EU-Passagierdaten - Rot gegen Schwarz

12.07.2007

Im EU-Parlament wird heute über das Flugdatenabkommen mit den USA abgestimmt: "Bürgerliche Freiheiten" stehen gegen "Terrorabwehr". Die österreichischen Wortführer Hubert Pirker [EVP] und Jörg Leichtfried [SPE] im Gespräch.

Bei der Abstimmung im EU-Parlament über das umstrittene Abkommen zur Übermittlung europäischer Flugpassagierdaten an die USA stehen heute zwei verschiedene Anträge auf der Tagesordnung.

Resolutionsentwurf eins wird von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen unterstützt. Der zweite trägt die Handschrift des konservativen Blocks im Parlament und wird von der Fraktion Europa der Nationen [Lega Nord, Alleanza Nazionale und polnische Kleinparteien] unterstützt.

Das Sagen hat der EU-Ministerrat

Eines ist allerdings schon vorher amtlich: Substanzielles ändern wird sich am Abkommen nicht, egal welcher Antrag eine Mehrheit findet, zumal das Abkommen in der "Dritten Säule" erstellt wurde.

Das heißt, der EU-Ministerrat hat es ausgehandelt und entschieden, das EU-Parlament wird nur konsultiert und kann "Resolutionen" verabschieden, die nicht bindend sind. So ist derzeit die Gesetzeslage in der EU, denn die gemeinsame Außenpolitik gestalten die nationalen Minister.

Dadurch waren zum Beispiel die EU-Datenschutzbeauftragten aller EU-Staaten in die Verhandlungen über den Schutz persönlicher und zum Teil "sensibler" Daten über Reisebewegungen von EU-Bürgern nicht eingebunden.

Der Unterschied

Der Unterschied zwischen den beiden Entschließungsanträgen ist, vereinfacht gesagt: Während das Abkommen von den Konservativen mit [wenigen] Einschränkungen begrüßt wird, zerreißt der andere Resolutionsantrag das Abkommen in der Luft.

Garstige Alternativen

Für Pirker, Wortführer der EVP, ist die Angelegenheit grundsätzlich so: "Das neue Abkommen ist eine neue Chance, um die Sicherheit über den Wolken zu erhalten."

Die Alternative wäre "kein Abkommen" gewesen, sagte Pirker am Mittwochabend zu ORF.at, das wiederum hätte erst Rechtsunsicherheit bedeutet und danach ungünstigere, bilaterale Abkommen zwischen den einzelnen EU-Staaten und den USA.

Fakt ist, dass die USA seit Jahren bei nahezu jeder Gelegenheit bilaterale Abkommen solchen mit der EU als Ganzes vorziehen.

Nachverhandlungen

Was Pirker moniert: Die vereinbarte Weitergabe europäischer Daten an Drittstaaten durch die USA sei sicher nicht im europäischen Interesse.

Desgleichen verstehe er nicht, dass anders als in den vorherigen Abkommen diesmal die Reziprozität nicht festgeschrieben sei. Bisher hätten die USA verpflichtend an Europa melden müssen, wenn ein Terrorverdächtiger aufscheine, nun sei das nicht mehr so. Hier müsse es Nachverhandlungen geben.

Drittstaaten, EU-Bürger, Schwerverbrecher

Pirkers Pendant von der sozialdemokratischen Fraktion sieht das anders. Er mache sich schon geraume Zeit Sorgen, sagte Leichtfried [SPE] am Mittwochabend zu ORF.at, was der "Kampf gegen den Terror" mit sich bringe.

Im Grunde würden unbescholtene EU-Bürger nicht nur durch dieses Abkommen "von Drittstaaten zunehmend wie Schwerverbrecher behandelt". Genauso intensiv wie mit der Terrorabwehr müsse man sich mittlerweile damit befassen, welche gesellschaftlichen Folgen diese Terrorabwehr zeitige.

Freiheitsrechte seit der Aufklärung

"Grund- und Freiheitsrechte, die wir uns in der Aufklärung erkämpft haben, werden einfach so abgeschafft", sagte Leichtfried, sollte die EU, wie im Abkommen erwähnt, ein eigenes Flugpassagier-Kontrollsystem wie die USA erstellen.

Gemeint ist das Recht, ohne behördliche Meldungspflicht zu verreisen, ein Grundpfeiler bürgerlichen Rechts in allen demokratischen Staaten seit gut 150 Jahren.

Die behördliche Reisemeldepflicht

Für ein derartiges, vom zuständigen EU-Kommissar Franco Frattini und vom deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] favorisiertes europäisches System spricht sich hingegen Pirker aus. Argument: Schließlich gebe es auch in Europa Attentate zu verhindern, wie aktuelle Meldungen zeigten.

Leichtfried wiederum sagte: "Wie der bisherige Verlauf der jüngeren Geschichte gezeigt hat, haben sich jene Staaten gegen alle anderen letztlich weltweit durchgesetzt, in denen die demokratischen Freiheitsrechte hochgehalten wurden."

Schäuble schlug ein europäisches System zur Passagierdatensammlung nach US-Vorbild vor. Auch die österreichische Regierung stimmte im Ministerrat dem Abkommen zu, denn dort gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Ein Nein käme einem unilateralen Veto gleich.

(futurezone | Erich Moechel)