Initiative für faire Musik
Die Initiative "fair music" will Bewusstsein für mehr Fairness im Musikgeschäft herstellen und die Stellung von Musikschaffenden und Hörern stärken. "Wir möchten eine Koalition aus Künstlern und Fans bilden", sagt "fair music"-Initiator Peter Rantasa im Interview mit ORF.at.
Von den 17 Euro, die eine CD im Handel kostet, fließt oft weniger als ein Euro an den Künstler. Im Download-Geschäft sieht es nicht viel besser aus. Der Großteil der Einnahmen geht an Plattenfirmen und Vertriebsplattformen.
Das Musikgeschäft befinde sich zwar durch die Digitalisierung im Umbruch, von besseren Bedingungen für Künstler und Hörer könne jedoch noch keine Rede sein, kritisiert Rantasa, der am Freitag in Salzburg die Initiative "fair music" vorstellte.
"Gütesiegel" geplant
Die von zahlreichen Organisationen und Künstlern unterstützte Initiative will für mehr Fairness im Musikgeschäft sorgen und erarbeitet in Zusammenarbeit mit Interessengruppen und Betroffenen Standards für ein Qualitätszertifikat, das nach dem Vorbild des Fairtrade-Labels für Lebensmittel faire Bedingungen im Musikgeschäft kennzeichnen soll.
Auf dem "fair music"-Weblog, der aktuelle Nachrichten und Hintergründe zum Thema liefert, kann das "fair music"-Manifest unterschrieben werden. Daneben können Beispiele für faire und unfaire Praktiken im Musikgeschäft dokumentiert und Ideen und Anregungen für faire Musik geliefert werden.
ORF.at: Was läuft falsch im Musikgeschäft?
Rantasa: Wir sehen oft eine Einschränkung künstlerischer Freiheit durch Verträge, die nachteilig für Musikschaffende sind. Die künstlerische Freiheit wird zum Schutz der Investitionen der Wirtschaft beschnitten.
Die kulturelle Vielfalt wird durch die Dominanz weniger Unternehmen, die aber den gesamten Weltmarkt bespielen, limitiert. Die vier größten Unternehmen der Musikwirtschaft halten zirka 75 Prozent des Weltmarktanteils, machen jedoch lediglich 20 Prozent der Weltrepertoires der Musik zugänglich.
Wie in anderen Industriebereichen gibt es eine Nord-Süd-Verzerrung. Alle wesentlichen Unternehmen im Musikgeschäft sind Industrienationen zugeordnet. Der große kulturelle Reichtum der Länder des Südens wird im Wesentlichen über Labels in den westlichen oder nördlichen Ländern vermarktet, und damit wird die Wertschöpfung auch in diesen Ländern erzeugt.
Schließlich geht es um die Frage der Entlohnung. Im Schnitt bekommt ein Künstler von einer CD, die 17 Euro kostet, einen oder eineinhalb Euro heraus. Im digitalen Musikbereich ist es noch nicht viel besser. Der Distributionsweg vereinnahmt noch immer mehr Wertschöpfung für sich als die eigentlichen Motoren, die Kreativen.
ORF.at: Viele dieser Kritikpunkte sind nicht neu. Warum startet "fair music" jetzt?
Rantasa: Globalisierung und Digitalisierung führen dazu, dass sich die rechtlichen, ökonomischen und organisatorischen Strukturen im Musikgeschäft verändern.
Musik wird zunehmend über Downloads vertrieben. Die Tage der Dominanz der CD sind gezählt. Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen zur Verteilung und zu den Möglichkeiten und Chancen in diesem Geschäft neu.
ORF.at: Wie soll "fair music" verwirklicht werden?
Rantasa: Wir wollen Standards für Urheberrechtsverträge entwickeln, die die künstlerische Freiheit der Musikschaffenden und die Remuneration der Künstler in angemessener Weise beinhalten.
Diese Standards sollen auf Tonträger und Handelsplattformen angewendet werden.
ORF.at: Wie könnte ein Musikgeschäft nach fairen Kriterien aussehen?
Rantasa: Ich fände es fair, wenn die Hälfte von dem, was ich als Fan zahle, tatsächlich beim Künstler ankommt. Derzeit ist es deutlich weniger.
Ich fände es auch fair, dass ich die Musik höre, die ein Künstler machen möchte, und nicht jene, die eine Marketingabteilung dem Künstler vorschreibt. Mit der Initiative soll gerade in dieser Hinsicht eine Koalition aus Künstlern und Fans gebildet werden.
Verdienste für Fairness im Musikgeschäft sollen im September im Rahmen eines "fair music"-Panels bei der Linzer Ars Electronica mit einem Preis ausgezeichnet werden.
ORF.at: Lassen sich solche Kriterien in der Musikindustrie durchsetzen?
Rantasa: Zum Stichwort Musikindustrie: Es gibt einen Bruch in den 80er Jahren, wo die Mutation vom "Musikgeschäft" zur "Musikindustrie" stattgefunden hat.
Das ist in etwa auch der Zeitpunkt, zu dem große Unternehmen der Unterhaltungswirtschaft an die Börsen kommen. Was passiert da? Sie haben plötzlich eine komplett andere Darstellung ihrer Kostenstruktur, weil sie entlang der Börsenregeln die Anleger mit Quartalsberichten informieren müssen.
Langfristige Aufbauprojekte sind in einem solchen Kontext zunehmend nicht möglich. Künstler, die mit einem Album, in das viel investiert worden ist, einen Flop landen, sind weg vom Fenster. Das fällt historisch auch mit den Boygroups zusammen - "quick & dirty" produzierte Musik und hohe Umsätze.
Das ist der Moment, wo in der Balance zwischen Kultur und Wirtschaft deutlich eine Orientierung an kurzfristigem Profit zu dominieren beginnt.
"Fair music" hat das Ziel, die kulturelle Dimension in der Musikwirtschaft wieder in den Vordergrund zu rücken. Das heißt aber nicht, dass kein Geld mit Musik verdient werden soll. Im Moment ist es aber so, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt.
"Fair music" agiert im Rahmen der 2005 von der UNESCO verabschiedeten Konvention zum Schutz kultureller Güter, die den dualen Charakter kultureller Güter und Dienstleistungen herausstreicht. "Auf der einen Seite sind Kulturproduktionen handelbare Güter und unterliegen ökonomischen Regelwerken, auf der anderen Seite sind sie aber nicht bloß Waren, sondern Ausdruck kultureller Identitäten, ideeller Werte, die nicht handelbar sind", sagt Rantasa.
ORF.at: Brauchen Musiker in Zukunft überhaupt noch Labels, um im Musikgeschäft zu bestehen?
Rantasa: Als Musiker benötige ich ein Umfeld, das spezialisierte Dienstleistungen in bestimmten Teilbereichen bereitstellt. Die wesentliche Aufgabe der Lables war es, Kreative zusammenzubringen, ein Produkt herzustellen und es dann zu vervielfältigen und zu vertreiben. Das brauche ich in dieser Form eigentlich nicht mehr.
Andere Unterstützungsarbeiten, etwa beim Management, brauche ich sehr wohl. Im Musikgeschäft entwickeln sich zahlreiche neue Berufsprofile und Zusammenarbeitsformen, es geht auch viel über Webplattformen. Aber ich glaube, dass das ein Künstler nicht alles alleine schaffen kann.
Es wird auch weiterhin Arbeitsteilung im Musikgeschäft geben. Ob das aber in der Rechtsform von Plattenfirmen oder Labels stattfinden wird, ist offen.
ORF.at: "Fair music" wirbt auch für einen fairen Umgang mit Musikhörern. Die Nutzungsrechte der Hörer werden jedoch häufig eingeschränkt, etwa durch Kopierschutztechnologien.
Rantasa: Mit der Kriminalisierung von Kunden zu antworten, wenn man durch Modernisierung in seinem Geschäftsmodell bedroht ist, führt zu Konsumverweigerung.
Das ist mit Sicherheit kein guter Ansatz, mit einem Strukturwandel umzugehen.
Während unabhängige Labels ihre Musik im Online-Musikhandel weitgehend ohne Kopierschutzbeschränkungen verkaufen, rücken nun auch die Major Labels langsam vom Einsatz von Digital-Rights-Management-Systemen [DRM] ab. Nach EMI hat auch die weltgrößte Musikkonzern Universal Music vor kurzem angekündigt, in einem Testlauf DRM-freie Musik im Netz anbieten zu wollen.
(futurezone | Patrick Dax)