Vom Wachstum mit Vista

26.07.2007

In der PC-Branche rumort es. Der Computerhersteller Acer und die Speicherproduzenten Qimonda und Samsung beklagen sich über den ausbleibenden Wachstumsschub durch Windows Vista. Microsoft vermeldet unterdessen Rekordverkäufe.

Zwei Wortmeldungen aus der PC-Industrie ließen in den vergangenen Tagen aufhorchen. Zuerst zog Acer-Chef Gianfranco Lanci in einem Zeitungsinterview vom Leder. Die ganze Branche sei von Vista enttäuscht, noch nie habe eine neue Windows-Version den PC-Absatz so schwach angekurbelt.

Am Mittwoch legte Kin Wah-loh, Chef der Infineon-Tochter Qimonda, nach. Der Boom, den sich die Speicherbranche durch den Start von Vista erhofft habe, sei ausgeblieben.

Preiskampf, Wachstum, Schwarzer Peter

Reichen die beiden IT-Bosse nur die Verantwortung für schlechte Zahlen an Microsoft weiter? Während die Geschäfte bei Qimonda auf Grund des andauernden Preiskampfs in der Speicherbranche sehr schlecht laufen - auch Konkurrent Samsung lieferte zuletzt keine begeisternden Zahlen ab -, konnte Acer nach aktuellen Zahlen der Marktforscher von Gartner und IDC im zweiten Quartal 2007 55 Prozent mehr Computer absetzen als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs.

Den Anteil am PC-Weltmarkt steigerte Acer im gleichen Zeitraum von 5,2 auf 7,2 Prozent. Die Gewinne konnte das Unternehmen im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahres-Vergleichszeitraum um zehn Prozent steigern. Auch die gesamte PC-Industrie ist laut Gartner und IDC im ersten Quartal 2007 um zehn Prozent gewachsen. Kurz gesagt: Acers Zahlen könnten besser sein, liegen aber im Trend der Branche.

Microsoft: Not amused

Microsoft kontert Lancis Vorwürfe scharf. "Aus der Einzelmeinung von Acer lässt sich keinesfalls eine Sichtweise der gesamten Industrie ableiten", schreibt Thomas Lutz, Sprecher von Microsoft Österreich, auf Anfrage von ORF.at.

Vista habe sich in den vier Monaten seit der Einführung auf dem Konsumentenmarkt weltweit besser verkauft als Vorgänger Windows XP. "Im ersten Monat der Marktverfügbarkeit wurden 20 Millionen Lizenzen verkauft - ein absoluter Rekord - und bis Mitte Mai 40 Millionen."

Microsoft habe auch Kundenbefragungen durchgeführt, in denen sich die Vista-Benutzer durchwegs mit dem neuen System zufrieden gezeigt hätten.

Auf Lancis Hinweis, dass viele Geschäftskunden nach wie vor lieber zu XP als zu Vista greifen würden, schreibt Lutz: "Es war auch in der Vergangenheit so, dass bei der Umstellung auf ein neues Betriebssystem vor allem im Firmenkundenbereich in einem Übergangszeitraum auch die jeweilige Vorgängerversion von Windows nachgefragt wurde. Das steht jedoch in keinem Zusammenhang mit der Qualität des jeweiligen Produktes, sondern hat weitestgehend administrative Gründe."

Während Entertainment-Geschäftsbereiche wie Musik und Xbox ebenso schwächeln wie seine defizitären Online-Unternehmen, erzielt Microsoft nach wie vor robuste Gewinne mit Betriebssystemen und Office-Software.

Der kürzlich von Microsoft bekannt gegebene Jahresgewinn ist um 11,6 Prozent auf 14,1 Milliarden US-Dollar gestiegen.

ChiliGreen zufrieden

Ein Sprecher des österreichischen Computerherstellers ChiliGreen bestätigt Lutz' Ausführungen. "Etwa 80 Prozent der von uns verkauften Rechner gehen über den Handel an Privatkunden. Diese Geräte sind bereits von Anfang an mit Vista ausgestattet worden, weil Privatkunden immer das aktuellste System wünschen", sagt der Sprecher auf Anfrage von ORF.at. "Bei Geschäftskunden kommt es noch vor, dass sie XP-Rechner wünschen." Negative Rückmeldungen von Privatkunden zu Vista seien weitestgehend ausgeblieben.

ChiliGreen sei mit den Verkäufen im ersten Quartal sehr zufrieden, allerdings hätten die Kunden auch nicht mit dem Kauf eines neuen Computers auf Vista gewartet. "Wir haben schon vor Weihnachten Gutscheine für das Vista-Upgrade beigelegt", sagt der Sprecher. Deshalb sei es auch zu keinen Einbußen beim Weihnachtsgeschäft gekommen.

Fujitsu-Siemens zurückhaltend

Fujitsu-Siemens gab sich auf Anfrage von ORF.at eher schweigsam. Der Start von Vista sei vollkommen typisch für die Einführung eines neuen Betriebssystems verlaufen, teilte der Konzern mit. Speziell Geschäftskunden würden intensive und langwierige Tests durchführen, bevor sie auf ein neues Betriebssystem umsteigen.

Dell von Vista überzeugt

"Erfahrungsgemäß brauchen Geschäftskunden bis zu 18 Monate, bis sie sich für ein neues Betriebssystem entscheiden", schreibt Michael Rufer, Sprecher von Dell Central Europe. "Kaum ein Privatkunde kauft heute einen neuen Computer mit dem alten XP. Vista ist schon jetzt sehr erfolgreich und wird sich auch in Unternehmen durchsetzen." Genaue Zahlen mochte Dell nicht mitteilen.

Handel unaufgeregt

Beim Einzelhandel ist man von Vista weder begeistert noch enttäuscht. Harald Schmidl, Sprecher des Discounters Niedermeyer, meint: "Es gab nach dem Hype bei der Markteinführung keinen Run auf Computer mit Vista." Die Geschäfte liefen trotzdem gut.

Auch die Optik- und Elektronikkette Hartlauer mochte keine konkreten Zahlen nennen. Ein Sprecher meinte lediglich, das Geschäft habe sich durch die Einführung von Vista nicht nennenswert verändert.

Aus der Web-Statistik

Kürzlich veröffentlichte Daten des Marktforschungsunternehmens Net Applications, in denen die Marktanteile von Betriebssystemen in verschiedenen Weltregionen während der vergangenen Monate aufgeschlüsselt sind, belegen die Beobachtungen der Händler.

Seit der Einführung von Vista im Jänner ist der Marktanteil des Betriebssystems stetig auf 4,52 Prozent im Juni 2007 gewachsen. Ebenso stetig nahm der Marktanteil von Windows XP von 85,02 Prozent im Jänner auf 81,94 Prozent im Juni ab; Windows 2000 rutschte im selben Zeitraum von 4,93 auf genau vier Prozent ab. Die Marktanteile haben sich also größtenteils innerhalb der Windows-Welt verschoben. Der Anteil von Apple stagniert bei knapp über sieben Prozent.

Business as usual

Angesichts der hohen Marktanteile der Microsoft-Betriebssysteme und der Tatsache, dass zumindest die Haushalte und Unternehmen in den westlichen Industrienationen schon ausreichend mit Computern ausgestattet sind, wird schnell klar, warum Vista allein keinen bedeutenden Wachstumsimpuls für die Hardware-Branche geben kann.

XP mag nicht so sicher und nicht so schön anzusehen sein wie Vista, aber für viele Anwender ist es gut genug. Ältere Systeme werden dann ausgewechselt, wenn sie das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben.

Der Schuldige: Windows XP

Vista ist nicht zu schlecht. Es ist nur nicht so viel besser als XP, als dass Microsoft-Nutzer sofort darauf umsteigen müssten. Acer-Chef Lanci hat also Recht, während er sich irrt. Windows XP ist schuld daran, dass Vista nicht sofort durchgestartet ist.

Die wahren Probleme wird allerdings nicht Acer, sondern Microsoft durchzustehen haben. Redmond war in der Vergangenheit so erfolgreich, dass es in seinen Kernbereichen nicht mehr so stark wachsen kann wie in der Vergangenheit - erst recht nicht so stark wie Google, der neue Superstar der Branche.

(futurezone | Günter Hack)