"Schandfleck" in der Musikgeschichte

29.08.2007

Die Internet-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation [EFF] zieht nach vier Jahren Klagen der US-Musikindustrie gegen Tauschbörsennutzer Bilanz und fordert die Einführung einer Pauschalabgabe für Musik aus dem Netz an US-Universitäten.

Am 8. September 2003 klagte der US-Musikindustrieverband RIAA 261 Musikfans, die Songs in Filesharing-Netzwerken getauscht hatten. Vier Jahre später ist die Anzahl der Leute, gegen die der Branchenverband Verfahren einleitete, auf mehr als 20.000 gewachsen.

Die Klagen richten sich nicht gegen kommerzielle Piraterie, sondern unter anderem gegen Kinder, Großeltern, alleinerziehende Mütter und College-Professoren, die willkürlich aus Millionen amerikanischer Musikfans ausgewählt wurden, die Tauschbörsen nutzen, kritiserte die EFF.

In einem am Dienstag veröffentlichten ausführlichen Report dokumentiert die US-Internet-Bürgerrechtsbewegung penibel die seit vier Jahren andauernde Klagewelle der US-Musikindustrie.

Die EFF bietet Menschen, die ins Visier der RIAA geraten sind, rechtliche Hilfestellung an und unterstützt ihrerseits Klagen gegen die Musikindustrie.

"Filesharing beliebter als je zuvor"

Trotz der Klagen des Musikindustrieverbandes sei Filesharing beliebter als je zuvor, resümierte EFF-Anwalt Fred von Lohmann. Die Klagen gegen Tauschbörsennutzer würden wohl als Schandfleck in die Geschichte der Musikindustrie eingehen, so Lohmann.

Zahl der Tauschbörsennutzer steigt

Laut Statistiken des Peer-to-Peer-Monitoring-Unternehmens Big Champagne nutzten vor vier Jahren zu jedem beliebigen Zeitpunkt durchschnittlich rund 4,3 Millionen Leute weltweit Online-Tauschbörsen.

2007 verzeichneten Online-Tauschbörsen laut Big Champagne simultan zu jeder Zeit durchschnittlich 9,35 Millionen Nutzer.

IFPI vom Erfolg der Klagen überzeugt

Die Tonträgerindustrie hat seit Jahren mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Dafür machen die Branchenverbände vor allem den Tausch von Musik im Netz verantwortlich.

Im Gegensatz zur EFF ist der internationale Branchenverband IFPI vom Erfolg der Klagen gegen Tauschbörsennutzer überzeugt. Der Anteil der Breitband-Internet-User, die Online-Tauschbörsen nutzen, sei zuletzt anteilsmäßig gefallen, sagte IFPI-Chef John Kennedy im vergangenen Jänner unter Berufung auf eine Studie des Marktforschungsunternehmens Jupiter Research.

"Klagen bringen Musikern kein Geld"

Künstler müssten für ihre Musik bezahlt werden, die Klagen würden jedoch Musikern kein Geld einbringen, sagte Lohmann. Das Vorgehen der Musikindustrie habe Musikfans dazu gebracht, Technologien zu nutzen, die schwerer zu beobachten seien.

Musikfans zu klagen könne nicht die Antwort auf das P2P-Dilemma sein, so der EFF-Anwalt.

Forderung nach Pauschalgebühr

Lohmann forderte US-Universitäten auf, ihre Studenten vor rechtlichen Problemen zu bewahren und mit der Musikindustrie eine Pauschalgebühr für den Download von Musik aus dem Netz auszuhandeln.

Universitäten im Visier der RIAA

US-Universitäten waren in jüngster zunehmend ins Visier des US-Musikindustrieverbandes geraten. Wöchentlich werden neue Klagen gemeldet. Seit Februar versendete die RIAA auch Schreiben an US-Studenten, in denen den vermeintlichen Tauschbörsennutzern angeboten wird, eine drohende Klage wegen Urheberrechtsverletzungen gegen eine Vergleichszahlung samt "Rabatt" aus der Welt zu schaffen. Zuletzt wollte man auch die Universitäten dazu verpflichten, P2P-Filter in den Uninetzen zu installieren.

"Es geht nicht um Moral, sondern um Geld"

Diese könnte beispielsweise fünf Dollar pro Monat ausmachen und würde auch sicherstellen, dass die Musiker bezahlt werden.

Dabei gehe es nicht um Moral, sondern um Geld, sagte Lohmann. Mit einer Pauschalgebühr könnten die Musikkonzerne ihre Anwälte und Lobbyisten zurückpfeifen, und die Universitäten könnten sich wieder der Ausbildung anstatt der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen widmen.

Der britische Musikmanager Peter Jenner [The Clash, Billy Bragg] machte sich im vergangenen November für eine Pauschalgebühr für Musik aus dem Netz stark. "Online-Musik ist für viele genauso wie Radio. Danach sollten sich auch die Preise richten", sagte Jenner. Er könne sich eine monatliche Gebühr in der Höhe von vier Euro vorstellen.

Ende Dezember 2005 sprach sich die französische Nationalversammlung überraschend dafür aus, den Tausch urheberrechtlich geschützter, nicht lizenzierter Musikstücke durch eine "Kulturpauschale" zu legalisieren. Drei Monate später entschied sich das französische Parlament nach einer hitzigen Debatte dann doch dagegen.

In Österreich Klagen seit Oktober 2004

Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI Austria] geht seit Oktober 2004 mit einer "Aktion scharf" gegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen vor.

Während in der Anfangszeit der Aktion noch regelmäßig "Zwischenbilanz" gezogen wurde, hielt sich der österreichische Musikwirtschaftsverband zuletzt auffällig bedeckt.

Eine ORF.at-Anfrage bei der IFPI Austria zu rechtlichen Schritten gegen Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen läuft.

In Deutschland verschärfte der Bundesverband der honographischen Wirtschaft heuer die Gangart gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet. Seit Jahresbeginn wurden bereits mehr als 25.000 Anzeigen gegen vorwiegend jugendliche Tauschbörsennutzer eingebracht.

(futurezone | Patrick Dax)