Angst vor der Internet-Telefonie

27.07.2007

Ein bedeutender Teil von Österreichs Klein- und Mittelbetrieben zögert noch mit dem Umstieg auf IP-Telefonie. Die Angeberei der Dot.com-Zeit und die anfänglichen Probleme erweisen sich noch heute als Imageproblem, obwohl vieles, was seinerzeit versprochen wurde, heute gut funktioniert.

In Österreich sei es zwar noch nicht so weit wie in den USA, wo die zehn größten Telekoms die Umstellung ihrer Telefonienetze auf Internet-Protokoll im Backbone-Bereich bereits begonnen hätten, sagte der damalige Cisco-Europachef Patrick Braun im Jahre 1999 zu ORF.at.

Seinerzeit hieß es, Cisco sei mit der Telekom Austria, der UTA, Cybertron und tele.ring im Gespräch. Der Routing-Weltmarktführer hatte damals gerade die Internet-Telefonie [alias IP-Telefonie, Voice over IP, VoIP] offiziell als neues Geschäftsfeld ausgerufen, die Spekulanten der Dot.com-Blase stürzten sich sofort darauf.

Hype und Ernüchterung

Wie bei allen Technologiesektoren, die mitten in den Sog des damaligen Hypes gerieten, folgte alsbald schon die Ernüchterung. Gerade mittlere und kleine Unternehmen, die - nicht nur in Österreich - vorschnell einen Umstieg versucht hatten, stellten bald fest, dass man die gesamte Telefonie nicht so einfach zum Beinahe-Nulltarif in die vorhandenen TCP/IP-Firmennetze quetschen konnte.

Hartnäckige Echos, Pausen und Gesprächsabbrüche führten in der Regel zum Abbruch des VoIP-Experiments.

Schlechter Ruf

Die Folge war ein schlechter Ruf, der sich unter Österreichs KMUs schnell verbreitete und der IP-Telefonie bis heute nachhängt. Während die großen Unternehmen des Landes längst mit fertigen, ausreichend dimensionierten Lösungen separate VoIP-Netze hochgezogen haben, telefoniert eine große Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen noch immer konventionell.

Wie viele genau, konnte man weder in der Wirtschaftskammer noch beim Verband der österreichischen Internet-Provider auf Anhieb sagen.

Angst vor Ausfällen

Natürlich bestünden keine Zweifel, dass VoIP letztlich die herkömmliche Telefonie vollständig ersetzen werde, die Frage sei nur, "wann", sagte ISPA-Generalsekretär Kurt Einzinger am Donnerstag zu ORF.at.

Ein Teil der noch konventionell telefonierenden Unternehmen, vor allem solche aus dem mittleren Bereich, sei durch langfristige Verträge an ihre Telefonanlagen festgebunden.

Eine bestimmte, generelle Reservierung gegenüber Internet-Telefonie sei auf die heute nicht mehr begründete Angst vor Ausfällen zurückzuführen, so Einzinger.

Zu Unrecht "nicht so sexy"

Gustav Soucek, Sprecher der UPC Telekabel, sagte auf Anfrage von ORF.at, es herrsche vor allem "Aufklärungsbedarf". Was der IP-Telefonie noch fehle, sei "nachhaltige Akzeptenz" bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen.

Dazu komme ein Imageproblem, weil Internet-Telefonie eben noch allein im Festnetz angesiedelt sei. Dieses werde nun einmal mehrheitlich als "nicht so sexy" angesehen wie etwa Mobilfunk.

"Völlig zu Unrecht", sagte Soucek. Noch viel zu wenigen KMUs sei nämlich klar, dass VoIP, von der Kostenersparnis einmal abgesehen, eine Menge zusätzlicher Vorteile bringe, nämlich die Integration von Telefonie, E-Mail und Sprachbox in einem einzigen System.

Gratis vom Handy ins Ausland

Um genau diese IP-Features zu demonstrieren, biete die österreichische Telgo in diesem Sommer kostenlos und auch ohne Login-Pflicht Telefonate in sechs europäische Länder an, sagte Tristan Libischer, Geschäftsführer des Unternehmens, zu ORF.at.

Über eine Wiener Festnetznummer wird in die USA, nach Deutschland, England, Polen und andere Ländern in Europa umgeroutet. Da eine Mehrzahl der KMUs, aber auch der Privatpersonen über Freiminuten-Kontingente verfüge, seien auch Auslandsanrufe von österreichischen Handys gratis.

IP-Telefonie ohne Computer

Libischer geht es erklärtermaßen nicht darum, mit Freiminuten auf Schnäppchenjäger-Kundenfang zu gehen, sondern darum, zu demonstrieren, dass VoIP-Telefonie inzwischen mit sehr guter akustischer Qualität zuverlässig funktioniert.

"Die Pionierleistungen Skypes oder der österreichischen Jahjah in allen Ehren" sagte Libischer, "aber wir meinen, dass im Jahr 2007 Internet-Telefonie auch ganz ohne Computer möglich sein muss, zum Beispiel vom Handy aus in der Straßenbahn."

VoIP-Schub durch Microsoft

In zahlreiche Länder sei die Minute über Telgo bereits billiger als via Skype, die von ihrem proprietären Protokoll auch irgendwann abgehen würden, denn der internationale, offene Standard für Internet-Telefonie sei inzwischen nun einmal SIP.

Und dieses Protokoll wurde und wird nun in Software aller Art integriert. Da in den Büros von Österreichs KMUs Microsoft ungebrochen dominiert, erwartet sich Libischer einen merkbaren Schub, der für VoIP mit der Verbreitung von Microsofts Office Communications Server bzw. dem Exchange-Server 2007 einhergehen wird.

Spracherkennung, serverseitig

Von einem Handy aus über ein serverseitiges Spracherkennungsprogramm eine Nummer im Outlook-Adressbuch anzuwählen, so habe man sich die viel zitierte "Konvergenz" vorzustellen, sagte Libischer abschließend, dessen Unternehmen Vianet Mitte der 90er Jahre unter den ersten Internet-Providern Österreichs war.

Konvergenz heute und 1997

Vor genau zehn Jahren war die von der EU ausgerufene "Konvergenz" aller elektronischen Dienste, Netze und Medien das prototypische Schlagwort. Weltweit wie auch in Österreich wurde eine Unzahl von neuen IT-Unternehmen in immer neue Höhen getragen - solange sich die Dot.com-Blase blähte.

Zu dieser Zeit verstand man unter "Konvergenz" leider vielfach, TV-Programme würden bald nur noch via Internet "gesendet" und die Text-Bild-Kombination des Internets würde durch Audio-Video ersetzt.

Wie viele von Österreichs KMUs sich bis jetzt auf VoIP eingelassen haben und wie viele noch nicht, ist im nächsten Teil der Serie zu lesen. Anfragen bei der Regulationsbehörde RTR, der Telekom Austria und mehreren VoIP-Anbietern laufen.

(futurezone | Erich Moechel)