Blizznet: Wettbewerb durch freien Zugang
Ab 20. August bietet die Telekom Austria unlimitiertes Breitband-Internet mit zwei MBit/s Down- und Upload um 29,90 Euro - allerdings nicht über das eigene Netz, sondern über die Glasfaser des Wiener blizznet. AonPur mit ebenfalls zwei MBit kostet das Doppelte - noch, denn die TA will eine große Preisoffensive starten.
Nach jahrelangen Pilotprojekten und Machbarkeitsstudien hat die Wien Energie am Mittwoch offiziell ihr Glasfaserangebot blizznet im Raum Wien gestartet.
Dabei tritt der Wiener Energieversorger als Infrastrukturanbieter auf, baut also das nötige Glasfasernetz. Den Service an sich, also den Internet-Zugang, überlässt man jenen, die es besser kennen und können sollten, unter anderem der Telekom Austria [TA].
TA unterbietet sich selbst
Die TA bietet ab 20. August über blizznet ein Breitbandprodukt an, das die Angebote aus dem eigenen Haus [und damit über die eigene Infrastruktur] in den Schatten stellt: Für aonBlizz mit zwei MBit/s symmetrisch [gleich viel Down- wie Upload] verlangt die TA 29,90 Euro im Monat inklusive fünf E-Mail-Adressen, 20 MB Webspace und unlimitiertem Datentransfer. Wer eine Zehn-MBit-Leitung will, muss noch einmal zehn Euro drauflegen.
Möchte der Kunde im Netz der TA surfen, muss er für die annähernd gleiche Leistung 59,90 Euro bezahlen [aonPur, ohne TA-Anschluss, zwei MBit down, 384 KBit up, 20 GB Download-Limit, kein Aktionsangebot].
"Aggressive Preisoffensive"
Den augenscheinlichen Preisunterschied erklärt TA-Sprecher Martin Bredl auf Anfrage von ORF.at so: "Das ist erst der Beginn einer Preisoffensive mit aggressiven Angeboten, die die TA in den Markt bringen wird."
Dass die TA in einem fremden Netz als Provider auftritt und entgegen vorherigen Ankündigungen auch ihr aonDigitalTV über blizznet anbietet, erklärt Bredl folgendermaßen: "Wir müsse immer schauen, dass wir Infrastruktur wirtschaftlich nutzen. Wenn es in einem Gebiet bereits Glasfaser bis in die Wohnung [Fiber to the Home, FTTH] gibt, dann nutzen wir das auch."
Es ergebe keinen Sinn, dort Glasfaser auszubauen, wo bereits welche vorhanden sei, und bei blizznet könne die TA anders kalkulieren, so Bredl weiter.
Branchenintern wird spekuliert, dass die TA nur deswegen bei blizznet eingestiegen ist, um sich in Sachen VDSL-Ausbau einen handfesten Vorsprung zu sichern.
Zehn MBit/s garantiert
Interessant am blizznet-Angebot ist, dass das Glasfasernetz die versprochenen zwei oder zehn MBit zumindest technisch auch wirklich liefern kann - vorausgesetzt, der Server auf der anderen Seite ist ebenfalls schnell genug.
Wien will mehr Wettbwerb
Genau das sei das Ziel von blizznet als nunmehr offenem Netz ["Open Access"] gewesen, erklären sowohl die Wien Energie als auch Oliver Striebl von der MA 53 [zuständig für die Wiener Breitbandstrategie]: mehr Wettbewerb durch freien Zugang.
Die Wien Energie habe sich auf ihre Kernkompetenz zurückbesonnen, nämlich die Planung und Errichtung von Netzen, sagt Christian Neubauer, Pressesprecher von Wien Energie Wienstrom. Daher habe sich blizznet vor kurzem von ihren bisherigen Kunden getrennt, die per 1. August bei der TA untergekommen sind.
Jeder kann über blizznet anbieten
Im offenen blizznet-Netz könne nun jeder seinen Service anbieten und damit für blizznet selbst Werbung machen, erklärt Neuhauser. Entsprechend sei die Wien Energie daran interessiert, möglichst viele Partner zu blizznet zu holen, wobei die Zugangsgebühren für alle gleich hoch seien.
"Content ist nicht die Kernkompetenz der Wien Strom", erklärt auch Striebl und betont, dass die Idee, ein offenes Netz zu bauen, schon seit den 80er Jahren bestanden habe. Die Entwicklung der letzten Jahre habe die Stadt Wien nun davon überzeugt, in diesem Bereich doch noch einmal tätig zu werden und den Bau von blizznet wieder voranzutreiben, so Striebl.
Gerechnet wird mit 10.000 Haushalten
Ab wann bzw. wie sich das Projekt für die Wien Energie rechnet, war weder von Neubauer noch anderswo zu erfahren. Laut Striebl soll 2009 blizznet selbst und die Marktentwicklung bis dahin noch einmal evaluiert werden. Dann werde man weitersehen.
Laut Branche geht die Wien Energie von Erfahrungswerten anderer Länder aus: Bei 50.000 potenziell erreichbaren Haushalten sind demnach 20 Prozent als Kundschaft, also 10.000 zahlende Nutzer, als Erfolg zu werten.
Ausgebaut soll blizznet nur dort werden, wo die Nachfrage entsprechend groß ist und sich die Investition auch rechnen könnte, erklärt Neubauer.
Blizznet passt auch gut in die unter dem Namen "AT:net" neu aufgelegte Breitband-Initiative des Bundes, die statt Zugang nun lieber Inhalte als Anreiz für die Nutzung von Breitband fördern möchte.
Die Frage nach der Regulierung
Während sich die TA als "Mitwerber" bei blizznet nur vorsichtig zur Konkurrenz durch das schnelle Glasfasernetz äußert, ist der heimische Internet-Provider Silver Server mehr als skeptisch eingestellt.
"Das Problem ist doch: Hier betreten neue Player den Telekommarkt. Es ist schon klar, dass die Energieversorger in Zukunft eine große Rolle spielen werden, die Frage ist nur: nach welchen Regeln?", so Silver-Server-Chef Oskar Obereder gegenüber ORF.at.
"Können nicht mithalten"
Auch Silver Server sei bereit und willig, große Summen in den Glasfaserausbau zu investieren, aber mit einer Macht wie jener der Wien Energie könne ein alternativer Anbieter nicht mithalten.
"Die Breitbandoffensive der Stadt wäre noch erfolgreicher, wenn die Stadt Wien ihr Servitutsrecht kostendeckend auch anderen Netzbetreibern anbieten würde. Wien hätte dann 2009 sicher ein Vielfaches mehr an Anschlüssen als die heute angepeilten 50.000", ist sich Obereder sicher.
ISPA: "An sich eine gute Sache"
Für Kurt Einzinger vom Verband der heimischen Internet-Provider [ISPA] ist blizznet bzw. der Ansatz eines Open-Access-Netzes wie auch für Obereder an sich eine gute Sache. Wichtig sei aber, "dass der Zugang nicht diskriminierend sei", also für alle gleich gestaltet. Das sei der ISPA zugesichert worden, die weitere Entwicklung werde man beobachten müssen.
Für Neotel-Chef Kurt Palles, ebenfalls Anbieter im blizznet, ist die jüngste Initiative eine Art "erweiterter Pilotversuch". Neotel selbst sei darauf angewiesen, dass sich ein Neukunde binnen sechs Monaten rechnet, man werde sehen, wie sich blizznet bis 2009 auf dem Markt behaupten kann.
(futurezone | Nadja Igler)