EU-Parlament verurteilt Flugdaten-Deal

12.07.2007

Der Konsens in der Kritik des EU-Parlaments am Passagierdatenabkommen mit den USA ist am Donnerstag von der Vereinigten Linken über die grünen und liberalen bis zu den sozialdemokratischen Parlamentariern gegangen. Die Konservativen zogen ihren Gegenentwurf überraschend zurück und stimmten ebenfalls mit.

Im EU-Parlament wurde Donnerstagmittag über eine Resolution zum umstrittenen Abkommen zur Weitergabe europäischer Flugpassagierdaten an die US-Behörden abgestimmt.

Die Parlamentarier verabschiedeten mit sehr großer Mehrheit eine Resolution, die mit Einwänden gegen das geplante Abkommen nur so gespickt ist. Da nicht namentlich abgestimmt wurde, gibt es auch keine genauen Angaben zum Abstimmungsverhalten.

Konservative stimmten mit

Angesichts der drohenden Niederlage hatten die Konservativen [EPP] ihren eigenen Resolutionsentwurf in letzter Minute zurückgezogen. Einige der Punkte, die man seitens der Konservativen an der Vierparteienresolution partout nicht unterschreiben mochte, wurden vergeblich angegriffen. Das Stimmverhältnis - die Punkte wurden namentlich abgestimmt - war jeweils etwa 350 gegen 240.

Hierauf brachte ein EPP-Sprecher mündlich noch einige Zusätze eher marginaler Natur ein. Als schließlich durch einfaches Handheben abgestimmt wurde, befand Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering "eine deutliche Mehrheit" und gratulierte den Parlamentariern.

Der europäische Konsens

Wie so oft im EU-Parlament, in dem eine deutlich andere Abstimmungskultur herrscht als in den nationalen Abgeordnetenhäusern Europas, hatte letztlich eine Art Selbstverpflichtung zum europäischen Konsens den Ausschlag gegeben.

Gerade wenn es um wichtige außenpolitische Themen geht, gilt es als höchst unschicklich, durch das Abstimmungsverhalten bei Drittstaaten den Eindruck zu erwecken, dass Europa "nicht mit einer Stimme spricht".

Die USA hatten im Vorfeld mehr als einmal gedroht, an der EU vorbei bilaterale Abkommen mit den einzelnen Mitgliedsstaaten zu schließen.

"Zeichen der Reife"

Der EU-Abgeordnete Jörg Leichtfried [SPE; Sozialdemokraten] in erster Reaktion kurz danach zu ORF.at: Was der Verlauf der Abstimmung gezeigt habe, sei "ein Zeichen für die demokratische Reife des EU-Parlaments".

Anders als in nationalen Abgeordnetenhäusern gemeinhin üblich, schickt es sich für EU-Parlamentarierer nicht, dem parteipolitischen Gegenüber eine "Niederlage" zu unterstellen.

Mit zum Abstimmungsverhalten mag auch beigetragen haben, dass die massenhaften Datenübermittlungen - auch im Fall SWIFT- in die USA von den Europäern äußerst misstrauisch gesehen werden.

Keine Garantien der USA

Immerhin muss von den Fluglinien eine Unzahl an persönlichen Daten jedes Reisenden an die US-Heimatschutzbehörden weitergegeben werden. Der neue Vertrag enthält keine Garantien, dass diese Daten nicht an Drittstaaten weitergegeben werden, noch, dass sie nach 15 Jahren gelöscht werden.

Beides widerspricht ganz offen jedem nationalen europäischen Datenschutzgesetz. Die "Zugeständnisse" zum EU-Datenschutz - etwa Auskunftspflicht gegenüber erfassten Bürgern - durch die USA stehen nicht einmal im Vertrag selbst, sondern in einem beigefügten Begleitschreiben.

Frattinis Abkommen

Was das von EU-Kommissar Franco Frattini ausgehandelte Abkommen selbst betrifft, so gibt es darin eigentlich nur einen einzigen Punkt, der parteiübergreifend begrüßt wird: dass nämlich die USA die Daten nunmehr zugeschickt bekommen, statt sie selbst abzuholen.

Diesen der EU wichtigen Rückzug des US-Heimatschutzes aus dem europäischen Flugbuchungssystem Amadeus haben sich die USA teuer vergelten lassen. Die Speicherdauer wurde von dreieinhalb auf mindestens 15 Jahre hochgeschraubt.

Die insgesamt 19 von den USA nunmehr geforderten Datensätze sind anders angeordnet und weitaus breiter gefasst als die bisherigen 34 aus der europäischen Amadeus-Datenbank "abgeholten" Datenfelder.

Treffen in Wien

Manche Definitionen sind so breit und allgemein gehalten - "Alle Gepäcksdaten" lautet ein Punkt davon -, dass sich die EU-Datenschützer bereits am Montag treffen müssen, um die neue Richtlinie zu interpretieren. Das Treffen findet in Wien statt.

Mehrheitsverhältnisse

Das EU Parlament zählt mittlerweile 785 Abgeordnete aus 27 Staaten, wobei die Konservativen mit 278 die Mehrheit stellen, die Sozialdemokraten stellen 216 Parlamentarier.

Drittgrößte Fraktion sind die Liberalen [104], die Union "Europa der Nationen" - ein Zusammenschluss kleiner rechts-christlich-patriotischer Parteien vor allem aus Italien und Polen - hat mit 44 Mitgliedern die Grünen [42] knapp überholt. Dahinter rangiert die Vereinigte Linke mit 41 Parlamentariern.

Legistisch ist diese Abstimmung über das Abkommen eine Resolutionen, die nicht bindend ist, da das Abkommen in der "Dritten Säule" verabschiedet wird. Für Außenpolitik ist nicht das Parlament zuständig, sondern der EU-Ministerrat.

(futurezone | Erich Moechel)