Zur Prüfung deutscher Online-Fahnder

21.08.2007

Die deutschen Pläne zur Online-Durchsuchung haben für die österreichischen Behörden Vorbildcharakter. Im Gespräch mit ORF.at zeigt der Berliner Jurist Ulf Buermeyer die Lücken in den bisher bekanntgewordenen Fahndungskonzepten auf.

Der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble [CDU] möchte gerne die Befugnisse des Bundeskriminalamts erweitern und seinen Beamten im Zuge dessen die verdeckte Durchsuchung von ans Internet angeschlossenen Computern ermöglichen.

Auch in Österreich hat Innenminister Günther Platter [ÖVP] schon zu erkennen gegeben, an Schäubles Plänen stark interessiert zu sein. Das Innenministerium beobachte die Maßnahmen der deutschen Regierung auf diesem Gebiet, teilte eine Sprecherin Platters im Juni auf Anfrage von ORF.at mit.

Das Grundgesetz setzt Grenzen

Das Konzept der verdeckten Online-Durchsuchung wirft viele Fragen auf. Wie sollen beispielsweise die im Rahmen einer Online-Durchsuchung erfassten digitalen Beweismittel so gesichert werden, dass sie auch vor Gericht standhalten? Weiterhin ist nicht geklärt, inwieweit solche verdeckten Untersuchungen gegen die im deutschen Grundgesetz garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen.

Im Gespräch mit dem Berliner Strafrechtler, Wissenschaftler und Richter Ulf Buermeyer, der bereits eine umfangreiche Evaluation der Online-Durchsuchung aus juristischer Sicht publiziert hat, wird schnell klar, dass Schäubles Pläne eher zur Bekämpfung von Internet-Kleinkriminalität geeignet sind als zur Terrorabwehr.

Buermeyer ist deutscher Jurist und Strafrechtsexperte, der sich ausführlich mit der Problematik von "Online-Durchsuchungen" auseinandergesetzt hat. Er war neben seinem Studium mehrere Jahre Netzwerkadministrator an der Universität Leipzig und arbeitet heute als Richter in Berlin.

ORF.at: Herr Buermeyer, wie wollen die deutschen Strafverfolger bei einer Online-Durchsuchung die Beweise sichern?

Buermeyer: Interessanterweise hat dieser Aspekt in der deutschen Diskussion bisher keine Rolle gespielt.

ORF.at: Immerhin besteht die Möglichkeit, dass unredliche Fahnder über Software, die im Rahmen solcher Durchsuchungen eingesetzt wird, falsche Beweise auf die Computer von Verdächtigen spielen.

Buermeyer: Ja, aber die Veränderung gegenüber derzeitigen Praktiken ist nicht so dramatisch, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. Wenn die Polizei mit Hilfe eines Laser-Messgeräts eine Geschwindigkeitsüberschreitung feststellt, dann muss man sich auch darauf verlassen, dass der Beamte die Geschwindigkeit korrekt abliest und das Gerät funktioniert. Ein Sachverständiger wird bei dem Gerät eine Typenprüfung vornehmen und prüfen, ob es korrekt arbeitet.

ORF.at: Eine solche Prüfung müsste es dann auch für die technischen Komponenten der Online-Durchsuchung geben.

Buermeyer: Man könnte beispielsweise den Quellcode solcher Fahndungssoftware Sachverständigen zur Prüfung überlassen. Dieser könnte dann feststellen, dass es mit der Software nicht möglich ist, die Daten auf dem Computer des Verdächtigen zu verändern.

ORF.at: Der Salzburger Richter und Internet-Rechtsexperte Franz Schmidbauer hat an dieser Stelle für Österreich die Möglichkeit ins Spiel gebracht, die vom Verdächtigen abgezogenen Daten in Kopie bei einem unabhängigen Ombudsmann zu hinterlegen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Buermeyer: Ob das sinnvoll ist, wäre vom Einzelfall abhängig. Ich möchte allerdings zu bedenken geben, dass diese Option datenschutzrechtlich heikel wäre. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass damit auch persönliche Daten des Verdächtigen an den Ombudsmann gelangen. Wenn man diesen Bedenken begegnen könnte, wäre das schon eine Option, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Ermittler zu stärken.

ORF.at: Wie könnte eine rechtlich akzeptable Fahndungsmethode für das Netz aussehen?

Buermeyer: Denkbar wäre ein Antragsverfahren ähnlich dem bei einer Hausdurchsuchung. In Deutschland hat der Generalbundesanwalt in einigen Fällen schon beim Bundesgerichtshof den Antrag gestellt, einmalige Fernkopien der Festplatten von Rechnern verdächtiger Personen vornehmen zu dürfen. Einem Antrag wurde stattgegeben, und die Fahnder haben dann den Verdächtigen eine CD in den Briefkasten geworfen, die aussah wie die Zugangssoftware eines großen Internet-Providers. Die Verdächtigen haben die Software aber nicht installiert.

Aber auch wenn ein formal rechtsstaatliches Verfahren mit richterlicher Anordnung eingehalten wird, so ist die Online-Durchsuchung rechtlich höchst problematisch. In Deutschland gilt nämlich die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dazu zählen auch Computer, wenn sie in der Privatwohnung oder im Büro stehen. Die Fahnder müssen also nachweisen, dass ihr Vorgehen der Abwehr schwerer Straftaten dient. Die kürzlich bekanntgewordene bisherige Praxis, Geheimdienste mittels Dienstanweisung zur Online-Durchsuchung zu ermächtigen, halte ich für problematisch.

ORF.at: Professionelle Verbrecher werden sich freiwillig keine Polizeisoftware installieren.

Buermeyer: So ist es. Politiker behaupten, die Online-Durchsuchung sei zuallererst notwendig, um der Gefahr des Terrorismus zu begegnen. Wer aber in der Lage ist, einen Angriff wie jenen vom 11. September 2001 zu koordinieren, der wird auch in der Lage sein, seine Computersysteme zu sichern.

ORF.at: Das wissen die Fahnder sicher auch.

Buermeyer: Das nehme ich an. Die Polizei hätte aber - aus ihrer Sicht sicher verständlich - offenbar gerne die Möglichkeit zur Online-Durchsuchung, um damit die vielen kleinen Fische zu fangen, etwa eBay-Betrüger. Damit stößt sie aber wieder auf verfassungsrechtliche Probleme, denn diese Sorte Kriminalität ist nicht bedrohlich genug, um einen so schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte zu rechtfertigen. Terroristen und professionelle Kriminelle wird man mittels einer Online-Durchsuchung aber kaum fangen.

Möglicherweise macht man sich Hoffnung, dass die rechtlichen Schranken irgendwann fallen werden, wenn die Möglichkeit zur Online-Durchsuchung erst einmal besteht. Das Argument der Terrorabwehr wäre dann eher Bestandteil einer Salamitaktik. Ich rechne allerdings damit, dass das Bundesverfassungsgericht strenge Maßstäbe an eine etwaige gesetzliche Regelung anlegen würde, so dass ein solches Kalkül eher nicht aufgehen dürfte.

ORF.at: Wie wird es in Deutschland mit der Online-Durchsuchung weitergehen?

Buermeyer: Am 10. Oktober verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über eine Verfassungsbeschwerde gegen eine gesetzliche Regelung der Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen.

Im Frühjahr 2008 dürfte eine entsprechende Grundsatzentscheidung ergehen. Dass das Gesetz Bestand haben könnte, erwartet allerdings kaum jemand - spannend wird wohl vor allem die Begründung des Verfassungsgerichts werden. Auf Bundesebene gibt es viele Stimmen, die eine gesetzliche Regelung der Online-Durchsuchung zumindest so lange aufschieben wollen, bis das Verfassungsgericht entschieden hat.

(futurezone | Günter Hack)