Hinter den Kulissen des EU-Ministerrats
Österreich hat sich bei der Abstimmung über das Flugpassagierdatenabkommen mit den USA der Stimme enthalten. Vorbehalte ausgerichtet haben Tschechiens Außenminister Karl Schwarzenberg ebenso wie Frankreich. Ein Veto zog niemand in Betracht.
Wie bei den Sitzungen des EU-Ministerrats üblich, wurde das Thema Flugpassagierdatenabkommen [PNR] am Montag hinter verschlossenen Türen abgehandelt.
Wie ebenfalls üblich, wurde außer der Tatsache, dass dieses äußerst umstrittene Abkommen mit den USA beschlossen wurde, nichts über die ministeriellen Diskussionen bekannt gegeben. Da nach EU-Recht bei diesem Vertrag das Einstimmigkeitsgebot herrschte, gab es keine Gegenstimme, zumal das Abkommen sonst gescheitert wäre.
EU-Datenschutz in den USA
Nach ORF.at vorliegenden Dokumenten kamen Einwände aus mehreren Mitgliedsstaaten. Der tschechische Außenminister Schwarzenberg richtete die Vorbehalte des nationalen Parlaments schriftlich aus, ebenso die Österreicher. Dass nämlich europäische Datenschutzstandards durch die USA eingehalten würden, daran herrschten erhebliche Zweifel, heißt es in der tschechischen Deklaration.
Von Seiten Österreichs wurde sehr ähnlich argumentiert, denn es werde "der Anforderung der Aufrechterhaltung des Datenschutzniveaus in dem gegenständlichen Abkommen nicht entsprochen".
"Beträchtlicher Rückschritt"
Von der "Möglichkeit der Datenübermittlung durch das US-Ministerium für Heimatschutz an Drittländer" über die "Ausweitung des Zwecks der Datenverwendung", der "informellen Formulierung des Rechtsschutzes", sei "ein beträchtlicher Rückschritt des Datenschutzes gegenüber dem Interimsabkommen" gegeben, heißt es im österreichischen Positionspapier.
Das Interimsabkommen über die Weitergabe europäischer Flugpassagierdaten war von EU-Vizepräsident Franco Frattini ausgehandelt worden, nachdem das erste Abkommen vom EuGH wegen eines Formfehlers verworfen worden war.
Der Vorsitzende der 27 EU-Datenschutzbeauftragten, Peter Schaar, bezeichnete im Gespräch mit ORF.at das neue Abkommen ebenfalls als schlechter gegenüber dem vorigen.
Missfallen und Abstinenz
Frankreich drängte am Montag im Ministerrat darauf, dass die im Vertrag definierten Kontrollmöglichkeiten der EU auf Einhaltung des Datenschutzes bereits im Herbst präzise definiert sein müssten. Das entspricht etwa der Position Tschechiens und Österreichs.
Wenigstens Österreich hat sich der Stimme enthalten, mit einiger Sicherheit haben noch mehr EU-Mitgliedsländer ihr Missfallen durch Abstinenz ausgedrückt. Genauere Angaben offizieller Natur gibt es nach den oben zitierten Gepflogenheiten des Ministerrats keine.
Der Standpunkt Österreichs
Abschuss und Option
Das Abkommen durch ein Nein abzuschießen - ein einziger der 27 Minister hätte genügt -, wagte natürlich niemand, denn die Optionen waren durchwegs unerfreulich.
Im Falle eines Scheiterns hätten die USA sofort damit begonnen, bilaterale Verträge mit den einzelnen EU-Staaten abzuschließen, statt mit der EU weiterzuverhandeln.
Das war seitens der USA ebenso angekündigt worden, wie mögliche Landeverbote für EU-Fluglinien seit 2003 im Luftraume stehen.
Frattini und Schäuble
Dazu kommt, dass ein Nein eines oder mehrerer Staaten auf jeden Fall erhebliche diplomatische Verstimmungen innerhalb der EU ausgelöst hätte. Großbritannien, Polen und andere Staaten hatten auf einen "unkomplizierten" Abschluss mit den USA gedrängt.
Frattini hatte den Vorschlag des deutschen Innenministers Wolfgang Schäuble aufgegriffen, ein Flugpassagier-Überwachungssystem in Europa aufzubauen.
Einer der drei wichtigsten Punkte für Tschechien ist, so die Deklaration aus dem Ministerium Schwarzenbergs, dass ein derartiges Abkommen allenfalls nur unter Einbeziehung des Rats der 27 nationalen EU-Datenschützer sowie des Beauftragten der Kommission, Peter Hustinx, erstellt werden sollte.
Laut bestehendem Regelwerk der EU waren die obgenannten Institutionen vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen.
(futurezone | Erich Moechel)