Geburtstag in Moll
Im August 2007 hat die Compact Disc [CD] runden Geburtstag gefeiert. Hersteller und Musikbranche sind für die Zukunft des erfolgreichsten Tonträgers der Musikgeschichte optimistisch. Die Ära der Musik-CD neigt sich im Zeitalter von MP3 und digitalen Musik-Playern jedoch dem Ende zu.
Am 17. August 1982 liefen in dem damals dem Philips-Konzern gehörenden Polygram-Werk in Langenhagen bei Hannover die ersten serienmäßig produzierten CDs vom Förderband.
"1982 gab es keine Fertigungstechnik. Das musste erst von uns entwickelt werden", sagte Bodo Wiechmann, Geschäftsführer der Entertainment Distribution Company [EDC], die heute die Fabrik in Langenhagen betreibt, gegenüber ORF.at. "Wir mussten etwa Reinräume bauen, weil die Discs offen und ungeschützt von einer Prozesseinheit zur nächsten bewegt werden mussten", erzählte Wiechmann, der seit mehr als 20 Jahren im Werk tätig ist.
Chopin und ABBA
Die ersten industriell gefertigten CDs aus der Langenhagener Fabrik enthielten Aufnahmen von Chopin-Walzern, die der Pianist Claudio Arrau eingespielt hatte. Die erste serienmäßig gefertigte Pop-CD war das ABBA-Album "Visitors".
"Die Auflage betrug damals nur wenige Tausend Stück", erzählte Wiechmann. Im gesamten Jahr 1982 wurde laut Wiechmann lediglich eine Million Stück CDs hergestellt.
Die zwölf Zentimeter großen und 1,1 Millimeter dünnen silbernen Scheiben läuteten jedoch eine neue Ära im Musikgeschäft ein.
Entwickelt wurde der optische Massenspeicher CD von den Elektronikriesen Philips und Sony zur Speicherung von Musik. Der Grundstoff, ein Polycarbonat, kam vom Chemiekonzern Bayer. Später wurde das Format der Compact Disc erweitert. Als CD-ROM wird sie seitdem auch zur Speicherung von digitalen Daten aller Art eingesetzt.
35 Milliarden Stück weltweit verkauft
Nach anfänglicher Skepsis - so wurde unter anderem der im Vergleich zur Vinyl-Schallplatte sterile Klang beklagt - setzte sich die CD rasch durch. Dazu trug nicht zuletzt der Preisverfall bei CD-Spielern bei.
1990 hatte die CD Schallplatte und Musikkassette überholt. Vier Jahre später wurden bereits doppelt so viele CDs verkauft wie alle übrigen Tonträger zusammengenommen. Die Anzahl der bis heute verkauften Musik-CDs wird auf rund 35 Milliarden Stück weltweit geschätzt.
28 Sekunden für eine CD
Während es in der Anfangszeit der CD-Produktion rund 28 Sekunden dauerte, eine CD zu pressen, hat sich die Herstellungszeit einer Silberscheibe mittlerweile auf 2,8 Sekunden verringert. "Die Anlagen sind kompakter geworden", sagte Wiechmann, auch Reinräume seien nicht mehr erforderlich.
"Wir glauben an die Zukunft der CD"
An ein Ende der CD glaubt Wiechmann nicht. EDC habe 2006 so viele optische Speichermedien verkauft wie noch nie. Bei Musik-CDs bemerke man zwar eine leicht rückläufige Bewegung, man investiere jedoch weiter in das Speichermedium. Zuletzt wurden drei neue Anlagen errichtet und eine Fabrik dazugekauft.
Die CD, ist Wiechmann überzeugt, werde auch weiterhin ein bedeutender Tonträger sein. Allein in Europa werden heuer laut Wiechmann 3,5 Milliarden CDs benötigt.
Auch bei der Sony-Tochterfirma DADC in Salzburg glaubt man nicht an ein baldiges Ende physischer Speichermedien. "Wir haben die CD-Produktion gleich gehalten", sagte Christian Reiser, Executive Vice President beim Hersteller für optische Speichermedien. Die Rückgänge im Musikbereich würden durch andere Segmente kompensiert, so Reiser: "Etwa durch Hörbücher, Software-CDs und die Marketing-Disc-Lösung eBridge."
Bei Sony DADC werden laut Reiser immer noch 200 Millionen CDs jährlich produziert. Der Umsatzanteil von Musik-CDs beläuft sich bei Sony DADC heute auf weniger als 20 Prozent.
Musik-CD als Auslaufmodell
Die von der Musikindustrie veröffentlichten Verkaufszahlen lassen vermuten, dass die Musik-CD zum Auslaufmodell geworden ist. Seit mittlerweile sieben Jahren hat die Branche mit Absatzrückgängen von bis zu 20 Prozent pro Jahr bei den Silberscheiben zu kämpfen. Dennoch übt man sich in Zweckoptimismus.
Die CD sei nach wie vor der beliebteste Tonträger, sie für tot zu erklären sei ungefähr das Gleiche, wie einem 50-Jährigen zum Geburtstag einen Sarg zu schenken, sagte Michael Haentjes, Vorstandsvorsitzender der deutschen Phonoverbände.
Mehr als 80 Prozent Umsatzanteil in Österreich
In Österreich betrug der Anteil von CDs beim Albumverkauf nach Angaben des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] im Jahr 2006 immerhin noch 83,5 Prozent. CD-Singles waren für weitere drei Prozent der Umsätze verantwortlich.
Downloads auf PCs und Mobiltelefone machten im vergangenen Jahr immerhin 5,5 Prozent der Gesamtumsätze der österreichischen Tonträgerbranche aus. Der Rest entfällt auf Musik-DVDs [7,5 Prozent] sowie Musikkassetten und Schallplatten [0,5 Prozent].
Downloads auf der Überholspur
Nach Meinung von Branchenexperten wird es jedoch nicht mehr lange dauern, bis die Tonträgerumsätze von jenen digitaler Downloads überholt werden.
Peter Rantasa, Geschäftsführer des mica [music information center austria], rechnet damit, dass die Dominanz der CD im Musikgeschäft in fünf bis zehn Jahren zu Ende geht.
Während die Umsätze aus dem CD-Verkauf 2006 um elf Prozent gesunken sind, legten Downloads um 85 Prozent zu. Weltweit machten digitale Downloads laut IFPI bereits elf Prozent der Gesamtumsätze der Musikindustrie aus.
"Auch Schellacks werden noch verkauft"
Es gehe langsamer, als man glaubt, sagte Rantasa, in gewissen Genres wie etwa dem volkstümlichen Schlager werde sich der Tonträger möglicherweise auch länger behaupten können. Erhältlich sein werden die Silberscheiben jedoch auch weiterhin, meinte Rantasa: "Es werden heute ja auch noch Schellacks verkauft."
Die CD-Verkäufe ließen sich heute allenfalls über den Preis ankurbeln. Wenn man Audio-CD mit Film-DVD vergleiche, sei das Preis-Leistungsverhältnis katastrophal. Die CD wurde zu hochpreisig eingeführt, so der mica-Geschäftsführer, der heute vorwiegend Musik am digitalen Musik-Player und von der Schallplatte hört.
Auch Alan Levy, der frühere Vorstandschef des Musikkonzerns EMI, glaubt nicht mehr an die CD. Im vergangenen Oktober ließ er mit der Aussage aufhorchen, dass die CD tot sei. Rund 60 Prozent der CD-Käufer würden die Silberscheiben nur noch dazu benutzen, um ihre Musik auf ihren Computer und in Folge auf digitale Musik-Player zu überspielen, meinte Levy.
USB-Sticks oder Flash-Karten
Udo Raaf, Herausgeber des deutschen MP3-Musikmagazins Tonspion, hört zwar neue Musik fast ausschließlich im MP3-Format, an das Ende des physischen Tonträgers will er aber nicht glauben: "Tonträger aller Art haben den Vorteil, dass man sie anfassen oder jemand anderem in die Hand drücken kann."
Es werde imme Leute geben, die ihre Lieblingsmusik als Hardware besitzen und ins Regal stellen wollen, meinte Raaf: "Ob es denn die alte CD sein muss oder neue, hübsch verpackte USB-Sticks oder Flash-Karten, ist eine ganz andere Frage."
Die Musikbranche sucht unterdessen nach einem Nachfolgeformat für die CD. Der Musikkonzern Warner Music Group testet derzeit etwa ein neues Bild- und Tonträgerformat namens Music Video Interactive [MVI], das unter anderem mit verbesserter Soundqualität und zahlreichen interaktiven Features aufwartet.
(futurezone | Patrick Dax | dpa | AP)