"30 Sekunden Ruhm für jedermann"

24.07.2007

Richtig interaktiv war die YouTube-Befragung der Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten nicht, meint Medienpsychologe Peter Vitouch von der Uni Wien. Stattdessen hätten die Fragesteller, frei nach Andy Warhol, 30 Sekunden Ruhm bekommen.

3.000 Bürger folgten der Aufforderung des US-Senders CNN, ihre Fragen in Form von 30-Sekunden-Videos über das Online-Portal YouTube an die acht Kandidaten zu schicken.

Nur ein Bruchteil davon schaffte es aus den Händen der Redaktion ins Fernsehen - darunter auch solche, bei denen sich der Fragesteller als Schneemann verkleidete oder aus dem Badezimmer sendete.

Ein Mann aus Ohio hielt bei seiner Frage nach der Waffengesetzgebung gar ein Gewehr in den Händen - in einer Live-Diskussion hätte er es kaum bis zum Eingang geschafft.

30 Sekunden Ruhm für Jedermann

Hier sieht Vitouch eine potentielle Gefahr für den neuen Ansatz, den er prinzipiell für gut hält: "Man muss aufpassen, dass die Politik nicht durch die Kommunikationsmedien beeinflusst wird und das alles zu einer einzigen großen Show und ins Lächerliche gezogen wird."

Einen Vorschub für die Demokratisierung kann Vitouch nicht erkennen, eher eine Tendenz zur Freak-Show und der "alten Andy-Warhol-Geschichte", der einst sagte: "In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein."

Wirklich demokratisch wäre die Befragung gewesen, wenn die Fragen per Zufallsstichprobe ausgewählt worden wären, doch "fade Sachen verkaufen sich schlecht", so Vitouch gegenüber ORF.at.

Der Ansatz, die Bürger via YouTube zur Diskussion einzuladen, sei nicht neu, früher hätte man halt Videokassetten eingeschickt, die Schwelle sei nun niedriger, weil Online-Videos eine technische Erleichterung seien. Zudem sehe man dem neuen Medium auch eher nach, wenn die Bildqualität schlecht ist.

"War es informativer?"

Die Bewertung in den USA der von CNN als "historisch" bezeichneten Debatte fiel unterschiedlich aus: Ein Wähler, der seine Frage per Videoclip eingeschickt hatte, befand: "Es war im Großen und Ganzen schon unterhaltsam. Aber war es auch informativer?"

Der frühere Präsidentenberater David Gergen sagte dagegen: "Klarer Gewinner [der Debatte] war das Format." Da die Fragen schwer vorauszuberechnen gewesen seien, hätten sich die Kandidaten kaum vorbereiten können.

"Ernsthafte Beteiligung"

Dazu meinte Vitouch, dass auch das nicht sicher sei: "Wäre ich PR-Verantwortlicher, würde ich darauf schauen, dass es meine eigenen Videos in die Sendung schaffen." Er sei sich sicher, dass die Fragen mit Bedacht auch auf ihren Effekt ausgewählt worden seien.

Für Europa kann sich Vitouch eine ähnliche Show schwer oder nur unter bestimmten Bedingungen vorstellen: "Eine politische Diskussion braucht auch eine ernsthafte Beteiligung - aber es wird immer eine Gratwanderung bleiben."