPD gab es hierzu bisher Vorbehalte. Zypries zeigte aber Kompromissbereitschaft: Die Frage müsse sorgfältig und unaufgeregt diskutiert werden. Höchstpersönliche Bereiche auf der Festplatte müssten aber geschützt bleiben. Eine Moderation von Merkel in diesem Streit hält Zypries für nicht erforderlich.

Nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hat sich Merkel sowohl von Schäuble als auch von Zypries über den Stand der Verhandlungen unterrichten lassen. Die Expertengespräche liefen auf Ressortebene und kämen gut voran, sagte er.

Quellen aus deutschen Sicherheitskreisen zufolge will Schäuble dem Bundeskriminalamt unter anderem die Möglichkeit geben, Computer von "Gefährdern" bei Gefahr im Verzug auch ohne Gerichtsbeschluss verdeckt über das Netz durchsuchen zu lassen.

(dpa)