Misstrauen gegen den Google-Funk
"Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Google sich besser benehmen wird als die bösen Imperien der jetzigen Mobilfunkbetreiber", sagt Dave Farber. Der Netzwerkarchitekt sprach mit ORF.at über die Pläne Googles, mit 4,6 Milliarden Dollar in den Mobilfunkmarkt einzusteigen.
Die Ankündigung Googles, mit der US-Telekom Sprint ein Web-Portal für mobile Anwendungen einzurichten und 4,6 Milliarden Dollar für die Ersteigerung von Mobilfunklizenzen reserviert zu haben, hat kontroversielle Diskussionen ausgelöst.
Die vier Bedingungen des Suchmaschinengiganten an die US-Regulierungsbehörde lassen sich in etwa so zusammenfassen: Das neue mobile Netz der USA soll ungefähr so funktionieren wie das Internet und nicht wie ein herkömmliches Mobilfunknetz.
Zugang für alle Geräte, keine Beschränkung der Services durch den Netzbetreiber, Weiterverkaufsmöglichkeit für Drittanbieter und Direktanbindung aller Internet-Provider - das müsste einen Proponenten der "Netzneutralität" wie Dave Farber eigentlich jubeln lassen.
Google nicht verbindlich
Doch davon ist der Professor für Netzwerkarchitektur und ehemalige IT-Berater Bill Clintons in diesem Fall weit entfernt. Google habe sein Firmenmotto "Tue nicht Böses" in der Realität bereits bis an die Grenzen strapaziert, schreibt Farber an ORF.at.
Zum Beispiel durch ausuferndes Sammeln persönlicher Daten der Benutzer, ohne irgendeine verbindliche Erklärung abzugeben, was mit diesen Daten passieren würde.
Google "extrem vage"
Dieselbe Linie werde mit den Ansagen Googles, was mit dem ersteigerten Frequenzspektrum dann passieren solle, fortgesetzt, denn die seien "extrem vage".
Und wenn einer wie Vint Cerf sage, es sei ihm immer noch unklar, was Google mit dem eventuell ersteigerten Frequenzspektrum 2008 vorhabe, dann spreche das ja wohl für sich.
Väter und Großväter
Der jetzt als Lobbyist in Diensten Googles stehende TCP/IP-Visionär Vinton Cerf wird mit Bob Kahn, Jon Postel und einigen anderen gern als "Gründervater des Internets" bezeichnet.
Dave Farber wiederum, dessen Karriere schon während der 60er Jahre in den Bell Labs mit der Entwicklung des ersten elektronischen Switches begonnen hatte, hängt in der Öffentlichkeit deshalb das Epithet "Großvater des Internets" an.
Böse Imperien
"Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass Google sich auch nur nur ein bisschen besser benehmen wird als die bösen Imperien der jetzigen [Mobil-]Netzbetreiber", schreibt Farber. "Sie alle sind ihren Aktionären verpflichtet, sie müssen Geld machen."
==Nicht deklariertes Konsortium==
Was Farber damit meint, erschließt ein Blick auf das nicht deklarierte Konsortium, das den kommenden Funkstandard WiMAX auf allen Ebenen vorantreibt.
Die mächtigsten IT-Player dabei sind unzweifelhaft Intel und Cisco, die beide offensichtliche Interessen haben. Intel will mit WiMAX den großen Erfolg mit seinen mobilen Centrino-Chipsets für WLAN wiederholen, für Routing-Weltmarktführer Cisco ist die Errichtung eines staatsweiten Mobilfunknetzes auf TCP/IP-Basis beinahe schon Pflicht.
Nach der vollständigen Digitalisierung der amerikanischen Fernsehnetze im Jahr 2008 werden die analog genutzten TV-Frequenzen zwischen 698 MHz und 806 MHz für neue Dienste freigegeben. In diesem Bereich spielt das Match in den USA.
Telekom-Überläufer Sprint
Sprint ist zwar nicht Branchengrößter wie Intel und Cisco, sondern die Nummer drei der US-Mobil-Telekoms. Damit setzte Sprint 2006 auf dem kapitalintensiven Telekom-Markt mit 46 Milliarden USD allerdings immer noch deutlich mehr um als die IT-Firmen Intel [31,5] und Cisco [28,5 Mrd. USD].
Sprint hat als erste Telekom, die alle bis dahin branchenüblichen Prinzipien über Bord wirft, klarerweise vor, die größeren Konkurrenten AT&T und Verizon zu überflügeln.
Klägliche 14,4 Kbit/s
Allein die Datenraten, wie sie im Mobilfunknetz von Sprint, aber auch der anderen US-Betreiber momentan die Regel sind, erklären die Offensive hinreichend: es sind klägliche 14,4 Kbit/s.
Die noch nicht netzübergreifend durchgeführte Aufrüstung des Sprint-Netzwerkes auf Anbindungen mit 144 Kbit/s [genannt EDGE oder 2,5G] verdient die Bezeichnung "mobiles Breitband" nicht wirklich. Ähnlich traurig sieht es in den Netzen der anderen US-Mobilfunker aus, denn von den Datenraten in Europas UMTS-Netzen ist man in den USA meilenweit entfernt.
Und Google?
Deren Interesse ist natürlich ein weiterer Absatzmarkt für die Haupteinnahmequelle Google-Ads. Die einzigartige Position des Suchmaschinenriesen in diesem Frequenzpoker spiegelt allerdings weniger Googles Umsatz wider, sondern der Gewinn.
Von 10,6 Milliarden Dollar 2006 sind netto drei Milliarden übrig geblieben, damit ist Google das weitaus profitabelste Unternehmen in diesem nicht deklarierten WiMAX-Konsortium der Großen. Nur Microsoft hat ein derart gutes und in absoluten Zahlen stetig steigendes Umsatz-/Gewinnverhältnis wie Google.
Das heißt, Google steht auch in den nächsten Jahren enorm viel Bares zur Verfügung, um einen neuartigen Dienst wie WiMAX zu dominieren.
Content kontrolliert Infrastruktur
Sollte es Google gelingen, einen Teil des 2008 in den USA neu zu vergebenden Frequenzspektrums zu ersteigern, dann würde der führende Internet-Content-Anbieter den Zugang zur Infrastruktur des neuen mobilen Datennetzes in den USA kontrollieren.
Als börsennotiertes Unternehmen ist Google natürlich verpflichtet, die oben zitierten 4,6 Milliarden an Lizenzen möglichst Gewinn bringend zu investieren.
"Mit der Feuerzange angreifen"
Davor warnt Dave Farber ausdrücklich. Die Kontrollbehörde FCC sei gut beraten, genaue Erklärungen einzufordern, was Google mit diesem Frequenzspektrum vorhabe und mit welchen Preisen Drittanbieter zu rechnen hätten, bevor die FCC da etwas absegne.
Diese Hochzeit ohne Ehevertrag sei jedenfalls "nur mit der Feuerzange anzugreifen", schreibt Farber abschließend.
Nach Jahren in den Bell Labs arbeitete Farber in den 70er Jahren für die RAND Corporation, unterrichtete Netzwerkarchitektur an mehreren US-Universitäten, war "Chief Technologist" der US-Telekom-Regulationsbehörde FCC und Clinton-Berater. Zuletzt war er Professor für "High-Speed-Networking" an der Carnegie-Mellon-Universität.
Bei einem Interview mit ORF.at im Jahr 2006 beschrieb Farber seine Tätigkeit bei der FCC, der er ein Jahr lang angehörte, so: "Ich hatte dort einen ziemlich seltsamen Job. Ich musste Beamten erklären, wie das Internet funktioniert. Es ist nichts weitergegangen bei der FCC", und zwar deshalb, weil die Beamten "nicht wirklich kapiert" hätten, was im Internet Sache sei.
Österreich dazu im Vergleich
Die österreichische mobilkom und T-Mobile nutzen einen derartigen EDGE-Datendienst der "zweieinhalbten" Mobilfunkgeneration nur dort, wo ihr viel schnelleres UMTS/HSPA ["3G"] nicht erreichbar ist.
Man ist über den "Aushilfsdienst" EDGE in Österreich also schneller unterwegs als im schnellsten Teil der US-Netze.
Das ist der Hauptgrund, warum UMTS-Europa vorerst nur eine Nebenfront im Rennen um einen künftigen weltweiten Mobilfunkstandard bleibt.
(futurezone | Erich Moechel)